Die alleinige Fissurektomie führt zu chronischen schmerzhaften Wunden bei einem Teil der operierten Patienten mit chronischer Analfissur. Die zusätzliche intraoperative Injektion von Botulinumtoxin sollte die kurz- und langfristigen Ergebnisse der Fissurektomie verbessern, ohne bleibende Sphinkterschäden zu verursachen.

Dem Spasmus des M. sphincter ani internus wird seit Jahrzehnten die zentrale Rolle in der Pathogenese der Analfissur zugeschrieben. Die Reduktion des Muskeltonus wurde folgerichtig bereits vor mehr als 100 Jahren zum wichtigsten Ziel jeder Fissurbehandlung erklärt. So beschrieb Recamier bereits 1838 die manuelle anale Dilatation als wirksame Behandlung der Analfissur [1]. Die Sphinkterotomie wurde bereits in den 1930er Jahren angewendet [2]. In den 70–80er Jahren wurde weniger darüber diskutiert, ob, sondern vielmehr wie man die Sphinkterotomie durchführt – lateral oder dorsal, offen oder geschlossen [3, 4]. Parallel dazu kam jedoch die Diskussion auf, ob die alleinige Sphinkterotomie für die erfolgreiche Heilung genügt oder ob die Exzision der Fissur – also eine Fissurektomie – die Heilung noch weiter verbessern könnte [4]. Die Fissurektomie wurde seit 1930 vom englischen Chirurgen W.B. Gabriel popularisiert [5] und bestand aus einer breiten dreieckigen Exzision der Haut um die Fissur. Selbstverständlich wurde der Eingriff damals und über mindestens 3 weitere Jahrzehnte mit einem Verfahren zur Reduktion des Sphinkterdrucks kombiniert. Gabriel führte zusätzlich zur Fissurektomie die Durchtrennung der in der Wunde sichtbaren Internusfasern und (!) eine manuelle anale Dilatation durch.

Die Fissurektomie etablierte sich im deutschsprachigen Raum als Goldstandard

Spätestes in den 1990er Jahren wurden jedoch vor allem im deutschsprachigen Raum die Stimmen laut, welche die offensichtlich erhöhte Inkontinenzrate nach Sphinkterotomie zunehmend kritisierten. Parallel dazu kamen die Berichte auf, dass die Fissurektomie allein eine durchaus erfolgreiche Behandlung der chronischen Fissur darstellen könnte [6]. Die Debatte nahm eine eigene Dynamik auf und führte zu einem paradoxen Ergebnis: Die Fissurektomie etablierte sich im deutschsprachigen Raum als Goldstandard in der operativen Behandlung chronischer Analfissuren, während die Sphinkterotomie zunehmend als obsolet oder gar fahrlässig betrachtet wurde. Zum Glück löst die aktuelle Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie diese kategorisch negative Beurteilung der Sphinkterotomie auch im deutschsprachigen Raum zumindest zum Teil auf [15].

Im englischsprachigen Raum geriet die Fissurektomie dagegen zu gleicher Zeit weitgehend in die Vergessenheit: Bereits in den 50er Jahren wurde die Fissurektomie nach Gabriel dafür kritisiert, dass die breite dorsale Wunde schlecht heilt sowie zu Stenosen, Inkontinenz (!), Blutungen und Rezidiven führt [4]. Somit blieb in vielen Ländern der Welt die (laterale) Sphinkterotomie die Standardbehandlung chronischer, nicht beherrschbarer Fissuren.

Für mich als Proktologen, der sich nach 2000 sozialisierte, stellte die Fissurektomie die alleinige und die einzig richtige chirurgische Therapie der chronischen Analfissur dar. Doch schon bald musste ich feststellen, dass dieser Eingriff recht häufig in frustrierende protrahierte Verläufe mündete, an dessen Ende oft wieder eine chronische Fissur stand. In einer Arbeit der Mannheimer Arbeitsgruppe aus dem Jahr 2015 betrug die durchschnittliche Heilungszeit nach Fissurektomie 105 bis 123 Tage [7].

Die Kombination aus der Fissurektomie und intraoperativer chemischer Sphinkterotomie – der Injektion von Botulinumtoxin – sollte zumindest theoretisch das Dilemma „Sphinkterotomie oder Fissurektomie“ lösen. Von der Möglichkeit, die beiden Verfahren zu kombinieren, hörte ich zum ersten Mal 2004 bei einem Proktologie-Kurs an der Universität Zürich (s. unten), der damals von solch bekannten Namen wie D. Hahnloser oder F. Hetzer geleitet wurde. In diesem Artikel wird auf die recht dürftige Datenlage eingegangen, und es sollen auch eigene Erfahrungen und Überlegungen mit dem Leser geteilt werden.

Datenlage

Die bekannteste Studie zur Applikation von Botulinumtoxin A im Rahmen der Fissurektomie stammt aus den USA von Barnes et al. [8]. Die Autoren behandelten 102 Patienten mit chronischer Analfissur. Die Technik der Fissurektomie war analog dem Verfahren, das von meisten deutschen Proktologen angewendet wird: Die fibrösen Fissurränder wurden zusammen mit der Mariske und der hypertrophen Analpapille exzidiert. Anschließend wurden 100 IE Botulinumtoxin A („Botox“) aufgelöst in 1 ml Kochsalzlösung im Bereich der Fissurektomie in den Internus injiziert. Es wurde also die fünffache Dosis dessen appliziert, was gewöhnlich in der konservativen Fissurtherapie angewendet wird. Zugleich wurde ein Lokalanästhetikum in die Fissurränder injiziert. Eine klinische Kontrolle erfolgte nach 12 Wochen und zeigte eine komplette Heilung und Beschwerdefreiheit bei 67 % der Patienten; bei weiteren 24 % war die Wunde noch nicht komplett geschlossen, Patienten wiesen jedoch eine klinische Besserung im Vergleich zu präoperativ auf; 7 % berichteten über Schmierinkontinenz oder Inkontinenz für Flatus. Zwölf Monate nach der Operation wurde ein Telefoninterview durchgeführt. Hier waren alle Patienten asymptomatisch und rezidivfrei. Keiner wies Inkontinenzzeichen auf. So positiv die Ergebnisse dieser Studie zweifelsohne sind, darf bemerkt werden, dass bei gut einem Zehntel der Patienten 3 Monate postoperativ weder eine Heilung noch eine klinische Besserung eingetreten war – eine Problematik, die einem nach alleiniger Fissurektomie recht bekannt vorkommt. Die Langzeitergebnisse sind jedoch zweifelsohne sehr positiv. Sie unterstreichen, wie wichtig es ist, dass der Patient und der Behandler im postoperativen Verlauf durchaus eine gewisse Geduld aufbringen. Eine leichte Inkontinenz bei nur 7 % der Patienten (allesamt reversibel) ist erstaunlich rar angesichts der sehr hohen Botulinumtoxindosis!

Zu diesem Thema liegen weitere kleinere Studien vor. Lindsey et al. [9] veröffentlichten 2004 eine prospektive Pilotstudie (n = 30). Es wurde die gleiche Technik angewendet wie bei Barnes, allerdings wurden lediglich 25 Einheiten Botulinumtoxin injiziert. Die Fissur heilte bei 93 % der Patienten median 16 Wochen nach der Operation aus, 7 % berichteten über leichte Inkontinenz.

Britische Autoren um Arthur [10] führten 2008 eine retrospektive Studie durch, in der die Fissurektomie + Botulinumtoxin-Injektion (n = 28) mit Fissurektomie + postoperative Diltiazem-Applikation (n = 23) verglichen wurde. Jeweils 20 IE Botulinumtoxin („Botox“) wurden beidseits der Fissurektomie in den inneren Sphinkter injiziert. Zwölf Wochen nach der Operation waren 89 % bzw. 83 % der Patienten beschwerdefrei. Leichte Inkontinenz trat auch hier bei 7 % der Patienten in der Botulinumtoxin-Gruppe auf. Die Autoren schlussfolgerten, dass die zusätzliche Botulinumtoxin-Injektion zu keinem zusätzlichen Nutzen führt. Scholz et al. [11] von der Universität Zürich präsentierten in deren Publikation 2007 die gleiche Technik wie Arthur et al., allerdings mit einer niedrigerer Botulinumtoxindosis („Botox“, jeweils 10 IE rechts und links der Fissurektomie; Abb. 1 und 2). Es wurden 40 Patienten retrospektiv eingeschlossen. Sechs Wochen nach der Operation waren 90 % der Patienten beschwerdefrei, allerdings war die Wunde zu diesem Zeitpunkt lediglich bei 25 % verheilt. Die Patienten wurden ein Jahr nach der Operation postalisch befragt – es konnte eine Heilungsrate von 79 % dokumentiert werden.

Abb. 1
figure 1

Technik der Fissurektomie. Die indurierten Ränder der chronischen Analfissur werden zusammen mit der hypertrophen Analpapille und der Vorpostenfalte entfernt. (Mit freundl. Genehmigung, © L. Marti, alle Rechte vorbehalten)

Abb. 2
figure 2

Injektion von Botulinumtoxin in den M. sphincter ani internus lateral der Fissurektomiewunde. (Mit freundl. Genehmigung, © L. Marti, alle Rechte vorbehalten)

Auch sollte die retrospektive Studie aus den USA von Aivaz [12] aus dem Jahr 2009 erwähnt werden. Die Autoren verglichen 40 Patienten, die sich einer lateralen Sphinkterotomie unterzogen hatten, mit 19 Patienten, welche Fissurektomie und Injektion von 80 Einheiten Botulinumtoxin erhielten. Die primäre Heilung wurde bei 90 % der Patienten nach Sphinkterotomie und 73 % nach Fissurektomie und Botulinumtoxin erreicht. Die Rezidivrate am Ende der Nachsorgezeit von bis zu 19 Monaten betrug 0 bzw. 5 %. Die Unterschiede waren nicht statistisch signifikant.

Patti et al. [13] aus Palermo berichteten über 10 Patienten mit anterioren Fissuren und besonders hohem analen Ruhedruck (>85 mm Hg). Nach Fissurektomie in klassischer Manier wurde der Wunddefekt mit einer V‑Y-Plastik geschlossen und zusätzlich jeweils 15 IE Botulinumtoxin („Botox“) auf beiden Seiten der Fissur in den Internus injiziert. Dreißig Tage nach der Operation waren alle Fissuren verheilt, 3 Patienten (30 %) hatten vorübergehende Kontinenzstörungen.

Diskussion

Es ist unmöglich, anhand der vorliegenden Datenlage die gleichzeitige Anwendung von Botulinumtoxin und Fissurektomie abschließend zu bewerten. In der o. g. Literatur finden sich Erfolgsraten von 73 bis 93 % für die Kombinationstherapie. Diese Heilungsraten scheinen etwas besser zu sein als nach alleiniger Fissurektomie [6] und etwas niedriger als nach der lateralen Sphinkterotomie [14]. Solange allerdings keine prospektiv-randomisierten Vergleiche dieser 3 Methoden vorliegen, werden jegliche Schlussfolgerungen im Bereich der Spekulationen bleiben.

Der Patient muss in die Off-label-Behandlung einwilligen

Dementsprechend wird die intraoperative Anwendung von Botulinumtoxin auf absehbare Zeit keine Kassenleistung werden, was zumindest im deutschsprachigen Raum die Zurückhaltung gegenüber diesem Verfahren weiter zementieren wird. Dies trifft v. a. auf den niedergelassenen Bereich zu, in dem nun einmal der Großteil der Analfissuren behandelt wird. Zum jetzigen Zeitpunkt können den Patienten präoperativ lediglich Privatrezepte ausgehändigt werden. Der Patient muss außerdem in die Off-label-Behandlung einwilligen. Beides bringt den Behandler zumindest teilweise unter moralischen Druck, kann er/sie doch keineswegs versprechen, dass der Zusatz des Botulinumtoxins in der Tat zu besseren postoperativen Ergebnissen führen wird. Eine prospektiv-randomisierte Studie, welche die Fissurektomie allein mit Fissurektomie + Botulinumtoxin vergleicht, ist zwingend notwendig, scheint jedoch bis jetzt nicht im Anmarsch zu sein. Im Ausland ist die alleinige Fissurektomie unpopulär, in Deutschland werden im niedergelassenen Bereich kaum groß angelegte Studien durchgeführt, im stationären Bereich aber nur wenige Fissuren behandelt.

Der Autor dieses Beitrags führt seit ca. 4 Jahren alle Fissurektomien in Kombination mit Botulinumtoxin durch. Der Grund dafür waren die über Jahre sehr frustrierenden Erfahrungen mit Fissurektomie allein. Bei den meisten Patienten schienen die Schmerzen postoperativ nach Fissurektomie eher noch zuzunehmen, und der Anteil an Wunden/Fissuren, die über Monate nicht verheilten, war zu hoch. Auch jetzt, nach Anwendung der Kombinationstherapie gibt es Patienten mit Wunden, die länger als 3 Monate nicht heilen. Auffällig ist jedoch, dass die postoperativen Schmerzen wirklich rar geworden sind. Diese Beobachtung führte dazu, dass der Autor bei Patienten, die sich notfallmäßig wegen akuter Schmerzen nach auswärtigen Fissurektomien stationär einweisen lassen, die Injektion von Botulinumtoxin durchführt. In allen Fällen – sowohl intraoperativ als auch postoperativ – werden jeweils 10–15 Einheiten Botulinumtoxin auf beiden Seiten der Fissurektomie injiziert. Es handelt sich zwar nur um wenige Fälle, die Erfahrung war jedoch bisher positiv.

Schlussfolgernd kann festgehalten werden, dass die Kombinationstherapie Fissurektomie + Botulinumtoxin von den Behandlern in Betracht gezogen werden kann, sie muss jedoch „off-label“ angeboten werden. Sie ist sicher, die Inkontinenz ist selten, leicht und immer temporär. In etwa 10 % der Fälle ist weiterhin mit dauerhaft schlechter Heilung zu rechnen.

Fazit für die Praxis

  • Die intraoperative Injektion von 20–100 IE Botulinumtoxin in den inneren Sphinkter soll die postoperative Wundheilung nach Fissurektomie verbessern und die Schmerzen reduzieren.

  • Die postoperativen Komplikationen sind sehr selten, eine leichte vorübergehende Inkontinenz tritt in ca. 7 % der Fälle auf.