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Moralmanagement in Trainings zur interkulturellen Kommunikation

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Kommunikative Konstruktion von Moral

Zusammenfassung

Interkulturelle Bildungsmaßnahmen berühren den Kern unserer moralischen Vorstellungen. Lebensweltliche Aktivitäten, die „bei uns“ präferiert sind und als gut gelten, überhaupt jener moralische Kosmos, der „uns“ als Kulturgemeinschaft konstituiert, geraten unter Relativierungsdruck. Der selbstreflexive Umgang mit eigenen kulturspezifischen Wahrnehmungs- und Interpretationsmustern im allgemeinen und die Thematisierung von Stereotypen als rigidester Form der Deutungen im besonderen bilden daher auch das Zentrum aller interkulturellen Weiterbildungsmaßnahmen.1 Gleich auf welches Ziel hin man das interkulturelle Lernen anlegt, von der „Anti-Rassismuserziehung“ bis zum „Verhandlungstraining fir China“, an der Flexibilisierung der kollektiv geteilten „Kulturstandards“ (Thomas) führt kein Weg vorbei. In ihnen wird ein von den Mitgliedern einer Kultur geteiltes normatives Verständnis von der moralischen Angemessenheit und Wertigkeit von Handlungen zugrunde gelegt.2 Ein seit langem in der Praxis stehender Trainer und Wissenschaftler bemerkt dazu:

„Die am schwersten zu überwindenden Lernbarrieren ergeben sich aus dem kulturgeprägten ‚ moralischen Bewußtsein‘ und der emotionalen Identifikation mit kulturspezifischen Normen und Werten.“ (Reisch 1991, 82; Herv. i. O.)

Lernen entsteht aus erwachsenenpädagogischer Perspektive durch Deutungsarbeit (Arnold u.a. 1998). Lebensweltlich angeeignete „Deutungsmuster“ (Arnold) werden dabei relativiert und differenziert.3 Wie jedoch eine Deutungsmusterveränderung im allgemeinen bzw. eine Entstereotypisierung im besonderen erreicht wird, liegt noch völlig im Dunkeln.4 Hier zeigt sich eine zentrale Schwäche interkultureller Bildungsmaßnahmen und ihrer Erforschung. Unter „Veränderung von Einstellungen“ oder „Erweiterung individueller Deutungsmuster“ gehandelt, konzentriert man sich in Praxis und Literatur zu stark auf die Vorstellung, es mit Charakterdispositionen oder kognitiven Strukturen einzelner zu tun zu haben und vernachlässigt die Dimension der Interaktion, wo Kulturstandards als Deutungsmuster kommunikativ überhaupt erst relevant gemacht werden. In der Literatur zum interkulturellen Lernen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, wie der Prozeß der Reflexion und Neubewertung bewältigt werden kann.5 Auch die in der täglichen Schulung auftretenden Konflikte und Probleme werden kaum thematisiert. Statt Hilfestellungen für praxisnahe Detailarbeit finden sich in der interkulturellen Pädagogik wie in der Erwachsenendidaktik normative Vorgaben über Lernziele oder Trainerverhalten. Aber erst in der kommunikativen Kleinarbeit des Diskursverlaufs werden die Weichen fir eine Perspektivenerweiterung gestellt — oder auch nicht.6

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Literatur

  1. Auf die gemeinsame Wurzel von notwendigen sozialen, kulturgebundenen Kategorisierungsleistungen und vorurteilsbehafteten Generalisierungen in Form von Stereotypen in der als natürlich angenommenen normativen Ordnung wurde mehrfach hingewiesen (Tajfel 1975; Schafer/Six 1978, 258; Sacks 1992a, 577). Daher werden die Überlegungen im folgenden am hartnäckigeren und affektgeladenen Fall der Stereotypisierungen angestellt. Vgl. dazu ausführlicher Band 1, Kapitel 5. 2.

    Google Scholar 

  2. Kulturstandards“ ist einer der zentralen Begriffe der interkulturellen Psychologie. Thomas versteht darunter „alle Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns (...), die von der Mehrzahl der Mitglieder einer bestimmten Kultur für sich persönlich und andere als normal, selbstverständlich, typisch und verbindlich angesehen werden. Eigenes und fremdes Verhalten wird auf der Grundlage dieser Kulturstandards beurteilt und reguliert“ (Thomas 1996a, 112).

    Google Scholar 

  3. Deutungsmuster sind subjektive, lebensweltlich angeeignete Interpretationsressourcen (zur Defini- tion vgl. Arnold 1985, 23f ). Der Begriff bezieht sich auf einen prominenten Ansatz in der Erwachsenenpädagogik, der auf dem symbolischen Interaktionismus aufbaut. Die psychologische Dimension der Einstellung wird aus erwachsenenpädagogischer Perspektive kategorial um eine kognitive, symbolisch vermittelte Ebene angereichert.

    Google Scholar 

  4. Wissenschaftliche Praktikerinnen, die Erfahrungen von Gesprächssituationen im Seminar thematisieren, beschreiben diese Schwierigkeit, begegnen ihr jedoch vor allem mit Übungen oder betrachten allein den Argumentationsaufbau (vgl. z.B. Klawes 1993; Kalpaka 1995).

    Google Scholar 

  5. Es finden sich höchstens vage Hinweise wie z.B. bei Reisch. Er formuliert als Aufgabe der Trainer, die „assoziative Vielfalt“ im Gespräch auf klare Orientierungen und systemische Logiken zu reduzieren und Bewertungen zu vermeiden (Reisch 1991, 89). Wesseler (1993) versucht, in neueren Konzepten der Lernforschung Hilfestellungen für die affektiv besetzten Orientierungen zu finden. Er schlägt vor, den von Sheldrake entwickelten Begriff der „morphischen Resonanz“, also die Übertragung der Schwingung eines Systems auf ein nachfolgendes, auf die Praxis interkulturellen Lernens und das Verhältnis von Leitenden und Teilnehmenden zu übertragen. Leider führt dies nur zu dem esoterischen Hinweis, daß die Trainer „ihre“ Fähigkeit zur Reorganisation von Orientierungen einsetzen, damit diese Saite auch bei den Teilnehmern zum Klingen komme (Wesseler 1993, 37f.).

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  6. Zu Recht kritisieren in ihren gesprächs- und konversationsanalytisch orientierten Arbeiten MüllerJacquier (1991a; 1991b; 1995) und Helmolt (z.B. 1993 für interkulturell organisierte Trainings), daß die gemeinsame und kontextualisierte Produktion der geteilten Orientierungen zu kurz käme. Erforderlich ist in der Tat eine „linguistic awareness of cultures“.

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  7. Es ergab sich daraus verwertbares Material im Umfang von 13,5 Stunden, das komplett verschriftet und stellenweise transkribiert wurde. Vgl. dazu näher die Beschreibung der Datenbasis in Band 1, Kapitel 2.

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  8. Unter der Rubrik Unterrichtsdurchführung sind z.B. Leitfragen für die Diskussion, zentrale Begriffe oder herauszuarbeitende Punkte bzw. Merksätze oder Fazits formuliert. Notiert ist auch, welche Skizzen wann am Flipchart entwickelt werden, wann ein Lehrvortrag beginnen sollte und wie er in die Diskussion übergeht. Als Literaturquellen werden renommierte Experten der interkulturellen Kommunikation genannt bzw. verarbeitet: der auf interkulturelle Psychologie spezialisierte Regensburger Alexander Thomas (vgl. z.B. 1996a; 1996b), der amerikanische Anthropologe Edward T. Hall (1975; 1976), der schon in den siebziger Jahren wegweisend zum Thema publiziert hat, und der Hildesheimer Experte für interkulturelles Management Beneke (vgl. z.B. 1993), der auch Vorträge für diese Fluggesellschaft gehalten hatte.

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  9. Der Begriff „eigene“ Kultur wird hier nur im rekonstruktiven Sinn nach dem Wirklichkeitsverständnis der Leiterinnen bzw. Teilnehmerinnen verwendet. Genauer müßte die deutsche Kultur eher als „Dominanzkultur“ (Rommelspacher 1992) in diesem deutschen Unternehmen bezeichnet werden, da die Seminare nicht national homogen zusammengesetzt sind. So ist in IKK II, wie erwähnt, die Trainerin aus Großbritannien, und eine Teilnehmerin ist Französin.

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  10. Brislins Matrix über die Tiefe der Involvierung unterscheidet Denken/Wahrnehmen, Gefühle und Verhalten auf drei Stufen: niedrig, wenn die Teilnehmenden passiv rezipieren, mittel, wenn ihr Interesse geweckt wird und emotionale Veränderungen angestrebt werden, und hoch, wenn es zu praktischen Übungen kommt. Filme und Erfahrungsberichte bewirken demnach eine niedrige Teilnahme bezüglich der Emotionen, eine höhere allerdings schon, wenn es zu Gruppendiskussionen über Werte und Rassismus kommt (vgl. Brislin 1989 ).

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  11. Aus dem Schulungsmodul „Bridging the cultural gap“ (Cabin Crew Training der Fluggesellschaft).

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  12. Diese klassische Vorgehensweise der „Aufklärung“, Vorurteile offenzulegen, als Fehlinformation bewußt zu machen, um an ihnen durch die Thematisierung von Mißverständnissen und Unterschieden metakommunikativ zu arbeiten, läßt sich auch in der Literatur immer wieder als Anleitung finden. Vgl. z.B. Reisch (1991).

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  13. Das Beispiel von Uta Quasthoff zeigt allerdings ein Hauptproblem der bisherigen Stereotypenforschung. Es bedarf zusätzlicher und äußerlicher „Definitionen“, was „das Stereotype“ an der Attribution ist. Schließlich ist die Aussage, Vertreter einer Nation seien „fleißig“, zunächst keineswegs negativ zu verstehen. Die Analyse der Formen moralischer Kommunikation auf der Basis natürlicher Gespräche kann jedoch die spezifisch stereotype Qualität zeigen (vgl. insbesondere Band 1, Kapitel 5. 2 ).

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  14. Die Entwicklung eines kulturspezifischen „culture assimilators“ zeigt, wie kompliziert der Prozeß ist, Kulturstandards herauszukristallisieren (Thomas 1996a, 118ff.).

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  15. In ihrem Aufsatz über die Elizitierung „richtiger“ Antworten nennen French/MacLure (1979) diese Fragetechniken „preformulation“ und „reformulation“, weil damit ein Zusammenbruch der Interaktion verhindert oder repariert wird und gleichzeitig Antworthinweise („clues“) enthalten sind.

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  16. Welche Merkmale in der Kommunikation zu beachten sind, beantworten diese dann jedoch nicht, daher demonstriert Leslie im Anschluß (hier ausgelassen), daß man in England im Unterschied zu Deutschland auch unter guten Freunden nie sagen könne, daß einem die neuen Möbel nicht gefielen.

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  17. Unter der spezifischen Modulation „Einübungen“ (practicings) versteht Goffman (1980, 72) lehrreiche Möglichkeiten des gefahrlosen Einübens von neuen Fähigkeiten unter alltagsfernen Bedingungen.

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  18. Der Hinweis auf „down south“ (Z. 62f.) legt nahe, daß Peter hier die „riots“ von 1991 in Los Angeles vor Augen hat, die in diesem Stadtteil begonnen hatten.

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Nazarkiewicz, K. (1999). Moralmanagement in Trainings zur interkulturellen Kommunikation. In: Bergmann, J., Luckmann, T. (eds) Kommunikative Konstruktion von Moral. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-12193-0_5

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-12193-0_5

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-663-12194-7

  • Online ISBN: 978-3-663-12193-0

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