Auszug
Eine Anekdote berichtet, der Physiologe Johannes Müller (1801–1858) sei einmal in folgendem Kriminalfall um ein Gutachten gebeten worden: In finsterer Nacht war ein Bürger niedergeschlagen und beraubt worden. Er zeigte seinen Nachbarn an, dieses Verbrechen begangen zu haben. Da die Geschichte vor Einführung der städtischen Straßenbeleuchtungen spielt, konnte er diesen aber wegen der stockdunklen Nacht gar nicht erkannt haben. Der Beraubte machte nun geltend, er habe vom Räuber einen Schlag auf den Kopf erhalten, der ihn »Sterne« sehen ließ. Im Lichte dieser »Sterne« habe er deutlich seinen Nachbarn erkannt. Müller soll beim Nachdenken über diese Geschichte auf sein »Gesetz der spezifischen Sinnesenergien« gekommen sein, das besagt, dass jedes Sinnesorgan ausschließlich Empfindungen seiner eigenen Sinnesmodalität vermittelt, unabhängig davon, ob es durch einen adäquaten Reiz erregt wird (das Auge durch Licht, also elektromagnetische Wellen), oder durch inadäquate (einen Schlag auf den Kopf). Das hängt damit zusammen, dass jedes Sinnessystem im Gehirn mit einem ihm eigenen neuralen Apparat verbunden ist, der die entsprechende Sinnesmodalität vermittelt. Sinnesorgane und zugehörige zentralnervöse Systeme müssen als Einheit betrachtet werden. Aufgabe der allgemeinen Sinnesphysiologie ist es, die Beziehungen zu analysieren, die zwischen Erregungen von Sinnessystemen und Empfindungen bestehen, und die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten zu beschreiben, die der Funktion von Sinnessystemen zugrunde liegen.
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Literatur
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Handwerker, H.O., Schmelz, M. (2007). Allgemeine Sinnesphysiologie. In: Schmidt, R.F., Lang, F. (eds) Physiologie des Menschen. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-540-32910-7_13
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