Dieser Kommentar zur ESC-Leitlinie 2009 [18] ist eine Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK). Er bewertet die wichtigsten Aspekte der ESC-Leitlinie und versucht, strittige Fragen aufzuzeigen und praxisnahe Anleitungen zu formulieren. Eine erweiterte Stellungnahme mit einer deutschen Kurzversion der ESC-Leitlinie und kapitelbezogener Kommentierung kann als elektronische Version in Der Kardiologe abgerufen werden. Zeitgleich zu diesem Kommentar wird eine deutsche Version der Pocket-Leitlinie publiziert. Zur Lektüre dieses Kommentars wird das simultane Heranziehen der deutschen Pocket-Leitlinie und/oder der englischen ESC-Original-Leitlinie empfohlen. Die englische Original-Leitlinie ist für Detailfragen und Begründungen zu Evidenzen die Referenzversion.

Die wichtigsten Änderungen der neuen Leitlinie [18] im Vergleich zu der Vorversion [1] umfassen u. a. die Risikostratifizierung des plötzlichen Herztodes und kardialer Ereignisse nach initialer Bewertung und die Betonung der zunehmenden Rolle der diagnostischen Strategie eines prolongierten EKG-Monitorings.

Initiale Abklärung, Risikostratifikation und Diagnostik

Initiale Abklärung und Risikostratifikation

Die initiale Abklärung im Rahmen der ESC-Leitlinie (ESC-LL) besteht nun aus 3 Schritten (Abb. 1): zunächst Abgrenzen des Patienten, bei dem eine Prima-vista-Klärung der Synkopenursache erfolgen kann („sichere Diagnose“). Hierbei kann es sich um eine harmlose oder gefährliche Synkopenursache handeln, die jeweilige Therapie kann jedoch bereits angestrebt werden ohne weiteren diagnostischen Klärungsbedarf. Ist eine Prima-vista-Diagnose nicht zu stellen („unsichere Diagnose“), wird, basierend auf anamnestischen und klinischen Hinweisen, eine Verdachtsdiagnose generiert, die dann die weiteren diagnostischen Schritte zunächst vorgibt. Der dritte Schritt besteht in der aktiven Vergewisserung, ob eine Hochrisikosituation vorliegt, die eine sofortige Überwachung und unverzügliche Abklärung des Patienten verlangt [5, 10, 13, 18, 22, 26, 27]. Die Erkennung einer Hochrisikokonstellation für plötzlichen Herztod oder gravierende kardiale Ereignisse beruht im Wesentlichen auf einer sorgfältigen Bewertung des EKGs und der Kenntnis einer strukturellen oder koronaren Herzerkrankung. Hierdurch werden Sicherheit für den Patienten und die Möglichkeit gezielter Diagnostik kombiniert und damit eine strukturierte Vorgehensweise gegenüber einer ungezielten, breiten „Schrotschuss-Diagnostik“ betont.

Abb. 1
figure 1

Diagnostischer Algorithmus bei Patienten mit vermutetem transientem Bewusstseinsverlust. *Eventuell Laboruntersuchungen erforderlich, **Risiko kurzfristiger ernsthafter Ereignisse

Zu Recht fordert die ESC-Leitlinie bei der initialen Abklärung für jeden Synkopenpatienten neben der strukturierten Anamnese, der körperlichen Untersuchung und einem EKG auch die Durchführung einer Blutdruckmessung im Liegen und über mindestens 3 min im Stehen.

Diagnostische Verfahren

Karotissinusmassage

Die in der neuen ESC-Leitlinie empfohlene aufwendige Durchführung einer Karotissinusmassage (CSM) im Liegen und Stehen (erfordert einen Kipptisch, auf dem der Patient festgeschnallt ist) bei jedem >40-Jährigen nach initial ungeklärter Synkope [1, 18] ist zumindest in Deutschland ungebräuchlich und wird von den Autoren dieses Kommentars auch kritisch gesehen. Eine negative CSM mag einen hohen negativ prädiktiven Wert haben im Sinne eines validen Ausschlusses eines Karotissinussyndroms (CSS) als Synkopenursache. Eine pathologische CSM, d. h. Karotissinushypersensitivität (CSH), alleine hingegen besitzt unserer Meinung nach einen unzureichenden positiv prädiktiven Wert als zuverlässiger Nachweis eines CSS, d. h. CSH mit spezifisch hierdurch verursachter spontaner Synkope. Ein kausaler Zusammenhang wird in der ESC-LL dann als hochwahrscheinlich angesehen, wenn die abzuklärende spontane Synkope eindeutig durch eine Reizung des Karotissinus ausgelöst wurde (z. B. Kopfdrehung oder -anheben bei beengender Kleidung).

Liegt eine für ein CSS typische Auslösesituation anamnestisch nicht vor, besteht Unsicherheit über den kausalen Zusammenhang zwischen induzierter CSH und stattgehabter spontaner Synkope. Für eine derartige Situation wird in der ESC-LL [18] und im aktuellen Positionspapier zu Loop-Rekordern [3] zur Klärung einer Schrittmacherindikation die Dokumentation einer spontanen Bradykardie/Asystolie bei künftiger Synkope mittels internem Loop-Rekorder (ILR) empfohlen (IIa-B-Empfehlung). Alternativ wäre aus unserer Sicht bei Fehlen einer für ein CSS typischen Auslösesituation ein kompletter Verzicht auf die Durchführung einer CSM zumindest vorstellbar, da unabhängig vom Ergebnis der CSM als nächster diagnostischer Schritt bei ungeklärter Synkope ohnehin die ILR-Implantation empfohlen wird. Unserer Ansicht nach ist zu überlegen, ob man das CSM-Abklärungsalter nicht abweichend von der Leitlinienempfehlung [18] von 40 auf 60 Jahre anheben sollte aufgrund der epidemiologischen Verteilung.

Kipptischtest

Der Kipptischtest ist eine aufwendige, ambulant durchführbare, aussagekräftige diagnostische Methode zur Erkennung von vermuteten Reflexsynkopen bei den wenigen Patienten, bei denen anamnestisch noch keine vollständige Klarheit erzielt wurde. Im Gegensatz zu früheren Empfehlungen wertet die aktuelle Leitlinie auch eine Hypotonie/Bradykardie mit Präsynkope bei strukturell herzgesunden Patienten als möglicherweise beweisend. Dies erscheint praktikabel und nachvollziehbar, mindert allerdings die Spezifität.

Der Kipptisch wird in der ESC-LL auch als geeignet angesehen zur Diagnostik anderer Formen der Reflexsynkopen, bei denen verlängertes Stehen nicht den primären Trigger darstellt. Für diese Indikationen liegen unseres Erachtens jedoch keine ausreichenden Daten zur Sensitivität des Testverfahrens vor. Die ESC-LL empfiehlt, den Kipptischtest bei entsprechender Indikation unabhängig vom Alter zu verwenden. Gerade bei älteren Patienten sei hiermit auch eine differenzialdiagnostische Abklärung unterschiedlicher Formen der orthostatischen Hypotonie durchführbar.

In Deutschland existieren mehrere unterschiedliche Protokolle für die Durchführung von Kipptischuntersuchungen – eine Standardisierung wäre wünschenswert. Folgendes Protokoll wird von den Autoren dieses Kommentars als einfach durchführbar und aussagekräftig empfohlen: 60° Kippwinkel, passive Provokation über 20 min oder bis zum Synkopeneintritt. Bei negativer passiver Provokation Gabe von 400 µg Nitroglycerin sublingual bei gleichbleibendem Kippwinkel von 60° über weitere 20 min oder bis zum Synkopeneintritt [1, 18].

Die in der aktuellen Leitlinie [18] nicht mehr abgegrenzte, eigenständige Bezeichnung neurokardiogene Synkope für die Reflexsynkope bei langem Stehen (oder Sitzen) sollte aufgrund ihrer Häufigkeit und des spezifischen Triggermechanismus nach unserer Ansicht durchaus weiterhin verwendet werden.

EKG-Monitoring (invasiv und nichtinvasiv)

Die Notwendigkeit eines EKG-Monitorings wird in der LL in Abhängigkeit von dem Ergebnis der initialen Basisdiagnostik, insbesondere der Anamnese gesehen. Davon abhängig ist auch die Art und Weise des EKG-Monitorings auszuwählen. Bei aufgrund anamnestischer Angaben klarem Verdacht auf eine Reflexsynkope kann auf ein EKG-Monitoring verzichtet werden.

Nur bei den wenigen Patienten mit täglichen Rezidiven ist aus Sicht der ESC-LL ein Kurzzeitmonitoring (24-h-Langzeit-EKG), bei Rezidiven innerhalb weniger Wochen ein externer Loop-Rekorder (ELR) ausreichend. Dennoch ist aufgrund der mangelnden Patientencompliance und der relativ geringen Speicherkapazität der diagnostische Ertrag des ELR enttäuschend. Bei seltenen Synkopen – insbesondere bei Verdacht auf eine arrhythmogene Ursache, allerdings ohne Hochrisikokonstellation – sollte gemäß der aktuellen ESC-LL frühzeitig der ILR in der Diagnostikkaskade eingesetzt werden [3, 7, 11, 15, 18]. Diese Empfehlung ist nachvollziehbar, da der ILR die Möglichkeit bietet, eine Rhythmusdiagnostik während der spontanen Synkope zu erhalten. Erkenntnisse über die spontane Synkope sind viel aussagekräftiger als Erkenntnisse aus diagnostischen Provokationen.

Im Vergleich zu der Leitlinie von 2004 [1] hat mittlerweile der implantierbare Loop-Rekorder in der neuen ESC-LL deutlich an Wertigkeit gewonnen. Der frühe Einsatz des implantierbaren Loop-Rekorders bei häufig rezidivierenden oder traumatischen Synkopen unklarer Genese ist jetzt eine I-B-Empfehlung. So wird der implantierbare Loop-Rekorder immer mehr zur Referenzmethode bei der Abklärung von Synkopen, bei denen eine arrhythmogene Ursache angenommen wird, aber noch nicht bewiesen ist. Hierzu sei auf das aktuelle Positionspapier der European Heart Rhythm Association hingewiesen [3].

Bei Postinfarktpatienten mit Synkope mit noch erhaltender linksventrikulärer Pumpfunktion (EF >40%), sieht die ESC-LL eine elektrophysiologische Untersuchung vor dem EKG Monitoring als indiziert an (s. unten).

Bei Patienten mit ausgeprägter struktureller Herzerkrankung und deutlich reduzierter linksventrikulärer Pumpfunktion (EF <35–40%), die ein hohes Risiko für lebensbedrohliche Arrhythmien haben, sieht die ESC-LL die Implantation eines ICDs zur Verhinderung des plötzlichen Herztodes im Vordergrund, auch wenn der Mechanismus der Synkope weiterhin unklar ist und Synkopenrezidive wahrscheinlich sind.

Allerdings stellt der ILR bei Patienten mit unsicherer ICD-Indikation und bei Patienten mit erwartbar geringer Aussagekraft einer EPU für die Autoren der ESC-LL eine sehr überlegenswerte Alternative als initiale diagnostische Maßnahme dar. Somit entscheidet das mutmaßliche Gefährdungsausmaß für einen plötzlichen Herztod über die Wahl des Vorgehens.

Die Autoren der ESC-LL gehen davon aus, dass neuartige implantierbare Monitorsysteme (EKG-Monitoring, hämodynamisches Monitoring) in Zukunft möglicherweise einen bedeutenden Stellenwert in der Synkopendiagnostik erreichen werden. Es ist denkbar, dass bereits nach der initialen Evaluation solche Monitorsysteme frühzeitig eingesetzt und somit die konventionelle Diagnostikkaskade ersetzen werden.

Elektrophysiologische Untersuchung

Im Vergleich zu der ESC-Leitlinie von 2004 [1] wird in der aktuellen ESC-Leitlinie [18] die Indikation zur elektrophysiologischen Untersuchung (EPU) zurückhaltender und differenzierter gestellt. Die einzige sichere Indikation (I B) zur EPU wird noch bei Postinfarktpatienten mit nicht hochgradig eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion (EF >35–40%) und Synkope gesehen.

Überlegenswerte Indikationen im Einzelfall (IIb C) für eine EPU zur Diagnostik tachykarder Ursachen und Therapieentscheidung sind nach der ESC-LL Patienten mit einer arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie, mit einer hypertrophen Kardiomyopathie und mit einem Brugada-Syndrom [18, 20].

Da supraventrikuläre Tachykardien nur selten zu Synkopen führen, ist aus Sicht der ESC-LL die Wertigkeit der elektrophysiologischen Untersuchung bei strukturell herzgesunden Patienten und normalem EKG ohne Dokumentation einer SVT gering. Sie wird deshalb nur im Einzelfall bei anamnestisch hochgradigem Verdacht auf eine durch SVT (On-off-Phänomen, Palpitationen) ausgelöste Synkope als indiziert angesehen (IIb-B-Empfehlung).

Auch zur Diagnostik bradykarder Ursachen der Synkopen sieht die ESC-LL die Wertigkeit der elektrophysiologischen Untersuchung als gering an. Eine Indikation wird daher nur bei wenigen Patienten gesehen, z. B bei Hochrisikopatienten für eine Bradykardie/Asystolie (IIa-B-Empfehlung). Hier kann im Einzelfall entschieden werden, ob statt einer EPU initial ein ILR als diagnostische Maßnahme verwendet wird (I-B-Empfehlung). Auch aus deutscher Sicht geht die aktuelle Entwicklung bei diesen Patienten in Richtung ILR statt EPU, um die höherwertige Aussage einer spontanen Asystolie gegenüber provozierten Bradykardie-Indikatoren für eine sichere Therapieentscheidung zu erhalten.

Echokardiographie, Ergometrie, Koronarangiographie

Bei Patienten mit nach initialer Abklärung ungeklärter Synkopenursache (Abb. 1) empfiehlt die ESC-LL eine transthorakale Echokardiographie zum Nachweis/Ausschluss einer strukturellen Herzerkrankung. Zusätzlich sollten diejenigen Patienten mit initial als kardial bedingt eingeschätzter Synkopenursache eine Echokardiographie erhalten.

Die Ergometrie wird in den ESC-Empfehlungen nicht primär als Ischämiediagnostik eingesetzt. Bei vermuteter Myokardischämie als seltener Synkopenursache wird zur direkten Koronarangiographie geraten. Dies ist aus unserer Sicht zwingend bei Vorliegen eines akuten Koronarsyndroms mit neuen EKG-Veränderungen und/oder Markererhöhung und erscheint gerechtfertigt bei eindeutigen Hinweisen für eine Ischämie, wie z. B. einer typischen stabilen Angina. Bei geringen Verdachtsmomenten auf eine Myokardischämie sollte nach unserer Einschätzung jedoch eher eine nichtinvasive Ischämiediagnostik vorgeschaltet werden.

Neurologische Abklärung

Die ESC-LL weist darauf hin, dass es unverändert zu wenig bekannt sei, dass asymmetrische, kurz anhaltende motorische Zuckungen bei Synkopenpatienten häufig aufträten und nicht als Hinweis für eine Epilepsie gewertet werden dürften.

Nachdrücklich wird in der ESC-LL davon abgeraten, routinemäßig EEG, Doppleruntersuchung der Halsgefäße und Schädel-CT oder -MRT bei allen Synkopenpatienten durchzuführen. Diese leider häufig zu sehende Praxis in der Synkopendiagnostik stellt zweifelsfrei eine nicht gerechtfertigte Überdiagnostik dar. Die Synkope per se als einziges Symptom ist keine ausreichende Indikation zu derartiger Diagnostik. Eine weiterführende neurologische Diagnostik erfordert das Vorliegen additiver neurologischer Symptome.

Therapie

Therapie der Reflexsynkopen und der orthostatischen Hypotonie

Die Therapie der Reflexsynkopen fokussiert aus Sicht der ESC-LL inzwischen neben Erläuterung und Beruhigung überwiegend auf isometrische Manöver (v. a. Jendrassik-Handgriff) in der Prodromalphase (I-B-Empfehlung), die als effektiv belegt sind [8]. Leider haben Patienten ohne Prodromi keine Gelegenheit hierzu. Daher erscheint den ESC-LL-Autoren insbesondere für diese Patienten das Stehtraining (IIb-B-Empfehlung) trotz fragwürdigen Langzeitnutzens erwägenswert [9, 12, 18, 19]. Zu wenig betont werden aus Sicht der Kommentatoren in der Therapie der Reflexsynkopen erhöhte Volumenzufuhr oder -retention, salzreiche Kost und ggf. Kompressionsstrümpfe als einfache und wirksame Maßnahmen.

Im ESC-LL-Text wird darauf hingewiesen, dass sich nahezu alle medikamentösen Ansätze als nicht effektiv erwiesen haben, insbesondere die β-Blocker-Therapie konnte in der randomisierten, doppelblinden POST-Studie keinen Nutzen belegen [23]. Midodrin könne aufgrund einiger positiver Daten zumindest als Versuch empfohlen werden, wenn nichtmedikamentöse Maßnahmen nicht ausreichen (IIb-B-Empfehlung). Ein in der ESC-LL angesprochenes Pill-in-the-pocket-Konzept mit prophylaktischer Einnahme von Midodrin vor mutmaßlicher Triggersituation ist nach unserer Ansicht ohne hinreichende Datenlage und erscheint uns wenig praktikabel.

Die ESC-LL betont, dass die Notwendigkeit einer Schrittmacherimplantation als Therapiemaßnahme eine Rarität sei [2, 6, 7, 18, 21, 25]. Die Indikation wird in der ESC-LL abhängig gemacht von der Dokumentation einer spontanen Bradykardie/Asystolie bei Patienten mit häufigen Synkopen und Lebensalter >40 Jahre (IIa-B-Empfehlung), nicht von einem pathologischen, kardioinhibitorischen Kipptischresultat. Um eine solche Bradykardie/Asystolie zu dokumentieren, ist gemäß ESC-LL die Implantation eines internen Loop-Rekorders vernünftig (IIa-B-Empfehlung; [3, 18, 25]). Eine Schrittmacherindikation sollte aus ESC-LL-Sicht bei Patienten unter 40 Jahren auch bei dokumentierten spontanen, häufigen kardioinhibitorischen Reflexsynkopen sehr zurückhaltend gestellt werden. Die alleinige Dokumentation einer Kipptisch-induzierten Asystolie gilt nach ESC-LL nur in besonderen Ausnahmefällen bei Patienten mit hoher Rezidivrate und Verletzungsgefahr als überlegenswerte Indikation (IIb C) zur Schrittmacherstimulation. Die Rationale für diese Empfehlung ist aus Sicht der Kommentatoren, dass durch erstmaliges Schaffen oder Verlängern einer Prodromalphase (Unterbinden der kardioinhibitorischen Komponente bei Fortbestehen einer vasodepressorischen Komponente) insbesondere die Verletzungsgefahr sinken kann.

Bei kardioinhibitorischer Karotissinushypersensitivität kann nach ESC-LL die genaue Erfragung der jeweiligen spontanen Auslösesituation zur Schrittmacherindikationsstellung beitragen. Ist dies jeweils eine eindeutige Reizung des Karotissinus durch Kopfdrehungen o. Ä., erscheint ein CSS ausreichend gesichert, und eine Schrittmachertherapie wird von den ESC-LL-Autoren als vernünftig und indiziert angesehen (IIa-B-Empfehlung). Besteht bei anamnestischem Fehlen einer solchen Triggersituation Unsicherheit über den Kausalzusammenhang zwischen induzierter kardioinhibitorischer CSH und stattgehabter spontaner Synkope, sollte unseres Erachtens der ESC-LL-Vorschlag einer Dokumentation einer spontanen Bradykardie/Asystolie bei künftiger Synkope aufgegriffen werden, z. B. mittels Implantation eines ILR (IIa-B-Empfehlung). Eine ungezielte SM-Implantation bei jeder kardioinhibitorischen CSH wird in der ESC-LL nicht gefordert und wäre unseres Erachtens bei bislang fehlenden diesbezüglichen größeren, randomisierten Studien eine „Übertherapie“.

Zusammengefasst spiegelt die große Zurückhaltung der neuen ESC-LL mit medikamentöser oder Schrittmachertherapie und die Betonung „einfacher“ Therapiemaßnahmen die benigne Natur der Reflexsynkopen wider, bei denen eine Übertherapie vermieden werden sollte. Wir als Kommentatoren erachten eine strukturierte Patienten-Informationsbroschüre als außerordentlich hilfreich.

Die in den ESC-LL diskutierten Therapieoptionen zu den unterschiedlichen Formen der orthostatischen Hypotonie erscheinen vielfältiger (z. B. durch Absetzen hypotonieverstärkender Medikamente) und etwas hilfreicher (z. B. Einsatz von Midodrin oder Fludrocortison) als bei Reflexsynkopen. Daher ist aus unserer Sicht die korrekte differenzialdiagnostische Abgrenzung der unterschiedlichen Formen einer orthostatischen Intoleranz (orthostatische Hypotonieformen, Reflexsynkopen) wichtig.

Ischämische und nichtischämische Kardiomyopathie

Bei Patienten mit ischämischer und dilatativer Kardiomyopathie (EF <35–40%) und Synkope besteht die Therapie gemäß der aktuellen Synkopen-Leitlinie in der ICD-Implantation, obwohl der Mechanismus der Synkope weiterhin unklar bleiben kann [10, 18, 26, 27]. Diese Patienten haben häufiger adäquate ICD-Therapieabgaben sowie ein weiterhin hohes Rezidivrisiko für eine Synkope und ein höheres Mortalitätsrisiko als Patienten mit CMP, aber ohne Synkope.

Bei Patienten mit ischämischer CMP und EF >40% empfiehlt die neue ESC-LL die Durchführung einer elektrophysiologischen Untersuchung. Bei Induktion einer anhaltenden monomorphen ventrikulären Tachykardie ist die ICD-Indikation gegeben. Bei Nichtinduktion einer monomorphen Kammertachykardie oder Induktion von Kammerflimmern als unspezifische Antwort sollte zum einen die Gabe eines β-Blockers überprüft werden, zum Zweiten eine weitere Abklärung mittels implantierbarem Loop-Rekorder erfolgen.

Bei Patienten mit nichtischämischer Kardiomyopathie, EF >35–40% und Synkope wird in der ESC-LL im Einzelfall eine ICD-Indikation gesehen (IIb-C-Indikation), ggf. mithilfe einer vorgeschalteten Abklärung mittels ILR.

Ionenkanalerkrankungen

Patienten mit begründetem Verdacht auf Ionenkanalerkrankungen sollten unseres Erachtens in einem spezialisierten Zentrum vorgestellt werden [14]. Bei den Ionenkanalerkrankungen ist es sehr schwierig, differenzialdiagnostisch zwischen einer prognostisch benignen und malignen Form zu unterscheiden. Deshalb empfiehlt die ESC-LL, die ICD-Indikation bei Verdacht auf eine arrhythmogene Ursache großzügig zu stellen unter Beachtung der aktuellen Leitlinien zu ICD-Implantation und Verhütung des plötzlichen Herztodes [10, 13, 27]. Bei eindeutigen Hinweisen für eine nichtmaligne (nichtarrhythmogene) Ursache der Synkope kann aus Sicht der ESC-LL auf einen ICD verzichtet werden. Bei Grenzfällen, insbesondere bei Fehlen von begleitenden Hochrisikokriterien, sollte gemäß der ESC-LL vor einer endgültigen Therapieentscheidung die Implantation eines ILR erwogen werden.

Kommentierend möchten wir daran erinnern, dass ein Ajmalintest zur Diagnosestellung eines Brugada-Syndroms bei nicht beweisendem, aber auch nicht unauffälligem EKG beitragen kann (http://www.brugadadrugs.org). Auch wenn dies in der ESC-LL nicht erwähnt ist, denken wir, dass beim langen QT-Syndrom eine genetische Analyse zur Risikostratifikation und zur differenzialtherapeutischen Entscheidung mit in Betracht gezogen werden kann [14].

Spezielle Aspekte

Autofahren

Wir sehen die Empfehlungen zum Autofahren bei Synkopenpatienten als Kompromiss zwischen der statistischen Kenntnis einer geringen Unfallgefahr und der Unsicherheit über die Effektivität eingeleiteter Therapiemaßnahmen [18, 24].

Eine einzelne, milde Reflexsynkope hat nach der neuen ESC-LL bei privaten Fahrern keinen Einfluss auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Bei rezidivierenden und ausgeprägten Reflexsynkopen wird bis zur Symptomkontrolle (private Fahrer) bzw. Umsetzung einer effektiven Therapie (Berufsfahrer) die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen als nicht gegeben angesehen. Eine genaue Zeitvorgabe wird hierbei nicht gemacht. Somit wird es jeweils einer individuellen Einschätzung bedürfen.

Eine schriftliche Dokumentation der individuell ausgesprochenen Empfehlung bezüglich Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen an den Patienten wird unsererseits nachdrücklich empfohlen.

Aspekte zur Organisation

Die Schaffung von speziellen Synkopeneinheiten hat in einigen europäischen Ländern die Qualität der Versorgung von Patienten mit Synkope verbessert. Unabhängig von der spezifischen organisatorischen Konzeption wird ein strukturierter Versorgungsablauf im Sinne einer „standard operating procedure“ (SOP) aufgrund der Häufigkeit des Problems, der Heterogenität der Ursachen mit je anderem Risiko und der weitverbreiteten Unsicherheit im diagnostischen Vorgehen mit häufiger Über- oder Fehldiagnostik in der ESC-LL nachdrücklich befürwortet. Obwohl die Art der Struktur je nach lokalen Gegebenheiten variieren mag, wird in der ESC-LL von jeder Institution, die Patienten mit Synkope betreut, ein Grundkonsens über sinnvolle und notwendige Rahmenbedingungen zum Erreichen einer guten und leitliniengerechten Versorgungsqualität gefordert.