Das Problem

Bei intraartikulären Frakturen des distalen Radius ist die anatomische Wiederherstellung der Gelenkfläche der entscheidende Faktor für ein gutes postoperatives Ergebnis [2]. Als Standardverfahren hat sich am distalen Radius die palmare Plattenosteosynthese etabliert [7]. Die Fixation mit winkelstabilen Platten stößt aber gerade bei komplexeren Frakturen mit multiplen Gelenkfragmenten an ihre Grenzen [1]. Geschlechtsspezifische und individuelle Unterschiede werden nicht von allen kommerziell erhältlichen Plattensystemen gleichermaßen berücksichtigt [5]. Multiple K‑Drähte, die als temporäre Repositions- und Fixationshilfe verwendet werden, können das Platzieren der Platte verhindern, oder eine Platte kann nicht alle Fragmente genügend retinieren. Kleinere Fragmente der Gelenkfläche, hier insbesondere die ulnopalmare Gelenklippe, lassen sich häufig schlecht kontrollieren und in Position halten [4].

Die Lösung

Die Verwendung von Miniplatten aus der Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie kann ein adäquates Instrument zur Reposition und Retention kleinerer Gelenkrandfragmente oder anderer schwer kontrollierbarer Fragmente sein. Damit wird eine erste Reposition und Fixierung möglich, ohne die folgende, definitive Stabilisierung durch ein herkömmliches Plattensystem zu kompromittieren.

Die Verwendung dieser Ergänzungsplattentechnik eignet sich bei dislozierten, mehrfragmentären distalen Radiusfrakturen mit Beteiligung der palmaren Gelenklippe (AO-Klassifikation 23-C3), Luxationsfrakturen sowie bei einfachen distalen Gelenkfrakturen mit mehrfragmentärer metaphysärer Trümmerzone (AO 23-C2; [3]). Keine Indikation für diese Technik besteht bei einfachen distalen Radiusfrakturen ohne Gelenkbeteiligung (AO 23 A1–3) sowie bei einfachen intraartikulären distalen Radiusfrakturen (AO 23 B2–3; [8]).

Wir verwenden ein Kleinfragmentinstrumentarium mit beispielsweise einer VA-LCP-2-Säulen-Radiusplatte, 2,4/2,7-mm-Kortikalisschrauben und 2,4-mm-Verriegelungsschrauben (Fa. DePuy-Synthes, Zuchwil, Schweiz). Optional können variable Winkelverriegelungsschrauben eingesetzt werden. Hinzu kommt das Miniplatteninstrumentarium aus der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie mit nichtwinkelstabilen Platten von 0,4 mm, 0,5 mm, und 0,7 mm Dicke sowie Schrauben von 1,5 und 1,8 mm Durchmesser (Abb. 1). Diese Platten wurden 2008 in Zusammenarbeit zwischen der Synthes GmbH und der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthese (AO) entwickelt.

Abb. 1
figure 1

Miniplatten am Beispiel der MatrixMIDFACE-Platten und -Schrauben. (Mit freundl. Genehmigung der Synthes GmbH)

Operationstechnik

Der Patient wird in Rückenlage mit Armbank gelagert und eine sterile Rolle zur Repositionshilfe unter das Handgelenk gelegt. Der Zugang erfolgt über einen erweiterten radiopalmaren Zugang nach Orbay [6].

Nach Darstellung der Fraktur werden die Fragmente unter direkter Sicht mittels Kirschner-Drähten, Repositionszangen und Miniplatten reponiert und retiniert (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Intraoperative a.-p.-Aufnahme Handgelenk nach Frakturreposition mittels Repositionszangen, Kirschner-Drähten und 3 Miniplatten

Nach Erreichen des gewünschten Repositionsergebnisses wird eine palmare Platte, hier eine „locking compression plate“ (LCP-)Radiusplatte, positioniert und winkelstabil verschraubt (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Intraoperative Aufnahmen der Frakturreposition mittels Repositionszangen, Kirschner-Drähten, Miniplatten und palmarer „locking compression plate“ (LCP-)Radiusplatte

Postoperative Behandlung

Postoperativ erfolgt die Ruhigstellung zunächst in einer palmaren Gipsschiene. Nach Abschwellung kann eine Handgelenkmanschette getragen werden. Bei hinreichend stabiler Fraktur ist eine frühfunktionelle physiotherapeutische Nachbehandlung aus der Manschette heraus möglich [8]. Bei unsicherer Stabilität ist die Ausbehandlung im zirkulären Unterarmgipsverband sinnvoller. Ist die Fraktur klinisch und radiologisch konsolidiert, folgt ebenfalls unter krankengymnastischer Anleitung der Belastungsaufbau.

Eine Entfernung des Osteosynthesematerials ist bei Beschwerden, z. B. durch Irritationen von Sehnen sinnvoll, jedoch frühestens 6 Monate postoperativ. Dabei können die kaum auftragenden Miniplatten belassen werden, zumal der Knochen diese nicht selten überbaut, was eine Entfernung erheblich erschwert.

Ergebnisse

In unserer Klinik wurden zwischen April 2014 und Juni 2015 bei 3 Patienten 4 distale Radiusfrakturen unter Zuhilfenahme von Miniplatten als Ergänzungsimplantate operativ versorgt (Tab. 1). Die Reposition erfolgte jeweils in der Technik nach Orbay durch Druck der Radiusgelenkfläche gegen die als Formvorlage dienende proximale Handwurzelreihe [6]. Knochentransplantate oder synthetische Knochenersatzstoffe zum Ausgleich von Knochendefekten waren nicht notwendig. Alle Frakturen waren nach 6 Wochen verheilt.

Tab. 1 Übersicht der Fälle

Die physiotherapeutisch assistierte funktionelle Nachbehandlung dauerte bei jedem Patienten mindestens 6 Wochen. Nachkontrollen erfolgten nach 6 Wochen, 3 und 6 Monaten sowie 1 Jahr postoperativ. Die Ergebnisse sind Tab. 1 zu entnehmen. In Abb. 456 und 7 ist Fall 1 beispielhaft dargestellt.

Abb. 4
figure 4

Fall 1: Bilder nach dem Unfall. Computertomogramm Handgelenk rechts und links, repräsentative frontale und sagittale Schichten

Abb. 5
figure 5

Fall 1: intraoperative Aufnahmen Handgelenk rechts und links, jeweils anterior-posterior (ap) und lateral

Abb. 6
figure 6

Fall 1: Aufnahmen 6 Wochen postoperativ Handgelenk rechts und links, jeweils anterior-posterior (ap) und lateral

Abb. 7
figure 7

Fall 1: funktionelles Ergebnis 6 Monate postoperativ