Vorbemerkungen

Bei periprothetischen Azetabulumfrakturen handelt es sich insgesamt um seltene, aber in der heutigen orthopädisch-unfallchirurgischen Praxis zunehmend vorkommende Frakturen, die in ihrer Folge zu ungünstigen Verläufen für die Patienten, bis hin zum letalen Ausgang führen können [4, 5]. Das Management solcher Frakturen ist grundsätzlich schwierig und komplikationsbehaftet [6, 7, 17]. Aufgrund der stetig ansteigenden Anzahl an Hüftprothesenimplantationen, immer längeren Standzeiten und der hohen körperlichen Aktivität auch geriatrischer Patienten mit Hüft-Totalendoprothese (Hüft-TEP), stellen periprothetische Frakturen des Azetabulums ein zunehmendes, oft schwer zu lösendes Problem dar.

In Analogie zu sonstigen periprothetischen Frakturen (Hüfte, Knie, etc.) ist auch bei den periprothetischen Azetabulumfrakturen die Beantwortung der Frage nach fester oder lockerer Prothesenkomponente zentraler Schlüsselschritt im therapeutischen Algorithmus. Während für traumatisch bedingte periprothetische Azetabulumfrakturen mit dislokationsbedingtem Verlust der Azetabulumsphärizität und damit der Pfannenverankerung diese Frage leicht zu beantworten ist, kann sie jedoch für die aseptische und septische Lockerung ohne adäquates Trauma mit konsekutiver Defektbildung und Fraktur nicht immer klar beantwortet werden. So spielt die Ursache der Pfannenlockerung für die Behandlung eine entscheidende Rolle. Neben einer septischen Lockerung muss zunächst die aseptische Lockerung mit abriebbedingten, periazetabulären Knochendefekten ausgeschlossen werden. Bei frakturbedingten Ursachen unterscheiden wir intra- von postoperativen Frakturen. Letzteren liegt ein akutes Trauma und/oder eine aseptische/septische Lockerung mit periazetabulären Lysen zugrunde. Die Inzidenz von intraoperativen Frakturen wird bei zementierter Verankerung mit 0,2 % angegeben [1], während bei nichtzementierter Implantation von einer Inzidenz von 0,4 % berichtet wird [2]. Eine unbekannte Anzahl an Frakturen wird intraoperativ nicht bemerkt und verursacht zu einem späteren Zeitpunkt Beschwerden. Insbesondere bei akut einsetzenden Schmerzen ohne Trauma in den ersten postoperativen Wochen sollte deshalb nach einer periprothetischen Fraktur gefahndet werden.

Die postoperativen Frakturen können ausschließlich durch traumatische Ereignisse verursacht sein [35] oder sekundär durch strukturelle Veränderungen im periazetabulären Knochenlager, z. B. durch periazetabuläre Lysen, Pfannenlockerungen oder Osteoporose entstehen [6, 7]. Häufig liegt eine Kombination verschiedener Ursachen vor. So können Lockerungen zu akuten Schmerzen und Sturzereignissen führen, welche dann zu weiteren, für eine traumatische Genese typischen Frakturkomponenten führen. Häufig ist nur die Anamnese mit einem schleichenden Schmerzbeginn bereits vor einem Sturzereignis suspekt für eine durch aseptische Lockerung bedingte periprothetische Fraktur. Eine Infektion muss differentialdiagnostisch immer einbezogen werden. Angaben zur Häufigkeit von postoperativen Frakturen nach Primärimplantation finden sich in der Literatur nicht, wohingegen die Prävalenz von postoperativen periazetabulären Frakturen mit Beckendiskontinuität bei Revisionseingriffen mit 0,9 % angegeben wird [8].

Die Abb. 1a, b zeigen den Behandlungsalgorithmus bei intraoperativer und postoperativer periprothetischer Azetabulumfraktur.

Abb. 1
figure 1

a Behandlungsalgorithmus bei einer intraoperativen periprothetischen Azetabulumfraktur („open reduction internal fixation“, ORIF), b Behandlungsalgorithmus einer postoperativen periprothetischen Azetabulumfraktur

Die intraoperativen Frakturen werden nach Callaghan in vier Typen (A–D) unterteilt ([9]; Abb. 2):

  • Typ A: vordere Wandfraktur

  • Typ B: Querfraktur

  • Typ C: inferiore Azetabulumfraktur

  • Typ D: hintere Wandfraktur

Dabei gründet sich diese Klassifikation rein auf die Lokalisation der Fraktur, ohne die Stabilität der Pfanne zu berücksichtigen, und ist die derzeit einzige Fraktureinteilung, die eine morphologische/systemische Fraktureinteilung erlaubt.

Abb. 2
figure 2

Klassifikation intraoperativer periprothetischer Azetabulumfrakturen nach Callaghan et al. ([9], mit freundlicher Genehmigung von Elsevier). a Typ A: vordere Wandfraktur. b Typ B: Querfraktur. c Typ C: inferiore Azetabulumfraktur. d Typ D: hintere Wandfraktur

Die postoperativen periprothetischen Azetabulumfrakturen werden nach Peterson und Lewallen in zwei Typen unterteilt. Dabei handelt es sich beim Typ 1 um Frakturen mit klinisch und radiologisch stabilem Implantat, während beim Typ 2 das Implantat instabil ist [4]. Die Lokalisation der Fraktur wird in dieser Klassifikation nicht aufgegriffen.

Im Folgenden wird die Operation einer Typ-2-Fraktur nach Peterson und Lewallen-mit dislozierter periprothetischer Azetabulumquerfraktur und Pfannenlockerung dargestellt. Es handelt sich um eine 65-jährige Patientin (29 Monate nach der Primärimplantation, Hüft-TEP), welche sich bei einem Treppensturz eine periprothetische Azetabulumquerfraktur (Typ 2) zugezogen hatte (Abb. 3a).

Abb. 3
figure 3

65-jährige Patientin mit Azetabulumquerfraktur (Typ 2 nach Peterson und Lewallen: instabile Pfannensituation), akut traumatisch nach Treppensturz. a Präoperatives Röntgen. b, c Präoperatives CT. d Postoperatives Röntgen nach dorsaler Plattenosteosynthese und einzeitigem Pfannenwechsel 10 Monate nach Versorgung

Die Behandlungsstrategie für postoperative Typ-2-Frakturen (instabile Pfanne) ist abhängig von der Lokalisation, der Knochenstruktur und der Integrität des Pfannenlagers (Defektsituation). Während in den meisten Fällen die Stabilisierung der Fraktur über eine Osteosynthese vorgenommen wird, kann bei vorliegenden Knochendefekten zur Wiederherstellung des Rotationszentrums die Überbrückung mit Abstützringen oder Sockelpfannen indiziert sein. Bei adäquater Knochensubstanz und guter Knochenstruktur ist bei rein medialen Frakturen mit intakter vorderer und hinterer Wand die Implantation einer großen Wechselpfanne mit zusätzlichen Schrauben und autologer Spongiosaplastik der medialen Wand als nichtzementiertes Vorgehen beschrieben. Dies erfordert jedoch eine restriktive Nachbehandlung, möglichst mit Einhaltung einer Teilbelastung für 12–16 Wochen [9]. Wie im vorgestellten Fall einer Querfraktur mit Dislokation des hinteren Pfeilers sollte zur Vorbereitung des Pfannenlagers die Rekonstruktion über eine dorsale Plattenosteosynthese vorgenommen werden (Abb. 3).

Eine relevante Osteoporose und/oder periazetabuläre Knochendefekte/Osteolysen bis hin zur einer Beckendiskontinuität müssen in die Planung einbezogen werden. Konzeptionell kommen Abstützringe in Kombination mit zementierten Pfannen und ggf. medialseitig angelagerter autologer Spongiosa zum Einsatz (Abb. 4; [911]). Dabei adressieren Abstützringe sowohl die Fraktur als auch die lockere Pfanne und den strukturellen Defekt. Prinzipiell ist für diese Stützring- oder Sockelpfannensysteme ein intakter dorsaler Pfeiler und ein strukturell intaktes Os ilium essentiell. Kann dies nicht vorgefunden werden, muss eine einzeitige Osteosynthese zur Rekonstruktion dieser lastaufnehmenden Beckenanteile der Implantation des Stützringsystems vorgeschaltet werden. Als weitere Option, insbesondere für Patienten mit Osteoporose und nur mangelhafter Rekonstruktionsoption des Pfannenlagers, beschreiben Chitre et al. ein zweizeitiges Vorgehen mit initialer Osteosynthese und Spongiosaplastik zur Schaffung eines strukturell suffizienten Azetabulums und zur Reimplantation einer Pfanne im Verlauf nach Frakturheilung [12].

Abb. 4
figure 4

88-jährige Patientin mit periprothetischer Azetabulumfraktur (Typ 2 nach Peterson und Lewallen: instabile Pfannensituation), spontan mit ausgedehnten periazetabulären Lysen. ab Präoperatives Röntgenbild a.-p. und axial. c Versorgung mit Abstützring, autologer Spongiosa („impaction grafting“) und zementierter Pfanne

Das gesamte Behandlungskonzept muss nicht nur auf optimale Bedingungen für eine ungestörte Frakturheilung abzielen, sondern auch die Integration der Pfanne oder deren Erhalt und die Behandlung periazetabulärer Defekte berücksichtigen. Daher ist für den Fall der operativen Therapie grundsätzlich sowohl unfallchirurgisch-osteosynthetische, als auch orthopädisch-endoprothetische Expertise – einschließlich der Revisionsendoprothetik – sicherzustellen. Zudem sollte zur Optimierung eines derangierten Knochenmetabolismus (Osteoporose, Vitamin-D-Mangel, sekundäre Osteopenien infolge Komorbiditäten, etc.), aber auch zur Prophylaxe weiterer osteoporotisch bedingter Frakturen, eine entsprechende internistisch/osteologische Begleittherapie eingeleitet werden.

Operationsprinzip und -ziel

Zunächst Wiederherstellung eines stabilen Pfannenlagers für die Verankerung einer Wechselkomponente durch Stabilisierung des dorsalen Pfeilers. Dorsaler Zugang zur Hüfte. Luxation der Hüftprothese und Explantation der Pfanne. Reposition des hinteren Pfeilers über eine Doppelplattenosteosynthese. Verankern einer Revisionspfanne in das rekonstruierte Azetabulum und Reposition der Hüftprothese.

Vorteile

  • Beim dorsalen Zugang zum Hüftgelenk (Kocher-Langenbeck-Zugang) handelt es sich um einen etablierten Standardzugang der Azetabulumchirurgie und Hüftendoprothetik.

  • Sofern bei einer intraoperativen Fraktur ein lateraler oder posteriorer Zugang verwendet wurde, leichte Erweiterung zum Kocher-Langenbeck-Zugang möglich

  • Ein- oder zweizeitige Osteosynthese und Implantation der Prothese über einen Zugang

  • Nach Darstellung des hinteren Pfannenrands kann die Stabilität der Pfanne mechanisch getestet werden.

  • Zugang erlaubt bei Instabilität der Pfanne simultane Pfannenexplantation mit folgender direkter Reposition der Fraktur und schließlich Reimplantation einer Wechselpfanne

  • Bei zusätzlicher Schaftlockerung kompletter Prothesenwechsel möglich

  • Komplette Erreichbarkeit des hinteren Pfeilers und Ermöglichung stabiler Fixationen zwischen Ileum und Ischium

  • Querfrakturen mit fehlender oder nur geringer Dislokation des vorderen Pfeilers können über antegrade, ggf. computernavigierte Pfeilerschrauben zusätzlich adressiert werden.

Nachteile

  • Fehlende Möglichkeit der Reposition und Fixation von zusätzlichen Frakturkomponenten im Bereich des vorderen Pfeilers, z. B. bei trans-/juxtatektalen Querfrakturen mit disloziertem vorderen Anteil

  • Gefahr einer iatrogenen Verletzung durch Verlauf des N. ischiadicus in direkter Nähe zum hinteren Pfeiler.

  • Höhere Luxationstendenz der HTEP im Vergleich zu lateralen und ventralen Zugängen [13, 14]

Indikationen

  • Dislozierte, intraoperative periprothetische Azetabulumfraktur mit instabiler Pfanne

  • Postoperative periprothetische Azetabulumfraktur mit stabiler und/oder instabiler Pfanne sowie Dislokation im Bereich der hinteren Wand und des hinteren Pfeilers durch dorsale Wandfrakturen, Frakturen des dorsalen Pfeilers oder Querfrakturen mit nichtverschobener vorderer Frakturkomponente

Kontraindikationen

  • Allgemeine Kontraindikationen für einen chirurgischen Eingriff

  • Periprothetische Frakturen des vorderen Pfeilers und der vorderen Azetabulumwand

  • Periprothetische Azetabulumfrakturen mit unzureichender Knochensubstanz für die Verankerung von Osteosynthesematerial und/oder einer konventionellen Wechselpfanne: In dieser Situation Verwendung eines Stützring- oder Sockelpfannensystems

Patientenaufklärung

  • Allgemeine chirurgische Risiken

  • Erhöhte Infektionsgefahr, da Revisionseingriff

  • Direkte und indirekte Läsion des N. schiadicus und des N. gluteus superior

  • Intraoperative Blutung, insbesondere nach Läsion der A. und V. glutea superior oder A. und V. glutea inferior

  • Erweiterung des operativen Eingriffs auf einen zusätzlichen Schaftwechsel bei zusätzlich lockerem Schaft nach intraoperativer Stabilitätstestung

  • Risiko einer postoperativen Hüftluxation

  • Verwendung eines Stützring-/Sockelpfannensystems als Rückzugsmöglichkeit bei intraoperativ detektierter ungenügender Knochenqualität

Operationsvorbereitung

  • Periprothetische Azetabulumfrakturen stellen eine dringliche Operationsindikation dar: Rasche präoperative Optimierung der oft geriatrischen Patienten, idealerweise durch einen Geriater in Absprache mit dem Anästhesisten, um Prozess zu beschleunigen.

  • Bereitstellung eines sowohl traumatologisch als auch endoprothetisch versierten Operationsteams

  • Sorgfältiges Prüfen der Indikationsstellung, insbesondere Ergreifen aller präoperativen Möglichkeiten zur Prüfung der Stabilität der Pfanne (s. Tab. 1)

  • Klinische Untersuchung mit Dokumentation früherer Zugangswege

  • Einholung vollständiger Informationen über die einliegenden Prothesenkomponenten inklusive der Standzeit und möglicher Wechseloperationen. Im günstigsten Falle liegen ein Prothesenpass oder weitere Dokumente (Arztbriefe, Operationsberichte) vor. Ggf. auch Modellidentifikation im Röntgenbild

  • Radiologische Implantatlockerungen sowie Sinterungen im Vergleich zu Voraufnahmen, lokale Entzündungszeichen oder Schmerzen bereits vor Fraktur und laborchemische Entzündungsparameter begründen den Verdacht auf eine Infektion und müssen durch präoperative Gelenkpunktion und Probenentnahme unter Bildwandlerkontrolle abgeklärt werden.

  • Vorbereitung eines endoprothetischen Instrumentariums für den Fall eines zusätzlichen Schaftwechsels oder bei intraoperativem Wechsel auf ein Stützring-/Sockelpfannensystem

  • Bei einer potentiell lebensbedrohlichen hämodynamischen Instabilität KM-CT, ggf. transarterielle Embolisation [4, 5] oder sofortige operative Blutstillung

  • Erfassung und sorgfältige Dokumentation des neurovaskulären Status

  • Präoperatives Kreuzen und Vorhalten von mindestens 4 Erythrozytenkonzentraten und 2 FFPs („fresh frozen plasma“)

  • Perioperative Antibiotikaprophylaxe mit Cephalosporin der 1. Generation (Cefazolin 2 g i. v.) 30–60 min vor Schnitt. Alternativ bei bekannter Penizillinallergie (vom Typ 1) Meropenem 1 g. i. v

  • Team-Time-Out

Tab. 1 Direkte oder indirekte Zeichen für die Bewertung der Pfannenstabilität

Instrumentarium

  • Kleinfragment-Rekonstruktionsplatten gerade und gebogen (Titan) mit entsprechenden Biegezangen und Kleinfragmentschrauben (Kortikalis- und Spongiosaschrauben) bis zur Länge von 70 mm und allen hierzu gehörigen Instrumentarien (Biegepressen, Gewindeschneider, Längenmessinstrumente, Kugelspieß-Repositionshilfe, lange Schraubenzieher, ggf. mit Kardan-Mechanismus, etc.)

  • Lange Kirschner-Drähte der Stärke 2,0 und 1,6 mm zur temporären Fixation von Fragmenten

  • Schanz-Schrauben zur (auch perkutanen) Manipulation von größeren Fragmenten (z. B. Sitzbein)

  • Repositionszangen (große und kleine Spitz-Spitz-Repositionszangen, koaxiale Repositionszange, Jungbluth-Repositionszange mit entsprechenden Großfragmentschrauben)

  • Stumpfe und spitze Retraktoren (Hohmann-Haken mit breitem und schmalem Schild, Langenbeck-Haken)

  • Oszillierender Bohraufsatz

  • Vorhaltung des gesamten passenden Wechselinstrumentariums und der Wechselimplantate im Falle einer unerwarteten Pfannen-/Schaftrevision, inkl. revisionsendoprothetischer Stützring-/Sockelpfannensysteme (auch für zementierte Systeme)

  • Meißel-Set für Pfannenexplantation

  • Bildverstärker, optional als 3-D-Gerät

Anästhesie und Lagerung

  • Intubationsnarkose

  • Kontrollierte Seitenlagerung des Patienten/der Patientin auf der Vakuummatratze mit Unterpolsterung der Thorax-, Trochanter-, Peroneal- und der Sprunggelenkregion der aufliegenden Seite. Auslagerung des Arms der verletzten Seite auf einer gepolsterten Armschale. In einer „konventionellen“ Fraktursituation kann auch in Bauchlage zugegangen werden. Bei periprothetischer Fraktur kann jedoch nur in Seitenlage die Hüfte luxiert und bei instabiler Pfannensituation ein Pfannenwechsel vorgenommen werden.

  • Lagerung auf dem Karbontisch und präoperatives Überprüfen der freien multiplanaren intraoperativen Röntgen-/Bildwandlerkontrolle (ggf. intraoperative 3-D-Scan-Option)

  • Abwaschen und Abdecken bis zur unteren Thoraxapertur mit freier Beweglichkeit der betroffenen Extremität, um intraoperativ Zug auszuüben und die Reposition unterstützen zu können.

Operationstechnik

(Abb. 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13)

Abb. 5
figure 5

Der Hautschnitt verläuft ca. 5 cm distal der Spina iliaca posterior superior geschwungen bis auf die Längsachse des Femurs und wird ca. 10–15 cm nach distal weitergeführt. Der Scheitel der Schnittführung liegt in etwa auf Höhe der Trochanterspitze

Abb. 6
figure 6

Scharfe Durchtrennung des subkutanen Fettgewebes. Dann Durchtrennung der Glutealfaszie proximal und Ausdehnung nach kaudal über den dorsalen Anteil des Tractus iliotibialis. Dann Inzision der Bursa trochanterica und Abpräparation nach dorsal. Die Muskulatur des M. gluteus maximus wird stumpf in Faserrichtung in der Art gepalten, dass ca. zwei Drittel des Muskels dorsal und ein Drittel des Muskels ventral verbleiben. Die Vasa glutea superior und der N. gluteus superior unterkreuzen im proximalen Bereich die gespaltene Glutealmuskulatur, so dass hier Vorsicht geboten ist. In der tiefen Schicht kommen nun der N. ischiadicus und die Außenrotatoren zur Ansicht. Bei Bedarf kann der Ansatz des M. gluteus maximus etwas eingekerbt werden. Die Einkerbung sollte im sehnigen Anteil verlaufen, damit später eine suffiziente Refixation möglich ist

Abb. 7
figure 7

Der N. ischiadicus verläuft auf dem M. quadratus femoris und dem M. triceps coxae der von distal nach proximal aus dem M. gemellus inferior, M. obturatorius inferior und M. gemellus superior besteht. Er verläuft in der Regel ventral des M. piriformis, der als Kennmuskel dient, unter dem der N. ischiadicus von der Incisura ischiadica kommend nach dorsal austritt. Daher sollte der Nerv von distal her darstellt werden. Die Ansätze des M. triceps coxae und des M. piriformis werden von distal nach proximal unter Belassung eines 1–2 cm breiten Stegs an ihrem Ansatz abgesetzt, um eine spätere Refixation zu ermöglichen. Das Vorlegen von Haltefäden erleichtert dabei das Umschlagen der Muskeln nach dorsal und die spätere Refixation

Abb. 8
figure 8

Nach Eröffnung der Kapsel schonende Luxation des Prothesenkopfs durch gleichzeitige Außenrotation und Beugung im Hüftgelenk. Der Unterschenkel wird dabei in einer sterilen Tasche am Tischvorderrand gelagert

Abb. 9
figure 9

Ein stumpfer Hohmann-Haken in der Incisura ischiadica minor schützt den N. ischiadicus im dorsalen Bereich und gewährt Einsicht auf den hinteren Pfeiler. Ein breiter Hohmann-Haken im supraazetabulären Corpus ossis ilii retrahiert den ventralen Anteil des M. gluteus maximus und den M. gluteus minimus. Mechanische Stabilitätstestung der Pfanne durch Hebeln am Pfannenrand mit kleinem Raspatorium oder sanften Schlägen mit dem Stößel auf dem Pfannenrand. Bei zusätzlicher Schraubenverankerung der Pfanne sollte das Inlay mit den Schrauben entfernt werden, um dann die Stabilität in o. g. Weise oder aber durch vorsichtige Hebelbewegungen nach Aufsetzen des Einschlaginstrumentariums zu testen. Zusätzlich Fahndung nach „Low-grade“-Infektion durch mikrobiologische Entnahme von Gewebeproben und Synovialkulturen sowie intraoperative Schnellschnittdiagnostik von der periprothetischen Membran [15]. In dieser Position sollte nun auch durch Kompressions- und Traktionsmanöver der Sitz des Prothesenschafts überprüft werden. Im Fall einer Lockerung ist der Schaft zunächst vollständig zu explantieren und nach Abschluss der azetabulären Versorgung ein Revisionsschaft zu implantieren

Abb. 10
figure 10

Die instabile Pfanne wird, sofern vorhanden, mit allen zusätzlichen Schrauben behutsam entfernt, um keine zusätzlichen periazetabulären Defekte zu produzieren. Bei der folgenden Osteosynthese des Azetabulums kommt es weniger auf eine anatomische Reposition, sondern eher auf die stabile Wiederherstellung v. a. des hinteren Pfeilers und des Os ilium an. Dazu wird die Fraktur dargestellt und nach leichter Distraktion, z. B. mit dem Cobb-Raspatorium, von Frakturhämatom und Geweberesten befreit. Das Knie sollte nach Möglichkeit in leichter Beugung gehalten werden, um die Traktion des N. ischiadicus zu reduzieren. Reposition je nach Frakturverlauf unter Zuhilfenahme von sorgsam platzierten spitzen Repositionszangen, der koaxialen Repositionszange und/oder der Jungbluth-Repositionszange. Nach temporärer Stabilisierung allein durch die Zangen oder durch zusätzliche Kirschner-Drähte Stabilisierung über eine Kleinfragment-Rekonstruktionsplatte. Dabei kommen je nach Frakturmuster zwei gerade oder gebogene 8- bis 10-Loch-Platten zum Einsatz, welche an die Anatomie des hinteren Pfeilers angepasst werden. Dabei können lose hintere Wandanteile zuvor mit Kleinfragmentschrauben gefasst und mit der Platte unter zusätzliche Kompression gebracht werden. Zum Schutz der intrapelvinen und peripelvinen Weichteile bohren wir Schraubenlöcher immer mit dem oszillierenden Bohrer in vorsichtiger Schlagbohrtechnik. Minimal sollten 3 Schrauben im Os ilium und 2 lange Schrauben im Os ischium eingebracht werden. Je nach Frakturmuster kann das Platzieren von freien Zugschrauben in Richtung des vorderen Pfeilers sinnvoll und notwendig sein

Abb. 11
figure 11

Bei guter Qualität der Osteosynthese, ausreichender Knochenqualität und bei fehlender Defektsituation im Os ilium kann dann wieder eine Press-fit-Pfanne, ggf. mit zusätzlichen Fixationsschrauben, implantiert werden (Abb. 12). Der Pfannengrund wird gründlich debridiert. Erweiterung des Pfanneneingangs mit sphärischen Pfannenfräsen. Einbringen des Fräsemehls in den Pfannenboden. Einsetzen der Probe und bei festem Sitz schließlich Ersatz durch Einschlagen der neuen Press-fit-Pfanne bis zur festen Fixation unter Berücksichtigung der anatomischen Ausrichtung. Die Beantwortung der Frage nach Verwendung einer Press-fit- oder Revisionspfanne (Stützringsystem) erfolgt auf Grundlage des Repositionsergebnisses und der resultierenden residualen Defektsituation. Die Differentialindikation für die Reimplantation einer Press-fit-Pfanne basiert auf einer möglichst suffizienten Reposition, stabilen Osteosynthese und Wiederherstellung eines sphärischen Azetabulums, welches eine erneute Press-fit-Verankerung erlaubt. Im Falle von resultierenden Defekten, insuffizientem Repositionsergebnis und schlechter Knochenqualität sehen wir die Indikation Defektauffüllung mit auto- oder allogenem Knochen in Sinne eines „Impaction Grafting“ des Pfannenbodens und/oder der supraazetabulären Region. Bei intraoperativen Frakturen wird die Verwendung von Spongiosa aus dem Femurkopf oder Beckenkamm empfohlen [16]. Im Anschluss hieran sollte die Überbrückung der Fraktur durch Verankerung einer Revisionspfanne (Stützringsystem) erfolgen (Abb. 4). Bei der Implantation von Stützringen/-schalen mit einzementierten Inlays ist die Einhaltung einer Teilbelastung nicht unbedingt erforderlich. Bei geriatrischen Patienten, die oft nicht teilbelasten können, sollte diese Option im Zweifel daher großzügig angewendet werden

Abb. 12
figure 12

Beim Positionieren der Verankerungsschrauben der Pfanne ist man an die vorgegebenen Schraubenoptionen des jeweiligen Pfannendesigns gebunden. Durch entsprechende Angulation (nur limitiert möglich) sollte eine Verankerung außerhalb der Defekte im Bereich des stabilen und unversehrten Iliumbereichs angestrebt werden und nach Möglichkeit sollten die Schrauben in Richtung der axialen Krafteinwirkung auf der Pfanne liegen (ab). Dies kann durch eine Interferenz mit den zuvor über die Osteosynthese eingebrachten Schrauben erschwert sein und muss in die Planung mit einbezogen werden. Wünschenswert ist die fächerförmige Platzierung von 2–3 Fixationsschrauben (c)

Abb. 13
figure 13

Bildwanderkontrolle und -dokumentation der Reposition und Implantatlage, ausgiebiges Spülen des gesamten Operationsfelds. Sorgfältiges Débridement kontusionierter Muskelanteile, um das Risiko heterotoper Ossfikationen zu vermindern. Die sonst fakultative Refixation der Außenrotatoren über die vorgelegten Haltefäden sollte bei periprothetischen Frakturen obligat erfolgen, um das Luxationsrisiko zu minimieren. Eine Außenrotation des Beins erleichtert die Refixation. Einlage von zwei tiefen Redondrainagen. Schichtweiser Wundverschluss

Postoperative Behandlung

  • Lagerung auf gepolsterter Schiene (z. B. Volkmann-Schiene)

  • Drainagenzug am 2. postoperativen Tag

  • Physiotherapeutisch angeleitete Teilbelastung der operierten Seite nach Möglichkeit mit 15 kg für 12 Wochen, sofern dies vom Patienten her umsetzbar ist

  • Radiologische Kontrollen postoperativ und nach 2, 6 und 12 Wochen

  • Stufenweise Freigabe der Belastungssteigerung im Rahmen der 12-Wochen-Kontrolle in Abhängigkeit des Befunds

  • Engmaschige Nachsorge vor allem bei Osteoporose und anderen Risiken für Osteolysen wie eine steil eingebrachte Pfanne, beginnende Osteolysen, rheumatoide Arthritis und Metall-Metall-Gleitpaarungen

  • Diagnostik und Therapie allfälliger Knochenstoffwechselstörungen

  • Regelmäßige Physiotherapie zur Stabilisierung und Harmonisierung des Gangbilds und zur Kräftigung der Muskulatur

  • Thrombembolieprophylaxe mit gewichtsadaptiertem, niedermolekularem Heparin bis zur Vollbelastung

Fehler, Gefahren, Komplikationen

  • Verletzungen des N. ischiadicus mit Sensibilitätsstörungen und/oder Paresen im Bereich N. tibialis oder N. peroneus communis, des N. gluteus superius mit Trendelenburg-Hinken durch geschwächte Abduktoren: Intensive Physiotherapie mit Kräftigung der jeweiligen Muskulatur nach Ausfallsmuster und Koordinationsübungen; Elektrotherapie

  • Verletzung der A. und V. glutea superior: Übernähung kleiner Läsionen mit 6/0 Prolene, bei Durchtrennung feine Präparation der Gefäßstümpfe und Ligatur unter Schonung des N. gluteus superius

  • Ektope Ossifikationen im postoperativen Verlauf: Indometacin 50 mg pro Tag für einen Zeitraum von 3 Wochen kann vorbeugend wirken, wobei die Datenlage zu diesem Thema widersprüchlich ist. Im Einzelfall kann eine operative Arthrolyse indiziert sein.

  • Desintegration der Hüftkappe durch Schädigung der A. femoralis circumflexa medialis bei vorangegangenem Oberflächenersatz: Implantation einer Schaftprothese

  • Pfannenlockerung durch Verzögerung oder Ausbleiben der Frakturheilung: Revisionseingriff

Ergebnisse

Aufgrund der Seltenheit periprothetischer Azetabulumfrakturen finden sich in der Literatur nur kleine Fallserien oder Einzelfallberichte mit nur geringer Vergleichbarkeit hinsichtlich der individuellen Frakturmorphologie und Patientencharakteristika. Miller et al. beschrieben erstmals 1972 postoperative, periprothetische Frakturen [18]. Alle 9 Patienten wurden nach konservativem Therapieversuch operiert.

Peterson et al. berichten über 11 postoperative Frakturen und schlagen eine Einteilung nach Typ 1 (stabile Pfanne) und 2 (instabile Pfanne) vor [4]. Während ein Patient die Fraktur aufgrund einer Blutungskomplikation nicht überlebte, wurden die restlichen 10 Patienten nach einen mittleren Zeitraum von 62 Monaten untersucht. Von 8 Patienten mit Typ-1-Frakturen mussten 6 Patienten revidiert werden, ebenso wie 2 Typ-2-Patienten. Die mittlere Zeit von der Fraktur bis zur Revision betrug dabei 15 Monate.

Von 2008–2014 behandelten wir 17 Patienten (14 Frauen, 3 Männer) mit periprothetischer Azetabulumfraktur (Tab. 2). Das mittlere Alter lag bei 73 Jahren (Spanne 32–93 Jahre). Insgesamt 9 Frakturen traten nach Primäreingriff und 8 nach Revisionseingriff auf. Die mittlere Zeit zwischen Indexoperation und periprothetischer Fraktur betrug 42,2 Monate (Spanne 0,25–216 Monate). Insgesamt waren 12 Frakturen traumatischer Genese, 5 traten spontan auf. Die Frakturen verteilten sich auf 7 vordere Pfeiler-Frakturen (2-mal Typ 1, 5-mal Typ 2), 5 Querfrakturen (1-mal Typ 1, 4-mal Typ 2), 4 hintere Pfeiler-Frakturen (2-mal Typ 1, 2-mal Typ 2) und eine Zwei-Pfeiler-Fraktur. Insgesamt wurden 7 Patienten konservativ behandelt. Diese beinhalteten 5 Patienten mit Typ-1-Frakturen mit stabiler Pfanne. Die anderen beiden Patienten wurden konservativ behandelt, da eine Patientin bei bestehender Operationsindikation den geplanten Eingriff ablehnte und ein polytraumatisierter Patient (mit Typ-2-Fraktur) noch vor der Versorgung seinen zusätzlichen Verletzungen (Aortendissektion, intrazerebrale Blutung) erlag. Von den 10 operierten Patienten erhielten 3 einen Abstützring, 2 eine Sockelpfanne, jeweils ein Patient einen regulären Pfannenwechsel, ein Cup-Cage-Konstrukt, eine dorsale Doppelplattenosteosynthese und eine ventrale Plattenosteosynthese über Pararectus-Zugang sowie eine Patientin eine dorsale Doppelplattenosteosynthese mit simultanem Pfannenwechsel. Nach 10 Monaten erreichte diese Patientin einen Harris-Hip-Score von 78 Punkten. Radiologisch zeigte sich eine gute Konsolidierung der Fraktur bei regelrechter Implantatlage und festsitzender Pfanne. Im weiteren Verlauf verstarb die Patientin an den Folgen eines bekannten, dekompensierten Nierenversagens. Ein radiologischer Verlauf mit mittlerer Nachuntersuchungszeit von 7,9 Monaten stand für 10 von 17 Patienten zur Verfügung. Hierbei zeigten sich jeweils eine Konsolidierung der Fraktur und/oder eine stabile Revisionsprothese ohne Dislokation der Frakturen. Revisionseingriffe waren bei diesen Patienten im genannten Zeitraum nicht notwendig. Bei 2 Patienten kam es im frühen postoperativen Verlauf zur Prothesenluxation. Die Therapie erfolgte jeweils konservativ. Bei einem Patienten zeigte sich direkt postoperativ eine transiente Fußheberschwäche, welche nach 2 Monaten komplett rückläufig war.

Tab. 2 Patienten mit periprothetischer Azetabulumfraktur (2008–2014)