Zusammenfassung
Selbst Goethe, der 1820 die erste phänomenologische Studie über „Hör-, Schreib- und Druckfehler“ vorlegte und dabei ein Niveau erreichte, hinter das viele Fehlerforscher späterer Jahre zurückfielen, denkt in der Konsequenz doch nur daran: „wie man einem solchen Übel, durch gemeinsame Bemühung der Schreib- und Drucklustigen, entgegenarbeiten“ kann (Goethe, 1820, S. 303). Er schlägt vor, danach zu sehen: „aus welchen Offizinen die meisten inkorrekten Bücher hervorgegangen (sind)“; denn: „eine solche Rüge würde gewiß das Ehrgefühl der Druckherrn beleben; diese würden gegen ihre Korrektoren strenger sein; die Korrektoren hielten sich wieder an die Verfasser, wegen undeutlicher Manuskripte, und so käme eine Verantwortlichkeit nach der anderen zur Sprache“ (Goethe, 1820, S. 303). Diese Form der fehlerkundlichen Praxis ist bis heute lebendig geblieben, ohne das vermeintliche Übel tot zu kriegen. Die psychologische, pädagogische oder ingenieurwissenschaftliche Fehlerforschung (über alle Zeiten und Schulen hinweg) will eliminieren, und zwar grundsätzlich, indem sie das Übel an der Wurzel zu packen vorgibt und mit der Letztursache all dessen, woran wir angeblich laborieren, aufräumen möchte: dem menschlichen Versagen.
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Wehner, T. (1992). Fehlerfreie Sicherheit — weniger als ein günstiger Störfall. In: Wehner, T. (eds) Sicherheit als Fehlerfreundlichkeit. Sozialverträgliche Technikgestaltung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-05724-6_1
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