Eine Synkope ist ein kurz anhaltender Verlust des Bewusstseins sowie der Haltungskontrolle mit sofortiger, spontaner und vollständiger Erholung, eine Form des transienten Bewusstseinsverlusts („transient loss of consciousness“, TLOC). Sie kann Ausdruck einer akut lebensgefährdenden Erkrankung sein oder auf einer ganz ungefährlichen, vollständig reversiblen Kreislaufdysregulation beruhen. Bei mehr als der Hälfte der Patienten ist auch nach leitliniengerechter strukturierter Notfalldiagnostik die Ursache nicht eindeutig zu identifizieren [10, 18]. Aufgabe des klinischen Notfallmediziners ist es deswegen, lebensgefährdende Situationen unverzüglich zu erkennen und zu behandeln und in den anderen Fällen eine Strategie zu wählen, die das Gefährdungspotenzial analysiert und davon abhängig das weitere Vorgehen festlegt. Ein leitlinienkonformes, strukturiertes Vorgehen in der Notaufnahme kann dazu beitragen, unnötige stationäre Aufnahmen und ressourcenintensive Diagnostik zu vermeiden.

Synkopale Ereignisse sind häufig; 3–5% aller Notaufnahmepatienten werden wegen dieser Störung eingeliefert. Etwa 40% aller Menschen erleiden in ihrem Leben eine Synkope [16]. Häufigkeitsgipfel zeigen sich im adoleszenten Alter und steil ansteigend jenseits des 70. Lebensjahres. Anliegen dieses Beitrags ist es, einen Überblick über das Synkopenmanagement in der Notaufnahme zu geben und einen Algorithmus vorzuschlagen. Die primäre Synkopenabklärung wird durch drei Fragen geleitet:

  • Handelt es sich tatsächlich um eine Synkope oder liegen dem vorübergehenden Bewusstseinsverlust schwerwiegende anderweitige Störungen zugrunde?

  • Steht die Synkope in Zusammenhang mit einem lebensbedrohlichen Ereignis?

  • Im Falle einer ungeklärten Synkope – handelt es sich um einen Risikopatienten?

Definition und Einteilung

Die Beantwortung dieser drei Leitfragen erfordert zunächst eine klare Definition der Synkope sowie einfache Kenntnisse ihrer charakteristischen Formen und deren Prognose.

Eine Synkope (umgangssprachlich als Kreislaufkollaps bezeichnet) ist definiert als eine plötzlich einsetzende, kurz andauernde Bewusstlosigkeit (Sekunden bis wenige Minuten), die mit einem Verlust des posturalen Tonus einhergeht und ohne besondere Behandlungsmaßnahmen reversibel ist, ohne neurologische Residuen zu hinterlassen. Sie ist durch eine vorübergehende globale Minderdurchblutung des zerebralen Kortex oder fokale Minderperfusion des mesenzephalen retikulären Aktivierungssystems charakterisiert und wird nach ihrer Ursache in neurogen reflexvermittelte (vasovagale), kreislaufbedingte (orthostatische), kardiogene oder zerebrovaskuläre Synkopen eingeteilt. Einer Präsynkope liegen prinzipiell die gleichen Mechanismen zugrunde, weshalb eine strukturierte Abklärung auch bei Präsynkopen indiziert ist. Die Nomenklatur dieser Darstellung orientiert sich an der Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) zur Diagnose und Therapie der Synkope von 2009 [8].

Reflexvermittelte oder vasovagale Synkope

Die vasovagale Synkope ist mit 25–65% der Fälle die häufigste Synkopenform [3, 18]. Sie geht mit einer kurzzeitigen extremen Bradykardie und Hypotension als Ursache der zerebralen Minderperfusion einher.

Patienten mit gesicherter vasovagaler Synkope haben i.d.R. eine exzellente Prognose

Ursächlich für die Bradykardie sind überaktive kardioinhibitorische Efferenzen des N. vagus; die gleichzeitige Inhibition vasokonstriktorischer sympathischer Anteile des Baroreflexbogens führt zu einer Vasodilatation mit Blutdruckabfall (Synonym: vasovagale Synkope). Häufig lassen sich typische auslösende Konstellationen eruieren (Infobox 1).

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Für die diagnostische Einordnung ist wichtig, dass die Mehrzahl der Patienten mit vasovagaler Synkope klassische Prodromi wie „Schwarz werden vor Augen“, Benommenheit, Hitzegefühl, Schweißausbruch, Blässe, Übelkeit und gelegentlich unspezifische abdominelle Schmerzen empfinden. Diese Warnsymptome führen gelegentlich zu Schutzverhalten, um verletzungsträchtige Stürze abzumildern. Es besteht jedoch keine Evidenz dafür, dass vasovagale Synkopen ein niedrigeres Verletzungsrisiko als andere Synkopenformen aufweisen. Patienten mit gesicherter vasovagaler Synkope haben generell eine exzellente Prognose ohne erhöhte Morbidität oder Mortalität im Vergleich zur Normalbevölkerung [18, 19].

Orthostatische Synkope

Orthostatische Synkopen machen zwischen 5 und 24% aller Synkopen aus [15, 18]. Ursächlich für die zerebrale Minderperfusion ist ein Versacken intravasalen Volumens beim Wechsel von einer liegenden oder knienden in eine aufrechte Position (venöses Pooling), definiert als Blutdruckabfall >20 mmHg oder frustrane Reflextachykardie von >20/min im Orthostaseversuch [10]. Dies liegt entweder an einem Versagen der baroreflexvermittelten gegenregulatorischen sympathoneuronalen Vasokonstriktion und Chronotropie oder an einem absoluten oder relativen intravasalen Volumenmangel. Eine eventuelle diabetische autonome Neuropathie, Anämie sowie herzfrequenz- und blutdrucksenkende oder L-Dopa-haltige Medikamente sollten beachtet werden.

Bei älteren Menschen kann ein venöses Pooling in den Darmgefäßen nach einem reichhaltigen Mahl insbesondere in Kombination mit vorbestehender Exsikkose oder Alkoholgenuss zur postprandialen Synkope führen. Bei Schwangeren kann im Rahmen eines Vena-cava-Kompressionssyndroms im Liegen der Blutrückfluss zum Herzen kritisch vermindert sein.

Zwar hat die orthostatische Synkope an sich eine gute Prognose, doch sie kann Epiphänomen einer lebensbedrohlichen Störung sein.

Hierzu zählen signifikante Blutverluste, schwere Exsikkose und kardiale Pumpstörungen. Die Diagnose einer einfachen orthostatischen Hypotension ist somit im Rahmen einer Synkopenabklärung eine Ausschlussdiagnose, die nur bei Patienten ohne Risikofaktoren (s. unten) gestellt werden sollte.

Kardiale Synkope

Brady- oder tachykarde Rhythmusstörungen können ebenso wie strukturelle Erkrankungen von Herzklappen, Herzbeutel, Herzmuskel oder Lungenstrombahn die kardiale Auswurfleistung in einem Maße einschränken, dass eine bedarfsgerechte zerebrale Perfusion nicht mehr gewährleistet ist. Patienten mit kardialer Synkope haben ein deutlich erhöhtes Risiko innerhalb der nächsten Monate an einem plötzlichen Herztod zu versterben. Die Einjahresmortalität liegt bei 30% und ist noch höher bei vorbestehender Herzinsuffizienz [11, 18].

Rhythmogene Synkope

Da die meisten Rhythmusereignisse unvermittelt auftreten, gehen der Synkope typischerweise keine Prodromi voraus. Rhythmogene Auslöser liegen bei etwa 14% der Synkopen vor. Typische Ursachen sind das Sick-Sinus-Syndrome, AV-Überleitungsstörungen, supraventrikuläre und ventrikuläre Tachykardien, hereditäre arrhythmogene Syndrome (Long-QT, Brugada, arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie) und Schrittmacherdysfunktionen. Wichtig ist bei dem Verdacht auf eine rhythmogene Ursache proarrhythmogene Medikamente zu erfragen.

Synkope bei struktureller Herzerkrankung/kardiopulmonaler Zirkulationsstörung

Typische Beispiele sind symptomatische stenosierende Herzklappenerkrankungen (Mitral- oder Aortenklappenstenose), akutes kardiales Pumpversagen infolge myokardialer Ischämie, Lungenarterienembolien, seltener Perikardtamponade, die Typ-A-Dissektion der Aorta oder atriale Myxome. Das jährliche Risiko für den plötzlichen Herztod als Komplikation einer obstruktiven Kardiomyopathie (Inzidenz 1:500) beträgt 0,6–1%. Eine Synkope ist hierfür als Hochrisikofaktor anzusehen (relatives Risiko 5), insbesondere wenn sie rezidivierend oder bei Belastung auftritt.

Primär zentralnervöse Störungen als Ursachen einer Synkope

Prinzipiell können auch zentralnervöse Erkrankungen einen plötzlichen Bewusstseinsverlust verursachen: entweder über eine Beeinträchtigung der Durchblutung im Rahmen einer neurovaskulären Erkrankung oder als eine plötzliche autonome Dysfunktion (z. B. bei einer Subarachnoidalblutung, einer transitorisch ischämischen Attacke des vertebrobasilären Versorgungsgebiets oder einer komplexen Migräne). Dass es bei diesen Störungen zu einer raschen kompletten Erholung nach dem Ereignis kommt und keine hinweisenden fokalen oder meningealen Symptome auftreten, ist allerdings selten.

Strategie bei der Synkopenabklärung in der Notaufnahme

Die Erstbeurteilung eines synkopierten Patienten in der Notaufnahme erfordert ein strukturiertes und rationelles Vorgehen mit dem Versuch der ursächlichen Einordnung. Nach den Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) beinhaltet dies zunächst eine sorgfältige Anamnese, die gründliche klinische körperliche Untersuchung, ein Ruhe-EKG sowie Blutdruckkontrollen im Liegen und unter orthostatischer Belastung [8, 20]. Dabei müssen folgende Fragen beantwortet werden:

  1. 1.

    Handelt es sich um eine echte Synkope oder um einen kurzzeitigen Bewusstseinsverlust anderer Ursache?

  2. 2.

    Steht die Synkope in Zusammenhang mit einem lebensbedrohlichen Ereignis?

  3. 3.

    Kann ich den synkopierten Patienten ohne Risiko entlassen?

1. Handelt es sich tatsächlich um eine Synkope oder liegen dem vorübergehenden Bewusstseinsverlust schwerwiegende anderweitige Störungen zugrunde?

Die Genese kurzzeitiger Bewusstseinsstörungen ist äußerst heterogen. Bei Erstkontakt in der Notaufnahme ist häufig nicht sofort offensichtlich, ob es sich bei einer stattgehabten kurzen Bewusstseinsstörung tatsächlich um eine Synkope, d. h. um einen kurzzeitigen, vollständig reversiblen Bewusstseinsverlust infolge passagerer zerebraler Minderperfusion, gehandelt hat. Eine Vielzahl neurologischer, psychogener oder metabolischer Störungen kann ebenfalls zu augenscheinlicher oder tatsächlicher kurzer Bewusstlosigkeit führen. Ihre Abgrenzung stellt oft eine diagnostische Herausforderung dar und beeinflusst die weitere Strategie der Abklärung, die Risikoabwägung und ggf. Therapie ganz entscheidend [3, 10].

Die wichtigste Differenzialdiagnose der Synkope ist der epileptische Anfall.

Die Abgrenzung ist häufig schwierig. Dies liegt an möglichen Interaktionen und Überlappungen (einerseits kann eine verlängerte synkopenassoziierte zerebrale Minderperfusion symptomatische Grands maux auslösen, andererseits können kardiale Arrhythmien durch epileptische Anfälle induziert werden). Zudem sind auch tatsächliche Synkopen oftmals von kurz andauernden Konvulsionen begleitet. Eine klare Unterscheidung ist insbesondere dann notwendig, wenn eine Behandlung mit antiepileptischen Substanzen erwogen wird, da diese zum Teil proarrhythmogene Effekte haben (QT-Verlängerung). Phänomenologische Unterschiede zwischen Aura und typischen vasovagalen Prodromi, Dauer und Art der Konvulsionen (Synkope <20 s, asynchron, keine tonische Phase), Dauer der Bewusstlosigkeit (Synkope meist <1 min), rascher Reorientierung oder postiktaler Umdämmerung, Zungenbiss und Enuresis helfen bei der Differenzierung [2].

Stoffwechselentgleisungen, wie Hypoglykämien, aber auch Hypoxämie oder Hyperventilation mit Hypokapnie können ebenso eine vorübergehende partielle oder komplette Bewusstseinseinschränkung verursachen, wie z. B. vertebrobasiläre transitorische ischämische Attacken (TIAs) und Intoxikationen. Letztere können zudem über ihre substanzspezifischen zentralnervös-toxischen Effekte hinaus tatsächliche Synkopen präzipitieren. So begünstigt z. B. Alkohol aufgrund seiner diuretischen und vasodilatatorischen Effekte das Auftreten orthostatischer Synkopen [12].

Nichtsynkopale Differenzialdiagnosen mit nur augenscheinlichem Bewusstseinsverlust beinhalten Kataplexie, „drop-attacks“, psychogene transiente Bewusstseinsstörungen sowie TIAs der A.-carotis-abhängigen Hirnareale. Da Angst und Panikattacken auch Ausdruck akuter metabolisch-toxischer, hypoxämischer oder infektiologischer Erkrankungen sein können, bedürfen sie – abgesehen von dem Leidensdruck der Patienten – einer ebenso sorgfältigen notfallmäßigen Evaluation wie Zustände mit tatsächlichem Bewusstseinsverlust.

2. Steht die Synkope in Zusammenhang mit einem lebensbedrohlichen Ereignis?

Das Erkennen lebensbedrohlicher Zustände und die Bahnung einer risikoadaptierten sofortigen oder späteren Abklärung ist die vorrangige Aufgabe des Notaufnahmearztes. Die wichtigsten zu bedenkenden lebensbedrohlichen Situationen sind [10]:

  • Kardiale Ereignisse: Sie sind am häufigsten Ursache einer vitalen Bedrohung im Rahmen einer stattgehabten Synkope.

  • Volumenmangel: Schwere akute Blutverluste können sich noch vor Abfall des Hämatokrits mit einer Synkope manifestieren. Die wichtigsten Ursachen umfassen gastrointestinale Blutungen, Trauma mit Leber- oder Milzruptur, das rupturierte Aortenaneurysma und die Extrauteringravidität. Relativer Volumenmangel bei schwerer Exsikkose, Sepsis oder z. B. anaphylaktischer Reaktion müssen klinisch ebenfalls ausgeschlossen werden.

  • Lungenarterienembolie: Sie ist eine seltene, aber gut belegte Synkopenursache.

  • Subarachnoidale Blutung: Sie sollte insbesondere bei Ereignissen, die von Cephalgien, meningealen und Hirndruckzeichen begleitet sind, ausgeschlossen werden.

Andere, per definitionem nichtsynkopale Ereignisse, wie Krampf- und Schlaganfälle oder Schädel-Hirn-Traumata, bedürfen gleicher Aufmerksamkeit. Die genannten diagnostischen Elemente der Erstbeurteilung sind für diese Zielsetzung geeignet. Der Algorithmus wird in Abb. 1 zusammengefasst.

Abb. 1
figure 1

Synkopendiagnostik in der Notaufnahme. (Adaptiert nach [8])

Diagnostisches Vorgehen in der Notaufnahme

Der genauen Erhebung der Eigen- und Fremdanamnese kommt eine Schlüsselfunktion zu. Sie führt oft bereits zu einer hochwahrscheinlichen Ursachenklärung und bestimmt die weitere diagnostische Strategie [1, 3, 10]. Charakteristische Merkmale der unterschiedlichen Synkopenformen sind in Infobox 1 aufgeführt. Fokussiert wird auf Symptome, die der Synkope unmittelbar vorausgehen oder folgen. Folgende Inhalte sind zu klären:

  • Exakter Ablauf und Dauer der Bewusstlosigkeit: Rhythmogene Ereignisse kündigen sich allenfalls durch Palpitationen oder gar nicht an. Oft kommt es deshalb zu Stürzen mit beträchtlicher Verletzungsfolge. Typische „vegetative“ Prodromi deuten auf eine vasovagale Synkope. Ein Bewusstseinsverlust >5 min muss ebenso wie transitorische fokale neurologische Defizite oder prolongierte Verwirrtheit an primär nichtsynkopale Ursachen denken lassen.

  • Begleitsymptome und auslösende Faktoren: Synkopen, die von thorakalen Schmerzen oder Luftnot begleitet werden bzw. belastungsassoziiert auftreten, lassen an strukturelle kardiale Ursachen wie akutes Koronarsyndrom, Lungenarterienembolie oder dekompensierte Klappenstenosen und Herzinsuffizienz denken. Kopfschmerzen können auf eine subarachnoidale Blutung hinweisen. Blutungsstigmata und typische situative Trigger reflexvermittelter Synkopen (s. oben) sind wichtige Informationen.

  • Körperposition: Langes Stehen (z. B. bei Operationen oder Paraden) legt eine vasovagale Synkope nahe; Synkopen in sitzender oder liegender Position sind im Gegensatz zu orthostatischen Lageänderungen suggestiv für rhythmogene Ursachen.

  • Kardiale Vorerkrankungen und kritische Komorbidität, Medikamentenanamnese mit besonderer Beachtung α- oder ß-blockierender Substanzen, anderer Antihypertensiva, Nitrate, Diuretika und Substanzen, die das QT-Intervall verlängern (z. B. Antiarrhythmika, diverse Psychopharmaka). Unerklärte plötzliche Todesfälle von Familienangehörigen in relativ jungem Alter erhöhen das Risiko für kardiale Synkopen.

  • Erstereignis oder Rezidiv: Multiple gleichartige Rezidive über mehrere Jahre sprechen für eine benigne Ätiologie. Neuartige wiederholte Episoden innerhalb kurzer Zeit können hingegen auf eine ernstere Genese hinweisen, z. B. Rhythmusstörungen. Patienten mit psychogenem transientem Bewusstseinsverlust sind meistens jung, herzgesund und beklagen multiple Episoden.

Klinische und apparative Untersuchung

  • Neben der Erhebung der Vitalparameter einschließlich Temperatur und Sauerstoffsättigung sowie der Atemfrequenz ist für die Dauer des Aufenthaltes in der Notaufnahme ein zentrales Kreislaufmonitoring einschließlich EKG sinnvoll und in den Leitlinien empfohlen. Besondere Sorgfalt erfordert die klinische Untersuchung von Herz und Lunge, Karotiden, Thrombose- oder Anämiezeichen und Volumenstatus. Eine gründliche neurologische Untersuchung kann auch latente fokale Defizite aufdecken, was – sofern nicht vorbestehend – per definitionem gegen eine Synkope spricht. Die Untersuchung sollte auch nach eventuellen Verletzungen infolge des synkopalen Sturzereignisses fahnden.

  • Ein Standard-12-Kanal-EKG in Ruhe ist integraler Bestandteil der Primärdiagnostik. Befunde, die eine rhythmogene und/oder strukturelle kardiale Synkopengenese nahe legen, sind in Infobox 2 dargestellt.

  • In der ESC-Leitlinie wird die Durchführung eines vereinfachten Schellong-Orthostase-Tests empfohlen. Hierzu wird der Blutdruck nach 5-minütigem Liegen und erneut nach 3-minütigem Stehen gemessen. Ein Abfall des systolischen Blutdrucks um >20 mmHg oder ein Herzfrequenzanstieg um >20/min sprechen für eine orthostische Dysregulation. Spezifität wie Sensitivität dieses Tests sind allerdings sowohl für die Synkopendiagnostik als auch für die Beurteilung des Volumenstatus sehr gering [10, 15].

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Laboruntersuchungen liefern insbesondere zum Ausschluss lebensgefährdender Differenzialdiagnosen entscheidende Zusatzinformationen. Obschon in der ESC-Leitlinie nicht berücksichtigt, ist deshalb ein Minimalprogramm, das Hb-Gehalt/Hämatokrit, Glukose, Laktat, Elektrolyte, pH, pO2 und pCO2 umfasst, in Ergänzung zur Anamnese und Untersuchung sinnvoll und – sofern sich anamnestisch und klinisch keine anderweitigen spezifischen Hinweise ergeben (z. B. Fieber/Infekt, Intoxikation, akutes Koronarsyndrom, Lungenarterienembolie, LAE) – in den meisten Fällen auch ausreichend, um kritische Konstellationen zu erkennen. Hierfür eignet sich hervorragend die kapilläre Blutgasanalyse mit modernen Point-of-care-Geräten.

Weiterführende Diagnostik

Über die Notwendigkeit und Dringlichkeit weiterführender Untersuchungen muss in Abhängigkeit der bei der Erstbeurteilung erhobenen Befunde entschieden werden. In der Notaufnahme spielt hierbei die Echokardiographie neben der zerebralen Bildgebung (natives, ggf. KM-verstärktes kraniales CT) und gezielter Labordiagnostik (Creatinkinase, Troponin T, Blutbild, Infektparameter etc.) eine entscheidende Rolle und ist über die Klärung akut lebensbedrohlicher kardialer Ursachen hinaus für die Risikostratifizierung hilfreich. Ferner können die Abdomensonographie am Patientenbett und die CT-Angiographie des Thorax entscheidende Informationen liefern. Bei Frauen im gebärfähigen Alter ist ein Schwangerschaftstest großzügig indiziert [10].

Weitere Maßnahmen zur Synkopendiagnostik umfassen das Langzeit-Holter-Monitoring, die Kipptisch-Untersuchung sowie ggf. Ergometrie, Koronarangiographie, elektrophyiologische Untersuchung, Duplexsonographie der Hirnarterien und cMRT oder EEG. Die Indikationen für die wichtigsten Untersuchungen sind in Infobox 3 aufgeführt. Ihre ambulante oder stationäre Durchführung ist keine primäre Domäne der Notaufnahme. Deshalb wird an dieser Stelle hierauf ebenso wie auf etwaige therapeutische und rezidivprophylaktische Maßnahmen nicht weiter eingegangen (Kommentare [8, 20]).

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3. Kann ich den synkopierten Patienten ohne Risiko entlassen?

Die notfallmedizinische Synkopenabklärung führt nur in etwa der Hälfte der Fälle zu einer ursächlichen Einordnung. In den ungeklärten Fällen stellt sich die Frage, ob der Patient ohne Risiko nach Hause entlassen werden kann oder ob eine weitere stationäre Überwachung und diagnostische Abklärung sinnvoll ist. Die entscheidende Frage für die Risikoabwägung ist, ob eine Herzerkrankung vorliegt [1, 3, 11, 18]. Das Fehlen anamnestischer, klinischer und elektrokardiographischer Hinweise auf eine strukturelle Herzerkrankung oder ein Rhythmusereignis schließt eine kardiale Synkope nahezu aus. Umgekehrt ist das Vorhandensein einer Herzerkrankung zwar ein starker Prädiktor für eine kardiale Genese, die Spezifität ist allerdings gering, da auch bei kardial vorerkrankten Patienten in etwa der Hälfte der Fälle nichtkardiale Synkopengründe vorliegen. Ältere Patienten haben ein höheres Synkopenrisiko mit schlechterer Prognose als junge Menschen. Sie leiden häufiger an autonomer Dysfunktion, Orthostase und medikamenteninduzierten Synkopen.

Patienten mit offensichtlicher kardialer oder zerebrovaskulärer Synkope bedürfen der weiteren Abklärung und sollten stationär aufgenommen werden. Auch in weniger eindeutigen Fällen sollten u. a. folgende klinische Hinweise zur vorsorglichen stationären Aufnahme raten:

  • Synkopen, die von Brustschmerz oder Dyspnoe begleitet werden,

  • Synkopen unter körperlicher Anstrengung (nicht Valsalva),

  • auffällige Vitalparameter wie anhaltende Hypotonie oder Fieber,

  • kritische Laborveränderungen sowie

  • auffällige Herzauskultation oder pulmonale und neurologische Befunde sowie schwere Verletzungen insbesondere des Kopfes.

Bei asymptomatischen Patienten mit unklarer Synkope determiniert bereits einer der folgenden Befunde eine Hochrisikokonstellation:

  • abnormes EKG (Infobox 2).

  • Anamnese oder klinische Zeichen einer Herzinsuffizienz.

  • Hämatokrit <30 oder Hinweise auf relevanten Volumenmangel.

  • Hohes Lebensalter oder schwerwiegende Komorbidität.

  • positive Familienanamnese eines plötzlichen Herztodes.

    Symptomatische Hochrisikopatienten bedürfen bereits in der Notaufnahme einer weiterführenden Diagnostik (s. oben) und sollten immer stationär aufgenommen werden [10, 11].

Asymptomatische Patienten mit unklarer Synkope, aber niedrigem Risiko können entlassen werden, ein ambulantes Follow-up ist empfehlenswert. Dies gilt auch für häufiger rezidivierende reflexvermittelte Synkopen [3, 8]. Asymptomatische Patienten mit offensichtlicher und erstmaliger neurogener reflexvermittelter Synkope ohne nennenswerte Verletzungen sollten entlassen werden; eine ambulante Synkopendiagnostik ist nicht erforderlich [8, 10]. Für die Risikoabwägung können klinische Scores hinzugezogen werden. Zusätzlich sollten eine Aufklärung bezüglich der Fahrtauglichkeit nach dem Synkopenereignis und notwendige (ambulante) Folgeuntersuchungen erfolgen.

Anwendung von Scores zur Risikostratifizierung

In der ESC-Leitlinie zur Synkopendiagnostik wird die Risikostratifizierung nach klinischen Scores empfohlen. OESIL-Score und San Francisco Syncope Rule (SFSR; [13]) sind wegen inkonsistenter Ergebnisse in Validierungsstudien allerdings in die Kritik geraten und waren als Entscheidungsinstrumente einem an Leitlinien orientierten Vorgehen nicht überlegen. Eine Schweizer Metaanalyse empfiehlt, die Risikostratifizierung vor allem bei Patienten mit unklarer ätiologischer Zuordnung der Synkope für die Entlassung aus der Notaufnahme mittels SFSR durchzuführen. Dafür sollten alle abgeleiteten EKGs und auch das EKG-Monitoring während der innerklinischen Überwachung in die Beurteilung einfließen, da unter den übersehenen klinischen Endpunkten vor allem kardiale Arrhythmien zu finden sind [17]. Auf diese Weise war ein negativ-prädiktiver Wert von 98% für kurzfristige adverse klinische Endpunkte bei einer Sensitivität von 87% zu erreichen [14].

Autofahren nach Synkope

Zwischen 3 und 10% der Patienten mit Synkope erleben Episoden während des Autofahrens. Eine einmalige reflexvermittelte Synkope bedarf jedoch keiner Einschränkung beim privaten Führen von PKW. Berufsfahrer und private Fahrer sollten, wie in der ESC-Leitlinie spezifiziert, bei schwerwiegenden rezidivierenden Synkopen bis zur wirkungsvollen Therapie bzw. Symptomkontrolle keine Kraftfahrzeuge führen [8]. Ärztlicherseits hat diesbezüglich eine Aufklärung des Patienten zu erfolgen [20].

Besonderheiten beim alten Menschen

Knapp 50% der Patienten, die sich wegen einer Synkope in der Notaufnahme vorstellten sind >70 Jahre alt [7][19]. Oft ist der Bewusstseinsverlust nicht klar erinnerlich, und es wird lediglich der Sturz geschildert. Stürze bei älteren Patienten haben eine Inzidenz von 30%/Jahr, wovon bis zu ein Drittel nachweislich durch Synkopen verursacht wird. Geriatrische Patienten unterliegen einigen Voraussetzungen, die sowohl für Synkopen als auch für nichtsynkopale Sturzereignisse prädisponieren, wobei im Alter die genaue ätiologische Zuordnung oft schwierig ist. Häufig kommt es zu einer Überlappung aus Sturz, orthostatischer Hypotension oder Arrhythmie und Schwächeanfällen [5]:

  • Altersbezogene physiologische Veränderungen sind ein vermindertes Durstgefühl und eine abnehmende Fähigkeit zur renalen Natrium- und Wasserreabsorption, die einen Volumenmangel begünstigen. Zusätzlich besteht gehäuft eine autonome Dysfunktion i.S. einer reduzierten Herzfrequenzvariabilität und Barorezeptorantwort auf Hypotension. Eine Karotissinushyperaktivität tritt ebenso wie postprandiale Bewusstlosigkeit häufiger auf als bei jüngeren Patienten.

  • Eine präzise Anamnese, die bei jungen Patienten oft eine ätiologische Zuordnung der Synkope und eine Risikostratifizierung möglich macht, ist bei älteren Patienten z. B. mit dementieller kognitiver Einschränkung häufig nicht möglich. Zudem ist die Präsentation einer Synkope im Alter oft atypisch. Prinzipiell gilt der hier genannte Algorithmus auch für geriatrische Patienten; weiterführende Maßnahmen sind jedoch individuell anzupassen.

  • Multiple kardiovaskuläre und neuropsychiatrische Vorerkrankungen, wie z. B. M. Parkinson, sowie deren medikamentöse Therapie begünstigen das Auftreten von Synkopen. Orthopädische Probleme und Polyneuropathien gefährden zudem für nichtsynkopale Stürze. Oft liegt eine Kombination mehrerer Faktoren vor. Polypharmazie kann auch bzw. gerade bei leitliniengerechter Therapie chronischer Erkrankungen zu Hypotension führen und die Synkopenneigung älterer Menschen verstärken. Problembehaftet sind insbesondere sehr häufig verordnete Medikamente wie Diuretika, α-/β-Blocker, Ca2+-Antagonisten, ACE-Hemmer und AT1-Blocker, Nitrate, Neuroleptika, trizyklische Antidepressiva, Antihistaminika, Dopaminagonisten/-antagonisten, Sedativa oder Opiate. Bei jedem Arztkontakt nach einer Synkope sollte daher die Medikamentenliste kritisch überprüft und durch Risiko-Nutzen-Abwägung und klinische Priorisierung ggf. reduziert werden. Auf Verständlichkeit ist zu achten. Eine Handlungsanleitung geben Dovjak et al. [7].

Fazit für die Praxis

  • Transiente Bewusstlosigkeit ist ein häufiges Leitsymptom in der Notaufnahme. Die Leitfragen in der Notaufnahme lauten:

    • 1. Handelt es sich tatsächlich um eine Synkope oder liegen dem vorübergehenden Bewusstseinsverlust schwerwiegende anderweitige Störungen zugrunde?

    • 2. Steht die Synkope in Zusammenhang mit einem lebensbedrohlichen Ereignis?

    • 3. Im Falle einer ungeklärten Synkope – handelt es sich um einen Risikopatienten?

  • Ein strukturiertes Vorgehen anhand eines Algorithmus hilft, Patienten mit hohem Risiko für eine schwerwiegende Gesundheitsstörung zuverlässig zu identifizieren.

  • Die risikoadaptierte weitere Abklärung kann helfen, ungünstige Verläufe abzuwenden und unnötige Krankenhausaufenthalte und apparative Überdiagnostik zu vermeiden (Abb. 1, vgl. [9]).

  • Scores, wie die SFSR, mit einer hohen negativ prädiktiven Aussagekraft für zeitnahe ungünstige klinische Ereignisse können zur Risikostratifizierung vor Entlassung aus der Notaufnahme vor allem bei Patienten mit Synkopen unklarer Genese herangezogen werden.

  • Bei geriatrischen Patienten mit transientem Bewusstseinsverlust oder Stürzen ist die exakte Diagnosestellung durch Überlappungen von Vorerkrankungen, Polypharmazie und mnestischer Störung häufig erschwert.