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Intuition und Dialektik Eine These zur Idee des Normalbegriffs

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Hundert Jahre „Gemeinschaft und Gesellschaft“

Zusammenfassung

Diese Studie will Aspekte der Tönniesschen Dialektikauffassung verdeutlichen, hierbei vor dem Intuitionsbegriff nicht mehr ausweichen und damit nichts weniger als einen methodischen Grund-Anspruch des u.E. starken Tönniesschen Wissenschaftsbegriffs vor Augen führen. Solcherlei Ambitionen fordern — wenigstens ansatzweise — die Darstellung der Aufnahme und Kritik einiger tradierter metaphysischer als metatheoretischer Theoreme im Tönniesschen Denken, ferner ihrer besonderen Verarbeitung und — Aufhebung(!). Letzteres bleibt aber noch Programm umfassenderer Untersuchungen und wird hier nur skizziert. Zudem ist, eingestanden, die Schwäche der These: sie ist nur These. Inwieweit die Tönniesschen Ansprüche in den Verfahren und Darstellungen seiner Theorie außerhalb ihrer programmatischen Explikation auch eingelöst und durchgehalten werden, interessiert uns hier nicht. Vielmehr geht es an dieser Stelle um die Erhellung der Einsichtigkeit der methodischen Programmatik und Grundauffassung, also um den speziellen Aufweis von Wissenschaftlichkeit, auch wenn diese in ihrer Durchführung “nur” regulativ bleiben sollte. — Wo aber wäre es anders?

„Ungemein bezeichnend ... ist die ... Einstellung von Tönnies, nach der einzig ‚positive‘, also unfeindliche Beziehungen soziologisch relevant werden können, während die Analyse etwaiger doch anfallender ‚negativer‘ oder feindlicher Beziehungen in die Sozialpsychologie abgeschoben wird. Wer könnte sich dabei hindern, an die alte Unterscheidung Platons von ‚eigentlicher’, d.h. metaphysischer Erkenntnis einerseits und ‚uneigentlicher‘ Meinung andererseits zu denken. Damit wird aber mit der Realitätssetzung auch die Validitäitsfrage aus der reinen Soziologie ausgeschaltet.“)

(René König, 1955, S. 407; 1987, S. 191)

„... die alten Philosophen denken immer ikarisch.

(Friedrich Nietzsche, 1980b, S. 348)

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Literatur

  1. Insofern wird hier Richard Schencks Erwartung von 1955 erinnert: Tönnies „wissenschaftliches Weltbild gilt ... als, überwunden. Fragen wir aber, wodurch? so lautet die Antwort: durch nichts; den[n] da der erkennende Geist zur dogmatischen Bindung nicht zurückkehren kann, haben wir mit der Preisgabe jedes geschlossenen wissenschaftlichen Weltbildes die Leitidee, das geistige Band verloren. Nirgends deutlicher als im sozialen Leben zeigt es sich, daß wir es weder geistig zu bewältigen, noch praktisch zu gestalten vermögen. In der Wissenschaft wie in der Politik leben wir von Tag zu Tage. Das wird uns früher oder später zwingen, zu den großen geistesgeschichtlichen Leistungen der Vorangegangenen zurückzukehren, um auf ihrem Grunde weiter zu bauen” (Hervorhebg. v. C.S.). Die Tendenz der Gegenwart ist derzeit allerdings Beliebigkeit, Postmoderne, “anything goes”. Hiergegen liegt die Modernität von Tönnies jedoch nicht in einem ,geschlossenen’ wissenschaftlichen Weltbild. Vielmehr wird die Idee von Wissenschaft bei ihm als Leitidee eben nicht dogmatisch, sondern regulativ entfaltet; die Diskursivität wird keinem holistischen Raunen geopfert; die Intuition aber tritt methodisch kontrolliert hinzu. In der Wechselwirkung, auch über wechselwirkende Kontrolle dieser beiden Prinzipien für die Entwicklung und Anwendung von Forschungsinstrumenten, d.h. auch in der Unabgeschlossenheit dieses Prozesses, mit dem die Erkenntnis dennoch immer in Richtung auf das Wesentliche gesteuert werden soll, liegt der regulative Charakter der Tönniesschen Leitidee von Wissenschaft, die nur insofern geschlossen ist, als sie selbst das sich ihr Entziehende noch zu operationalisieren beabsichtigt und auch hiervon Gesichtspunkte einheitlich zusammenfaßt, die gleichwohl im Hinblick auf die Reflexion des Status ihrer Instrumente immer offen ist.

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  2. Nur als biographischer Hinweis soll gelten, daß Tönnies’ in diesen beiden Arbeiten sich aussprechender Platon-Bezug in die Zeit der Abfassung seines ersten Entwurfs von “Gemeinschaft und Gesellschaft”, des “Theorems der Kultur-Philosophie”, fällt, die Arbeit daran sogar unterbricht und nach Vorlage des Theorems fortgeführt wird. Dies ist der epistelographischen Diskussion Paulsens mit Tönnies dieser Zeit, die sich gleichzeitig um das Verständnis des Kantschen Kritizismus bewegt, zu entnehmen (vgl. Ferdinand Tönnies /Friedrich Paulsen, 1961a, S. 83 ff.).

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  3. Tönnies’ Methodenbuch (1906, S. VI f.) thematisiert und personalisiert dieses Gewebe explizit in der Idee eines geistigen Staates(!) (vgl. dazu auch Friedrich von Schiller, 1966, S. 284–286) — der Fiktion der Gelehrtenrepublik, auf deren Konnotationen wir unten noch weiter eingehen — und knüpft damit auch wieder an Platon an: “Sie alle aber müssen wissen, daß sie einem großen Bunde angehören, der durch alle Völker geht, der Gelehrten-Republik, und daß in dieser, für diese zu wirken, in ihr verstanden, anerkannt zu werden, Nachfolge und Mitarbeit zu finden, höchstes Ziel der Meisterschaft immer gewesen ist”

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  4. Die die “Dialektik der Aufklärung” epistemologisch und theoretisch fortschreibende “Negative Dialektik” ermöglicht uns — paradox genug — diese systematische Lesart: “Ist das Ganze der Bann, das Negative, so bleibt die Negation der Partikularitäten, die ihren Inbegriff an jenem Ganzen hat, negativ. Ihr Positives wäre allein die bestimmte Negation, Kritik, kein umspringendes Resultat, das Affirmation glücklich in Händen hielte.” (Theodor W. Adorno, 1982, S. 161).

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  5. Wir wollen die Begriffsgeschichte nicht verunklären, schon gar nicht, auch nicht verquer, die bürgerliche Epopöe, ihr Licht und ihr ‚Kreuz‘ verspielen, gleichwohl oder darum: dies Wortspiel ist uns wesentlich.

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  6. Tönnies spart hier das Wort “vermeintlich” aus, richtig lautet die Stelle: “als ein vermeintlich auffallendes Beispiel ...”.

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  7. Richtig lautet die Stelle: “Allein man würde besser tun, diesem Gedanken mehr nachzugehen, und ihn (wo der vortreffliche Mann uns ohne Hilfe läßt) durch neue Bemühung in Licht zu stellen, als ihn, unter dem sehr elenden und schädlichen Vorwande der Untunlichkeit, als unnütz beiseite zu setzen.”

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  8. In der Antrittsvorlesung von 1881(b) setzt Tönnies das Zitat noch mit der folgenden, bezeichnenden Stelle fort: “Denn nichts kann Schädlicheres und eines Philosophen Unwürdigeres gefunden werden, als die pöbelhafte Berufung auf vorgeblich widerstreitende Erfahrung, die doch gar nicht existieren würde, wenn jene Anstalten zu rechter Zeit nach den Ideen getroffen würden, und an deren Statt nicht rohe Begriffe, eben darum, weil sie aus Erfahrung geschöpft worden, alle gute Absicht vereitelt hätten.” (Immanuel Kant, 1976, S. 352, A 316 f., B 373).

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  9. “Durch einen solchen Beweis [das “glänzende Beispiel” der Mathematik!; C.S.] von der Macht der Vernunft eingenommen, sieht der Trieb zur Erweiterung keine Grenzen. Die leichte Taube, indem sie im freien Fluge die Luft teilt, deren Widerstand sie fühlt, könnte die Vorstellung fassen, daß es ihr im luftleeren Raum noch viel besser gelingen werde. Ebenso verließ Plato die Sinnenwelt, weil sie dem Verstande so enge Schranken setzt, und wagte sich jenseit derselben, auf den Flügeln der Ideen, in den leeren Raum des reinen Verstandes. Er bemerkte nicht, daß er durch seine Bemühungen keinen Weg gewönne, denn er hatte keinen Widerhalt, gleichsam zur Unterlage, worauf er sich steifen, und woran er seine Kräfte anwenden konnte, um den Verstand von der Stelle zu bringen.” (Immanuel Kant, 1976, S. 43*, B 8 f.; vgl. 43, A 4 f.).

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  10. Und wie schafft man sich gesicherte Ausgangspunkte? Letztlich ist in der reflektierenden Vertiefung, im Weg der Reflexion die Dialektik angelegt. Ähnlich wie Hobbes zu Beginn des “Leviathan” den Sinn und die Weise der Arbeit mit Voraussetzungen, Definitionen, Axiomen darlegt, so zeigt auch Tönnies die Möglichkeit solcher Voraussetzungen. Sie liegt exakt in der Selbstermächtigung zur kontrollierten, diskursiven Voraus-Setzung, d.h. in der setzenden, fixierenden Begründung wissenschaftlicher Instrumente. In der Reflexion und Gründung der Voraussetzungen wird allerdings schon der Übergang zur eigentlichen Wissenschaft gesetzt. [Und sein Theorem von “Gemeinschaft” und “Gesellschaft” ist doch als Theorem auch die genetische These ihrer Möglichkeit — zum Unterschied von genetischer Theorie und Geschichte vgl. Eduard G. Jacoby (1968, S.462 f.)]. 1880/81 schreibt der junge Tönnies (1925h, S 156): “Nun können einfache Aussage- oder Satzurteile, welche auf Vergleichung (wenn auch noch so schwach bewußter) gegebener einzelner Vorstellungen mit dadurch erregten, sonst in der Seele ruhenden, Erinnerungsbildern gegründet sind, nur so in wissenschaftliche Ordnung gebracht werden, daß man den von Natur schwankenden Vorstellungs-Inhalt dieser Schemata fixiert und möglichst genau beschreibt, sodann durch Verknüpfung der einzelnen Vorstellungen mit besonderen Namen, die Schemata zu definierbaren Begriffen ausprägt: diese sind um so vollkommener, je mehr ihre Merkmale so beschaffen sind, daß sich das Verhältnis der gegebenen Erscheinungen zu denselben genau feststellen läßt; daher je mehr sie sich der Natur eines mathematischen Begriffs oder eines Maßes annähern.” In der Folge wird dann noch die Methode der Philosophie zunächst noch als Deduktion vom Allgemeinen zum Besonderen, die spätere individualisierende Begriffsbildung, gesondert herausgestellt (S.159; vgl. zur Kritik der ‚Deduktion‘ und Entwicklung dieser Auffassung Tönniessens — Eduard G. Jacoby, 1971, S 55) und hierbei als Darstellungsmethode auch der Analysis konfrontiert (entsprechend der von Marx im “Kapital” angezogenen Divergenz von Forschung und wissenschaftlicher Explikation). Dessen erinnere sich, wer unten die vorläufige Abgrenzung zu phänomenologischen Orientierungen nachliest.

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  11. Als Versuch, den Gehalt dieser tradierten Denkfigur in der Idee negativer Dialektik analytisch zu lesen, siehe Carsten Schlüter (1987c, Bd. I., S. 15).

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  12. Das ist auch der Einwand gegen die Aufschwellung des Kommunikationsapriori zum Begründungsargument, gar zur Letztbegründung, die u.a. über Diskursethik modern geworden ist. Wenn Tönnies der Auffassung ist, “Philosophieren ist nichts anderes als Sich -Verständigen, wie Platon in aller Tiefe eingesehen hat”, so ist damit der gemeinsame “Wille zur Wahrheit” angesprochen, der das um sie bemühte Gewebe der Diskutanten tragen muß (Ferdinand Tönnies /Friedrich Paulsen, 1961a, S. 155). Hierfür legt schon die Dialogform der Platonischen Philosophie ihr Wort ein.

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  13. Wir wollen mit Vergnügen anmerken, daß Platon, nach der Entwicklung der Grundzüge seiner Konstruktion in Tönnies’ Sicht (1882, S. 82), die Individuierung spielerisch betrieb: “die Ausführung im Einzelnen ist ein geistreiches Spiel, welches die Vorstellung eines grossartigen Zweckes mit absichtlicher Verwegenheit und heiterer Rücksichtslosigkeit bis zu den äussersten Consequenzen verfolgt.” An die utopische Schillersche geschichtsphilosophische Konzeption des homo ludens, die gerade auch gegen die notwendigen Einseitigkeiten der Arbeitsteilung (auch in der Wissenschaft) der Freiheit einen Ort geben will, wagen wir zu erinnern (vgl. Friedrich Schiller, 1966, z.B. S. 238).

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  14. “D.h. daß die Konstitution der gesamten sozialen Wirklichkeit als aus dem Willen von Wollenden hervorgehend und auf ihn wechselwirkend zurückverweisend gedacht wird”, so faßte ich 1988 (S. 392) die Erfüllung solcherart ‚Akte‘, in der ihre Bedeutung und ihre Erfüllung in der Tätigkeit des sozialen Handelns zusammenfallen. Nur: Wollen hat für Tönnies eben grundsätzliche Bedeutung, sein Prozeß ist nicht auf Akte zu reduzieren, dies würde sonst das neuzeitliche Bewußtsein durch die Unterschiebung seiner Form geradezu auch material verabsolutieren und damit erneute Selbsttäuschung befördern (was zudem ein ideologie-kritischer Einwand gegen das Verfahren der phänomenologischen Wesensschau ist): “Wollen bezeichnet, der Sprache des gewöhnlichen Lebens gemäß, nicht einen Akt, sondern den möglicherweise durch einen Akt hervorgebrachten psychischen oder inneren Zustand. Beschließen und Wollen ist zweierlei.” (Ferdinand Tönnies, 1982, S. 40; vgl. dazu weiter — allerdings durchaus in kritischer Distanz zu der hier von uns vertretenen Auffassung — Jürgen Zander, 1982, S 30 ff.). Diese Unterscheidung eröffnet aber andererseits doch wieder Berührungspunkte zum spezifischen Sinn von Intentionalität als Gegenstandsbezug in der Phänomenologie, die dort gleichfalls nicht auf moderne souveräne Absichtlichkeit eingeschränkt werden sollte, so daß gerade von dem erweiterten Tönniesschen Willensbegriff her die lax angedeutete Vergleichbarkeit mit dem Husserlschen Akt sich motivieren könnte. Zur Willenstheorie s. außer Jürgen Zander (1982) insbesondere Cornelius Bickel (1987), Alexander Deichsel (1985) und Rolf Fechner (1985).

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  15. Zu Tönnies’ Theorie des Willens im Hinblick auf die von ihr ausgehende besondere Konzeptionalisierung psychischer Akte in einer hypothetisch angedeuteten Nähe zur späten Phänomenologie und auch zum Symbolischen Interaktionismus vgl. Gottfried Deetjen (1987, S. 177 ff.).

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  16. Tönnies hält 1880 /81 den Gegensatz von Natur und Geist für falsch, den von Natur und Kultur hingegen für wahr (1925h, S 152); 1887 heißt es dann: ich unterscheide “den Willen, sofern darin das Denken, und das Denken, sofern darin der Wille enthalten ist” (1979, S. 73). D.h. der Wesenwille als ‚das psychologische Äquivalent des menschlichen Leibes‘ (S. 73) enthält das Denken, oder mit dem vorangestellten, Spinoza entlehnten Motto gilt: “Voluntas atque intellectus unum et idem sunt” (S.71). Kultur und Natur aber — oder wirklich Organisches, rein Determiniertes, und die menschliche Schöpfung sind ihm der wahre Gegensatz. Und nur für die Seite der Kultur wird sein Theorem der gegensätzlichen Sozialformen entwickelt. Das Natürliche innerhalb dieses Theorems ist damit ein Element, das von vornherein als Maßstab in der wissenschaftlichen Erfassung der Tatsachen des sozialen Lebens und der Kulturerscheinungen angelegt ist und genutzt wird — und hat für sich keine eigenständige Bedeutung außerhalb dieses Instruments. Es geht Tönnies also keineswegs um eine Naturalisierung des Bewußtseins, sondern um dessen genetische Fassung in seinem Theorem.

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  17. Ganz im Gegenteil fordert Tönnies (1979, S. XX f.) für das Erkennen die größere Distanz, die — schon prinzipiell dem methodischen Individualismus entsprechend (vgl. Cornelius Bickel, 1987; Carsten Schlüter, 1988) — zu den Bedingungen der Möglichkeit von Wissenschaft gehört. Die Subjekt-Objekt-Spaltung ist ineins: problematisch und erkenntnisermöglichend. Kein intuitives Wegwünschen oder behauptetes Ganzheitserleben kann indes mehr vor die auch historisch sedimentierte Differenz zurück — die Einbildung hilft dann nicht, täuscht nur. Das Subjekt darf “den Gegenständen seiner Betrachtung” eben nicht “allzu nahe” stehen: “Es gehört viele Anstrengung und Uebung, vielleicht sogar eine natürliche Kälte des Verstandes dazu, um solche Phänomene mit derselben sachlichen Gleichgültigkeit ins Auge zu fassen, mit welcher der Naturforscher die Processe des Lebens einer Pflanze oder eines Thieres verfolgt” (Ferdinand Tönnies, 1979, S. XX f., Hervorhebungen v C.S.).

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  18. Das soll nicht heißen, das Tönnies nicht das Werden des Denkens bedenkt, im Gegenteil. Sowohl in “Gemeinschaft und Gesellschaft” als auch bereits in seiner Vorarbeit, dem “Theorem der Kultur-Philosophie”, thematisiert auch er das Werden des Geistes, das material bis zu dessen Verselbständigung zur Ausgestaltung des Theorems hinzugehört. Insofern dürfte er Marxens kritischen Einwand gegen den starren Dualismus in der Systematik der reinen Vernunft durchaus teilen. Marx stützt Hegels Einwand, hat aber noch eine materialistische Wendung der Auffassung des werdenden Wissens vorgenommen, die dessen Genese beleuchtet: “Das Auge ist zum menschlichen Auge geworden, wie sein Gegenstand zu einem gesellschaftlichen, menschlichen, vom Menschen für den Menschen herrührenden Gegenstand geworden ist. Die Sinne sind daher unmittelbar in ihrer Praxis Theoretiker geworden. Sie verhalten sich zu der Sache um der Sache willen, aber die Sache selbst ist ein gegenständliches menschliches Verhalten zu sich selbst und zum Menschen und umgekehrt” (Karl Marx, 1974, S. 540). Die Phänomenologie könnte im übrigen bei Marx, nicht nur wegen dieser Betonung der Optik, durchaus anknüpfen. Denn dies ist die materialistische Fortschreibung der Untersuchung des erscheinenden Wissens, einer Gegenstandsbeziehung also, die aber dialektisch-prozessual angelegt ist. In solcher Beziehung ändern sich das Wissen und der jeweilige Gegenstand — und das Wissen ist bei Marx in den sinnlichen Möglichkeiten der Wahrnehmung transzendental nachgewiesen. Marx versucht dort, die transzendentalen Voraussetzungen der Erkenntnis genauer zu fassen und Selbsttäuschungen, die bereits die sinnliche Wahrnehmung leiten oder in sie historisch eingebaut sind, zu analysieren. Die Aufklärungsliteratur der traditionellen Theorie, beginnend mit Descartes, ist voll der Kritik an solcher aufzuklärenden ‚Theorie‘ der Sinne, deren Fetischisierungen es zu durchschauen gelte. Insofern ist die Distinktion ‚Sinnlichkeit, Verstand / Vernunft‘ gerade auch ein Ausdruck einer Emanzipation des Denkens. Die Aufnahme der Herausbildung des Denkens in die Theorie und der Wille, Selbsttäuschungen des Denkens und der Sinne nicht zum Opfer zu fallen, sind aber kein Einwand gegen das Denken als Medium der Theorie: “Denken vollends hütet keine Quellen, deren Frische es vom Denken befreite; kein Typus von Erkenntnis ist verfügbar, der absolut verschieden wäre von dem verfügenden, vor dem der Intuitionismus panisch und vergebens flieht.” (Theodor W. Adorno, 1982, S. 26).

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  19. Analogien Tönnies’ zur Phänomenologie ließen sich — aber dies wäre vielleicht ein Programm künftiger Untersuchungen — u.U. auch anders herum, nämlich von einer Art geschichtsphilosophischer Wendung im Spätwerk Husserls aus verfolgen — Ferdinand Fellmanns (1989, S. 18) jüngste, populäre begriffsgeschichtliche Skizze weist in eine derartige Richtung: “Im Spätwerk Husserls kündigt sich der Perspektivenwechsel darin an, dass er den cartesischen Standpunkt des cogito verlässt und die Evidenzen vorwissenschaftlicher Erfahrung philosophisch ernst nimmt. Das führt zu einem Gestaltwandel der transzendentalen Phänomenologie. Sie tritt nun nicht primär als Erkenntnistheorie, sondern als Kulturphilosophie auf und eröffnet somit der theoretischen Philosophie die geschichtsphilosophische Perspektive.” In Fellmanns (1990, S. 82) Sicht ist aber dann Husserls “Geschichtsteleologie” auch problematisch, denn ihr letztlich numinoser Antrieb münde in “Absolutheitsansprüche der Vernunft, die über die logische Evidenz weit hinausreichen” (80), dieser Uberspannung wegen umschlagen und den “‚entwurzelten‘ Geist des Rationalismus der Aufklärung” (82) ins Pejorative ziehen. Hingegen wird bei Tönnies die Aufklärungskritik stets als Selbstkritik entwickelt. Gerade seine psychologische Willenstheorie gibt ihm hierfür ein wissenschaftliches Fundament (vgl. Cornelius Bickel, 1987). Und hierin wird, aller Vereinnahmung entgegen, auch von phänomenologischer Seite schon früh die fundamentale theoretische Differenz geortet. Husserl selbst sah schon 1921 in seinen Forschungsmanuskripten zur Vorbereitung des von ihm damals als Grundwerk der Phänomenologie vorbereiteten ‚Großen systematischen Werkes‘ eine Beziehung seiner Gedanken zur Phänomenologie der Intersubjektivität zu Tönnies’ Grundbegriffen der reinen Soziologie. (Der phänomenologische Zugang zur Intersubjektivität ist aber für das phänomenologische Verfahren der Ausschaltung genuin problematisch, deshalb wäre ein Gestaltwandel der Phänomenologie in der Tat zwingend.) Husserl verweist also dort, wo er “verschiedene Möglichkeiten und Weisen der Verbindung von Monaden durch Verbindung ihrer Ichsubjekte” studiert (Edmund Husserl, 1973, S. 270), ausdrücklich auf Tönnies’ Grundbegriffe (Edmund Husserl, 1973, S. 182), wenn er ein “auf Einheit einer willkürlich oder aus ‚Naturbedingungen‘ erwachsenen Zwecksetzung beruhendes Ganzes” fokussiert — die Anführungsstriche im Zitat sollten würdigende Beachtung finden. Aber schon an der leibnizianischen Vorstellung der Subjekte (und Gegenstände) der Intersubjektivität wird deutlich, daß Husserl dem Spezifischen der Tönniesschen Fassung des Willens und seiner Differenzierung von zwei Willensdispositionen wie übrigens auch Schmalenbach fern steht, die ja gerade die theoretische Verengung auf die den besonderen Bedingungen der Neuzeit wesentlich eigene psychische Verfassung der Menschen und deren Aufschwellung zur überhaupt geltenden Bewußtseinsform kritisiert — und es nicht gestattet, unhistorisch die eigenen Bewußtseinsformen dem Gegenstand der Erkenntnisbemühung zu unterschieben, wie es nach unserer Auffassung der Phänomenologie nicht nur hier unterläuft — was in eine fehlerhafe, vielleicht sogar fundamental fehlerhafte Ontologisierung münden kann (hierzu s. auch unsere Fußnote 14). Die Ablehnung der Tönniesschen Willenskonzeptionalisierung, also die Abtrennung seiner Metatheorie von seiner reinen Soziologie, ist symptomatisch für seine Aufnahme durch Husserl und Schmalenbach: “Ob indes Wesenwille und Kürwille als grundlegende psychologische Kategorien ebenso zu brauchen und gültig sind, scheint mir zweifelhaft”, schreibt Herman Schmalenbach (o.J., S. 12, vgl. S. 13) um 1926. Und: er will die Begriffe der reinen Soziologie hiervon trennen können. Ebenso Husserl 1921 (1973, S. 182): er betont zur Differenzierung geradezu, daß Tönnies “Gemeinschaft nicht als eine Willensgemeinschaft ([allerdings, und das macht einen Unterschied, C.S.] Wille in meinem prägnanten Sinn verstanden)” auffasse! Tönnies nimmt derartige Tendenzen “der heute erstarkenden phänomenologischen Schule, deren Philosophie von den bekannten deutschen Soziologen auch M. Scheler und A. Vierkandt huldigen”, mit durchaus ironischer Distanz wahr, wenn er 1925 etwa Edith Steins beiläufigen Tönnies-Bezug in seine Besprechung zieht. Hier lehnt er allerdings ganz offenbar den phänomenologischen Zugang zur Herausarbeitung von “Gemeinschaft” und “Gesellschaft” ab [Ferdinand Tönnies (1979, S. XLIII — Anmerkung 3); vgl. zu Edith Steins Arbeit in diesem Zusammenhang auch ihre Rezension durch Herman Schmalenbach (1922b, Sp. 993 – 998). Ohne daß es in diesem Zusammenhang eine argumentative Bedeutung hat, ist es uns wichtig, darauf hinzuweisen, daß die Philosophin Edith Stein später von den Nationalsozialisten im KZ Auschwitz ermordet wurde.] .

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  20. Daß vornehmlich instrumentelle, dem Rationalismus gemäße Rationalität per se zurichtend ist (vgl. Ferdinand Tönnies, 1979, z.B. S. 204) und als identifizierendes Denken mit der gesellschaftlichen Struktur: Herrschaft, ja gerade in ihr das gemeinsame Modell findend und in sie mündend, zutreffend bezeichnet wird, steht für Tönnies völlig außer Frage. In einem Aufsatz aus dem Jahre 1894 trägt er seine Auffassung bündig vor: “Als gemeinsam finde ich in allen Formen der rationalistischen Art des Denkens und Wollens, daß sie ein Prinzip der Herrschaft bedeutet, daher in jedem Gebiete auf dessen Vergrößerung, ja Verallgemeinerung, sei es extensive oder intensive, ausgeht; ferner ist dadurch notwendig gegeben, daß sie, sich die Herrschaft zu erleichtern, ihr Gebiet einteilt, daß sie die Objekte ihrer Herrschaft so sehr als möglich gleich und in bezug aufeinander frei macht, so daß die Einheiten beliebig kombiniert und in Systeme gebracht werden können. Zuvörderst aber muß sie selber, die willkürliche Vernunft, sich frei machen und über alle Relationen, die ihr anhaften, siegreich, absolut, sich erheben. -” (Ferdinand Tönnies, 1925c, S. 110).

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  21. In einer Formulierung aus dem Jahre 1926, die den regulativen Charakter des Programms nachdrücklich unterstreicht, werden seine Abstufungen noch einmal prägnant herausgearbeitet: “Und die Begriffe festzulegen, sie zweckmäßig zu bilden, insbesondere als Normalbegriffe, und ihre Gegenstände als ‚Idealtypen‘, wofür ich lieber Normaltypen setze [vgl. Ferdinand Tönnies, 1979, S. XLII; C.S.], diese dann terminologisch zu befestigen, wofür es immer allzuschwer ist, zur äußeren Einigung zu gelangen — diese Aufgaben sind doch sogar in den Naturwissenschaften, wie oft beklagt wurde, mangelhaft gelöst, nicht einmal gehörig erkannt und aufgestellt worden.” (1926a, S.149; vgl. aber zu den exakten Wissenschaften auch 1925h, S.179 und Eduard G. Jacoby, 1971, S. 55). An der Notwendigkeit “mathematisch-synthetischer Begriffe”, der er in seiner “Jugend den Namen Normalbegriffe gegeben habe”, hält Tönnies bis ins hohe Alter fest. Die Selbstreflektion des Nominalismus ergibt aber doch eine gewisse Flüssigkeit der Distinktion, die, auch wenn sie bei Tönnies nicht realisiert wird, wenigstens die Denkmöglichkeit einer Beziehung zum wissenschaftstheoretisch etwas anders gelagerten Begriff eines Idealtyps (Tönnies sagt zu dessen spezifischer Verwendung: ideller Typ) eröffnet: Dennoch betont Tönnies noch im Spätwerk (1931a, 1981, S IV): “Ich unterscheide am liebsten den Begriff als Normalbegriff und seinen Gegenstand als ideellen Typus.”

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  22. Womit wir uns nachdrücklich an die Darstellung der dritten Erkenntnisgattung durch Hubbeling (1986, S. 222) anschließen: “Moreover, Spinoza teaches here too that the difference between this way and the second way (in contradistinction to the first way!) ist not so great. The third way may originate from the second way.” (vgl. Baruch Spinoza, 1982, S. 317). So hat dies Tönnies (1975, S. 282) bereits im letzten Jahrhundert — 1883 — gelesen: bei der zweiten und dritten Erkenntnisart leitete Spinoza “immer nur ... die eine Aufgabe: dem Menschen der gewöhnlichen Wirklichkeit, der den Leidenschaften verfallen ist oder durch verworrene Erkenntnis sich leiten läßt, einen idealen Menschen entgegenzuhalten, der nach Führung der Vernunft lebt, der tätig anstatt leidend, frei anstatt Sklave, weise anstatt unwissend ist”. Dennoch impliziert diese Kopplung nicht kurzerhand die Identität der Erkenntnisgattungen — was Hubbeling unterstreicht — hingegen ihre Vermittlung. Das sieht auch Tönnies (1975, S. 286; Hervorhebg. v C.S.): “Der Begriff der intuitiven Erkenntnis dient, seiner Konzeption nach, nicht dem Verlangen, die Welt zu begreifen, sondern dem Bedürfnisse jener liebevollen Versenkung in Gott, dem unmittelbaren Genusse der Unendlichkeit, eine theoretische Begründung zu geben.” Die Evidenz der intuitiven Erkenntnis auch der unnaiven scientia intuitiva ist also keine, die fir sich stehen kann, jedenfalls nicht wissenschaftlich. Und in der Darstellung more geometrico liegt für Spinoza sowieso der Akzent seiner theoretischen Ansprüche.

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  23. Alexander Deichsel (1987b, S. 10 f.) bemerkt übrigens einmal im Zusammenhang mit dieser Selbstbejahung, der Selbstaffirmation des Lebens in den geistigen Schöpfungen der Schöpfenden, Sinn-Konstruierenden sehr schön: “Ferdinand Tönnies, der Herr Geheimrat von der ernsten [nicht traurigen!, C.S.] Gestalt, war ein großer Theoretiker der Lust. Dabei kam er aus Husum... Subtiler Materialismus. Der Herr Geheimrat ist staunender Anarchist...”. Den Gedanken der Selbsterzeugung wollen wir für die Neuzeit insgesamt als charakteristisch hervorheben, auch wenn er bei den einzelnen repräsentativen Denkern unterschiedlich gegründet sein mag. Im Bereich der Wissenschaft sind nach Hobbes (1959, S. 18 f.) die eigentlichen Wissenschaften die, die ihren erkenntnisverbürgenden, nicht nur ermöglichenden Grund in ihrer Selbstzeugung, ihrer rationalen Selbstanwendung haben: Geometrie und Politische Wissenschaft, vgl. dazu oben die Differenzierung in Wissenschaft und lediglich instrumentelle Wissenschaft durch die Selbstsetzung und theoretische Erforschung der Voraussetzungen einerseits und den Ausgang von gegebenen Voraussetzungen andererseits, unterschieden in Platons Liniengleichnis...

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  24. “...das, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, kann nicht nur im Denken sein. Ist es nämlich nur in unserem Denken, so kann man sich es auch als wirklich seiend vorstellen; das aber ist mehr (als bloß in Gedanken wirklich sein). Wenn also das, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, nur im Denken ist, so ist eben das, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, etwas, über das hinaus etwas Größeres denkbar ist. Dies ist aber offenbar unmöglich. Daher ist zweifellos etwas, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, sowohl dem Denken als der Sache nach wirklich.” (Anselm von Canterbury, 1956, S.205).

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  25. Diese massive, ironische Polemik verkehrt geradezu die üblichen Auffassungen in ihr Gegenteil. Lebendig ist nicht die Aristotelische Teleologie, sondern die von Aristoteles als Verdoppelung des Seienden im Ideenhimmel angegriffene Ideenlehre Vor dem gängigen begrifflichen Horizont zeigt sich Tönnies’ Auffassung damit geradezu als a-teleologisch, wenngleich er auch das Wesen nicht als etwas Transzendentes faßt. Aber: Im Sinne einer eher hegelianischen und evolutionären Auffassung der Lebendigkeit schon des platonischen Begriffes hält Tönnies (1881b, S. 52) Platon wiederum fir den eigentlichen Urheber teleologischer Begriffe, was “Aristoteles ausbaute”. Womit Tönnies zugleich polemisch das Werden gegen die besondere inhaltlich-strukturelle Vorstellung einer Hierarchie des Wissens bei Platon stark macht und die Dialektik damit strenger als Platon faßt, indem er sie so als Instrument nachdrücklich an die Wirklichkeitserkenntnis bindet — und doch an der Differenzierung von Stufen auch der Wissenschaft und damit am Ziel einer eigentlichen Wissenschaft emphatisch festhält. Wird die Ideenlehre also von ihrem ontologischmetaphysischen Selbstmißverständnis befreit, dann gewinnt die Dialektik als Forschungsmethode mehr Bedeutung. Und wenn die rationalistischen, mathematisch gebauten Begriffe in die Ursachenforschung einbezogen werden und nicht nur rein instrumentell einem äußeren Zweck dienen, dann zielen sie selbst schon in der genuinen Dialektik auf ihre (weitere) Verwendung im Forschungsprozeß und sind deshalb in sich im Sinne fortschreitender Erkenntnis logisch prozessual. Darüber hinaus und grob vereinfacht könnte der Aristotelismus sein Telos bei Tönnies in der Geschichtsphilosophie, der Angewandten Soziologie, finden (hierzu s. auch Pawel Rybicki, 1985), die Reine Soziologie hingegen würde für den Platonismus einstehen (hierzu vgl. Carsten Schlüter, 1987b, S. 240 f.).

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  26. Meine Darstellung steht hierbei in Adornos Schuld. In der “Negativen Dialektik” interpretiert Adorno (1982, S. 53 f.) dieses Stück so: “Damit wird qualitative Unterscheidung nicht nur der Platonischen Dialektik, seiner Lehre vom Denken, einverleibt, sondern als Korrektiv der Gewalttätigkeit losgelassener Quantifizierung interpretiert. Ein Gleichnis aus dem Phaidros läßt daran keinen Zweifel. In ihm balancieren sich zurichtendes Denken und Gewaltlosigkeit... Aller Quantifizierung bleibt als Substrat des zu Quantifizierenden jenes qualitative Moment erhalten, das nach der Mahnung des Platon nicht soll zerbrochen werden, damit nicht die ratio, als Beschädigung des Gegenstandes, den sie erlangen soll, in Unvernunft umschlage” (vgl. dazu auch Carsten Schlüter, 1987, Bd. II, S. 523 f.).

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  27. So z.B. “Der feindselige Wille, als Tendenz, die in allen menschlichen Verhältnissen ihre Wirksamkeit zeigt, ist eine mächtige Tatsache. Man kann sich nun des Begriffes halber einen Zustand denken, in welchem diese Tendenz allein wirksam wäre, so daß jeder Mensch den Willen jedes anderen, auf welchen er überhaupt sich zu beziehen Gelegenheit hätte, unbedingt und in jeder Hinsicht zu schädigen trachten oder (wie man mit einer Metapher aus dem logischen Gebiet sagen kann) verneinen würde. Dies wäre der berühmte Zustand des Krieges Aller gegen Alle, jeder würde jedes anderen Feind sein, und wenn die Gesinnungen den Taten entsprächen, jeder jeden Anderen hassen, ohne Unterschied der Person. Aber die freundliche Tendenz des Willens ist auch eine Tatsache und Ursache vieler Tatsachen... [Und entsprechend zur obigen Konstruktion — folgt der Gegenbegriff; C.S.] Dies wäre der Zustand des ewigen Friedens im höchsten Sinne...” (Ferdinand Tönnies, 1925h, S. 167). S. hierzu auch die entschiedene Kritik Tönnies’ an der Darstellung seines Theorems durch Friedrich Paulsen (Ferdinand Tönnies/Friedrich Paulsen, 1961a, S.273).

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  28. In allerdings anderer systematischer Bedeutung (vgl. Harald Höffding, 1924, S. 12) schreibt Spinoza (1914, S 210) am 2. Juni 1674 an Jarigh Jelles den berühmten Satz: “Da also Gestalt nichts anderes ist als Bestimmung und Bestimmung Verneinung, so wird sie wie gesagt nichts anderes sein können als eine Verneinung”, der bekanntermaßen zu der berühmt-berüchtigten Hegelschen Auslegung und Ubertragung in einen ganz divergenten kontextuellen und logischen Zusammenhang geführt hat: “Die Bestimmtheit überhaupt ist Negation, (Determinatio est negatio) ...” (Georg Wilhelm Friedrich Hegel, 1966, S. 75). Vgl. dazu Rainer Bieling (1979, S. 70 ff., 153 ff.).

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Schlüter, C. (1991). Intuition und Dialektik Eine These zur Idee des Normalbegriffs. In: Clausen, L., Schlüter, C. (eds) Hundert Jahre „Gemeinschaft und Gesellschaft“. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01367-9_6

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