Zusammenfassung
Für alle soziologischen Klassiker liegt die Religion im Brennpunkt ihres Schaffens, was nicht verwundern kann. Die Entdeckung des Sozialen, die zur Soziologie erst als eigener Betrachtungsweise, dann als eigener Wissenschaft geführt hat, hebt in eins die Religion aus dem Dunkel der kulturellen Selbstverständlichkeit ins schmerzende Licht wissenschaftlicher Fraglichkeit. Das Auseinanderbrechen der feudalen Ordnungen, des Mit- und Füreinanders in ‚naturwüchsigen‘ (Marx), ‚gemeinschaftlichen‘ (Tönnies) und ‚mechanischen‘ (Durkheim) sozialen Verhältnissen, beraubt die Religion ihres Einflusses und provoziert geradezu die distanzierte Erörterung ihrer Inhalte, Formen, Leistungen und historischen Bedingtheiten.
„Die Frage, ob man nicht eine Weltreligion schaffen könnte, muß ich mit Nein beantworten. Schon die echten, organisch entstandenen Religionen vermögen ihre Angehörigen nicht vor Dummheit und Roheit zu retten, mit Ausnahme einer kleinen Zahl, einer Elite von wahrhaft Gläubigen. Und von den synthetischen, künstlichen Religionen, wie sie manch einer zu erhoffen scheint, ist noch viel weniger zu erwarten. Es ist damit wie mit den Sprachen. Immer wieder kommt ein kluger Kopf auf die Idee: es sei ja nur die Verschiedenheit der Sprachen, was die Völker trenne, und man brauche nur eine allgemeine Weltsprache zu erfinden, dann werden alle einander verstehen etc. etc. Es sind ja auch schon mehrere solcher synthetischer Sprachen entstanden, die ihren Anhängern viel Freude machen — aber die Völker machen keinen Gebrauch davon, sie haben anderes zu tun.“
Hermann Hesse
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Literatur
Es gibt kaum deutsche soziologische Literatur zum Thema der Neuen Religionen. Ein Schritt nach vorn ist der Sammelband „Renaissance des Religiösen?“ (ÖZS 1986). Aus der inzwischen reichen und abgesicherten englisch-sprachigen Literatur nenne ich Eileen Barker (1982).
Was das Christentum einmal für einen Schatz an Mythen besaß, weiß nur noch der Religionsgeschichtler. Vgl. Jaques Solé (1982).
Es sind nur wenige Gruppen, bei denen man rund um die Uhr beisammen ist, wie im gemeinschaftlichen Typus gefordert (z.B. in einer Bruderschaft oder im Kloster, in Ashrams und ähnlichen Zentren). Gruppen mit Zwangscharakter wie die Scientology Church, die das Privatleben ihrer Mitglieder an sich zu reißen suchen, sind eher Zwangsgemeinschaften, Parteidiktaturen, aber keine Gemeinschaften im Tönniesschen Sinne.
Alle Hervorhebungen im Text sind von mir, R.W.
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© 1991 Leske + Budrich, Opladen
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Waßner, R. (1991). Tönnies’ Religionssoziologie und die neuen religiösen Bewegungen Ein Stück Angewandter Soziologie. In: Clausen, L., Schlüter, C. (eds) Hundert Jahre „Gemeinschaft und Gesellschaft“. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01367-9_21
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-01367-9_21
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-663-01368-6
Online ISBN: 978-3-663-01367-9
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