Zusammenfassung
Der Beitrag analysiert die Nutzung von Second Screens während des Fernsehens am Beispiel von Paaren. U.a. wird nachvollzogen, aus welchen Gründen und auf welche Weise die Partner die Nutzung von Fernseher und digitalen Medien miteinander verbinden.
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Notes
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Als Second Screen gelten mobile digitale Medientechnologien, die unabhängig vom Fernseher parallel genutzt werden (Busemann und Tippelt 2014, S. 409). Smart TV, über das gleichzeitig gesurft und ferngesehen wird, ist im Kontrast dazu ein One Screen.
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Wenn wir im Weiteren von Second Screen als Nutzungsweise sprechen, ist immer diese Verbindung von Fernseh- und Internetnutzung gemeint. Die Bezeichnung „First“ bzw. „Second“ Screen sagt dabei nichts darüber aus, welcher Bildschirm situativ die meiste Aufmerksamkeit auf sich zieht.
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Im Jahr 2014 griffen 15 % aller Onliner täglich zum Second Screen (Busemann und Tippelt 2014, S. 410). Damit wuchs der Anteil im Vergleich zum Vorjahr um 3 Prozentpunkte. Es sind vor allem junge Nutzende, die digitale Medien beim Fernsehen verwenden (Busemann und Tippelt 2014, S. 410; Wegener 2015, S. 48). Aber auch jenseits der Gruppe der Vorreiter wird die Nutzung von Second Screens selbstverständlicher: Immerhin 40 % der Onliner nutzen Second Screens zumindest gelegentlich (Busemann und Tippelt 2014, S. 410).
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Die Interviews, auf denen die Untersuchung basiert, wurden im Winter 2010/11 durchgeführt. Entsprechend bilden die Ergebnisse die Frühphase der Second-Screen-Nutzung ab. Die Befragten sind außerdem beruflich mit Online-Medien beschäftigt und im Wohnraum mit diversen onlinefähigen Technologien ausgestattet; sie sind damit als spezifische Nutzergruppe zu charakterisieren (D’heer und Courtois 2016).
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Die Forschung unterscheidet begrifflich zwischen Additional Screening und Non-Additional Screening. Während der erste Begriff die auf Fernsehinhalte bezogene Nutzung des Internets meint, ist Non-Additional Screening die Nutzung von digitalen Inhalten beim Fernsehen, die nicht mit dem Programm in Verbindung stehen (Wegener 2015, S. 45).
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Zunächst bestand das Sample aus 25 Haushalten in 2008. Bis 2013 hatten sich drei Paare getrennt, weshalb wir Partner und Partnerin getrennt befragten, sodass wir insgesamt 28 Haushalte besuchten. Das Sample konnte über den gesamten Zeitraum vollständig erhalten werden.
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Alle Zitate aus den Interviews in Abschn. 5 stammen aus der Erhebungswelle 2013.
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Zwar gibt es für Paarhaushalte keine ausgewiesenen Daten. Die Befunde der Langzeitstudie Massenkommunikation machen jedoch deutlich, dass „der Nutzungsschwerpunkt 2015 nach wie vor eindeutig beim Fernsehen“ liegt, welches mit „208 Minuten täglich“ recht umfänglich verwendet wird und damit das Medium ist, mit dem die Deutschen die meiste Zeit verbringen (Engel und Breuning 2015, S. 312). Zudem gehen 90 % der Befragten davon aus, dass das Fernsehen auch in den kommenden zehn Jahren seine Bedeutung behalten wird. Dies gilt speziell für die häusliche Sphäre: Insgesamt äußerten 93 % der TeilnehmerInnen an der Langzeitstudie Massenkommunikation, dass es weiterhin wichtig bleibe, „Fernsehen zu Hause auf einem großen Bildschirm in guter Qualität zu genießen“ (Engel und Breuning 2015, S. 320).
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Die Durchdringung des Häuslichen mit mobilen Medien bestätigen auch Befunde der ARD/ZDF-Onlinestudie: „Zentrales Leitmotiv bei der Anschaffung neuer medialer Geräte bleibt – mit Ausnahme der Flachbildfernseher – deren ‚Mobilität‘ nach dem Motto ‚kleiner – leichter – preiswerter‘. Dabei ist der Wunsch nach mobilen Geräten nicht unbedingt gleichbedeutend mit dem Wunsch, das Gerät auch unterwegs zu nutzen. Vielmehr stand beim Kauf in den meisten Haushalten die Bewegungsfreiheit und Convenience in den eigenen vier Wänden im Vordergrund.“ (Eimeren und Frees 2014, S. 383)
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Zuvor war die räumliche Trennung von Internet (Arbeitszimmer) und Fernsehen (Wohnzimmer) weit verbreitet; diese hatte mit steigender Internetnutzungszeit aber bei vielen Paaren zu Konflikten um Gemeinschaftszeit und Fragmentierung geführt. Einzelne Paare platzierten deshalb 2008 versuchsweise den stationären PC im Wohnzimmer – ein Konzept, das sich letztlich nicht durchsetzte (Röser und Peil 2014).
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Zur Konvergenz sozialer Sphären durch die Online-Interaktion von Befragten, die besonders social-media-affin sind: D’heer und Courtois 2016, S. 11–13.
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Die sechs Felder der häuslichen Online-Aktivitäten sind 1. Alltagshilfe/Service/Konsum, 2. Spiele, 3. Verfolgung eines Hobbys oder persönlichen Themeninteresses, 4. Berufsbezogene Anwendungen, 5. Kommunikation in privaten sozialen Beziehungen und 6. Medienrezeption/Multimedia.
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Drei der Paare, die wir seit 2008 befragen, haben sich im Verlauf der Panelstudie getrennt. Wir haben die Partner je einzeln weiter befragt und so Eindrücke zu ihrer Mediennutzung als Alleinlebende erhalten.
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Auch ohne Second Screens gab es vor der Domestizierung der mobilen digitalen Medien ähnliche Ausweichstrategien: So berichteten Paare in den 1990er Jahren, dass sie bei divergierenden Medieninteressen zu Zeitung, Zeitschrift oder Buch greifen oder via Kopfhörer Musik hören, wenn der Partner oder die Partnerin ein Programm schaut, das einen selbst nicht interessiert. Unterschiedliche Programmvorlieben und das Phänomen des Mitsehens von Sendungen, die man sich alleine eher nicht angesehen hätte, dem Partner oder der Partnerin zuliebe, erwiesen sich als weit verbreitet und partiell konfliktträchtig (Röser und Kroll 1995, S. 33–41). Hierzu bieten Second Screens heute einen idealen Ausweg.
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Müller, K.F., Röser, J. (2017). Wie Paare Second Screen beim Fernsehen nutzen: Eine ethnografische Studie zur Mediatisierung des Zuhauses. In: Göttlich, U., Heinz, L., Herbers, M. (eds) Ko-Orientierung in der Medienrezeption. Medien • Kultur • Kommunikation. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-14929-1_8
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