Zusammenfassung
Kaum eine Branche weist in der jüngeren Vergangenheit einen ähnlichen tiefgreifenden Umbruch auf, wie das Telekommunikationswesen. Nach fast 100 Jahren, in denen das Telefon ausschließlich der Übertragung von Sprache diente, hat in den letzten Jahren durch die Einfuhrung neuer Vermittlungs- und Übertragungstechniken eine enorme funktionale Ausweitung stattgefunden. Das Telefon, längst nicht mehr an einen festen Standort gebunden, sondern mobil, ist mittlerweile zu einem multifunktionalen Übertragungsmedium für Sprache, Daten, Bilder und Töne geworden. Gleichzeitig hat sich der Telekommunikationssektor von einem wettbewerblichen Ausnahmebereich in einen mehr oder weniger offenen Markt gewandelt. Telekommunikationsdienste und darauf aufbauende Dienstleistungen werden als Folge einer Anfang der 80er Jahre einsetzenden Liberalisierungsphase mittlerweile nicht mehr von staatlichen oder privaten Monopolanbietern sondern zunehmend im Wettbewerb erbracht.
Dieser Beitrag ist eine stark gekürzte und überarbeitete Fassung der Kapitel 3 und 4 von Dörrenbächer (1999).
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Referenzen
Ebenfalls hier anzuführen, aber — wenn überhaupt — lediglich für Europa geltend, ist die These von der besonderen Rolle der EU-Kommission, die, so Schneider/Werle (1988), die Liberalisierungsbestrebungen im Telekommunikationswesen als strategisches Vehikel zur Vergößerung ihrer politischen Bedeutung genutzt habe (kritisch hierzu Esser u.a. 1997).
Ein interessantes Beispiel für die Entwicklung von netzkonstituierenden Standards ist der Mobilfunk. Den Anfang machte zu Beginn der achtziger Jahre der NMT-Standard, der die Mobilfunknetze in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden vereinheitlichte. Ende der achtziger Jahre wurde für ein europaweites digitales Mobilfunknetz der GSM-Standard entwickelt, der nach dem Export der GSM-Technik nun auch in einer Reihe von Ländern außerhalb Europas zur Anwendung kommt (1998: weltweit in 120 Ländern). Die nächste Generation (UMTS-Standard) zielt bereits darauf ab, ein weltweit einheitliches Netz zu konstituieren (Mihatsch 1998, S. 4f.).
Die Ausnahme sind kleine Länder in der Triade, die nicht über eine eigenständige Telekommunikationsgüterindustrie verfügen, wie z.B. Österreich. Hier sind große Anbieter aus anderen Ländern präsent, in Österreich beispielsweise Siemens und Alcatel.
Ehemalige Hoflieferanten können durch politische Einflußnahme ihre Interessen wahren, indem sie: (1) auf nationaler Ebene Druck auf die Fernmeldegesellschaften ausüben, nationale Produkte zu kaufen (Wirtschaftswoche 5.1 L93), (2) ein stärkeres Engagement des Staates oder der Fernmeldegesellschaften beim Netzausbau oder in der international recht unterschiedlichen FuE-Finanzierung im Bereich Telekommunikation fordern, oder (3) auf internationaler Ebene Wettbewerbsverzerrungen (z.B. Quersubventionierungen bei vertikal integrierten Unternehmen, Marktzugangsbarrie-ren) monieren und handelspolitischen Druck mobilisieren (Baur 1993, S. 125–126).
Diese Steigerungen resultieren u.a. daher, daß im Wettbewerb stehende Diensteanbieter neben Kostensenkungsstrategien (vor allem im Bereich traditioneller Dienste) auch stets versuchen, Kunden durch neue, technologisch anspruchsvolle Dienste zu gewinnen, was wiederum die FuE-Kosten bei den Herstellern in die Höhe treibt (Claus 1996, S. 11).
Eine Kumulation des Marktvolumens der drei größten europäischen Märkte für Vermittlungstechnik (Großbritannien, Deutschland, Frankreich) über einen angenommen Produktlebenszyklus von 10 Jahren zeigt, daß kein einzelner Markt groß genug ist, die Entwicklungkosten von rund l Mrd. ECU einzuspielen (Schwab 1996, S. 15).
Nach Angaben von Siemens lag der erzielte Preis für einen Teilnehmeranschluß 1995 nur noch bei einem Fünftel des Wertes von 1970 (Siemens Welt 10/95).
Beispielsweise unterliegen Mobilfunkendgeräte zunehmend den Regeln des Konsumgütermarketings. Dies bedeutet: halbjährlich eine neue Gerätegeneration, kurze Ent-wicklungs- und Bereitstellungszeiten, ein starker Preisverfall und ein intensives Konsumgütermarketing (Schwab 1996, S. 15).
Anfang der neunziger Jahre wurde noch ein Weltmarktanteil von 10–15% als ausreichend erachtet, um am Markt zu bestehen (Schwab 1996, S. 16; Wirtschaftswoche 4.11. 91).
So der Vorstandsvorsitzende von Nortel Jean C. Monty am 24. Juni 1996 auf der Telekommunikationsmesse Supercom in Dallas/Texas.
Dies gilt allerdings weniger für neue Marktsegmente.
Üblicherweise handelt es hier um kleinere Anbieter (Pouillot/Dartois 1991, S. 34).
Die hier für die USA gezeigte Struktur der tatsächlichen Wettbewerbsentwicklung, (i.e. merklicher Wettbewerb im Bereich nationaler und internationaler Femgespräche und de facto Fortbestand des Monopols im Ortsbereich) findet sich derzeit mehr oder weniger ausgeprägt in allen Industrieländern (Bergmann u.a. 1998; Beardsley 1998, 1999).
In Fällen vertikaler Integration (i.e. der nationale Fernmeldebetreiber ist zugleich Ausrüstungshersteller) konzentriert sich die Betrachtung auf das Verhältnis zwischen der ausrüstenden Industrie und der nationalen Regulierungsinstanz.
Eine weitere wichtige, allerdings erst derzeit stattfindende paradigmatische Veränderung, nämlich die Sprach-Daten-Integration (Integration von Sprach- und Datennetzen; Stichwort: Internet) bleibt hier noch unberücksichtigt.
Allerdings gibt es Anzeichen dafür, daß sich dies zumindest mittel- bis langfristig ändern wird. So mußte NTT kürzlich auf Intervention des MPT die Zugangsgebühren zu den Ortsnetzen für Wettbewerber drastisch reduzieren. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß die Konkurrenten von NTT vor allem in neuen zukunftsträchtigen Bereichen (Mobilfunk, Mehrwertdienste) erfolgreich sind.
Gemeint sind hier Ortsvermittlungsstellen mit einer gewissen Anschlußkapazität. Eine erste, allerdings nicht für Ballungsräume geeignete digitale Vermittlungsstellenanlage hatte Alcatel bereits 1970 entwickelt.
Insbesondere das MPT hat sich in der Vergangenheit mehrfach flir eine Aufspaltung von NTT eingesetzt.
1995 war das Jahr der unternehmensrechtlichen Verselbständigung der unterschiedlichen Bereiche, die nach der Entflechtung von 1984 noch bei AT&T verblieben waren (siehe genauer Punkt 3.2.1).
Weitere Schritte, das Monopol zu verteidigen, lagen zum einen in einer extensiven Patentpolitik. Bis zum Auslaufen des ursprünglichen Telefonpatents 1894 häufte A-merican Bell 900 telefonrelevante Patente an. Zum anderen wurde in Konkurrenz zur Telegraphie der Ausbau des Telefonfernverkehrs begonnen. Ziel war es, bis zum Ende des Telefonpatents eine nicht mehr einzuholende Marktstellung im Telefonfernverkehr zu erreichen (Brock 1994, S. 103–105).
Noch vor der Übernahme der Mehrheitsanteile verpflichtete American Bell im Jahr 1882 Western Electric, lediglich auf Basis von Bell- oder Western Electric-Patenten zu produzieren und ausschließlich an Beil-Lizenznehmer zu verkaufen. Im Gegenzug legte sich American Bell auf die ausschließliche Beschaffung von Western Electric-Equipment fest.
Die American Telephone and Telegraph Company (AT&T) war ursprünglich eine Tochtergesellschaft von American Bell und ausschließlich für den Fernverkehr zuständig. Als dieser immer mehr an Bedeutung zunahm, wurde AT&T 1899 durch Vermögensübertrag zur Muttergesellschaft.
Die Zahl der Anbieter von Telekommunikationstechnik stieg in den USA von 131 Firmen 1967 auf 473 Firmen 1982 (Ollay/Pakes 1996, S.9).
Konkurrenz gab es zum Beispiel im Bereich der Nebenstellenanlagen. Diese wurden sowohl von AT&T Technologies als Hardwarelösung als auch von den RBOCs als Softwarelösung in den Vermittlungsstellen angeboten (Centrex). Da die Vermittlungsstellen der RBOCs traditionell von AT&T stammten, befürchteten die RBOCs, daß bei Weiterentwicklungen Centrex-Lösungen gegenüber Hardwarelösungen benachteiligt würden. Ein erhebliches KonfHktpotential zwischen AT&T und den RBOCs stellten auch die politisch regulierten Zugangspreise (access charges) zu den Netzen der RBOCs dar (Vietor 1994, S. 225).
Wesentlich war hier auch ein technischer Rückstand von AT&T-Technologies im Bereich digitaler Vermittlungstechnik. Hier sah die Vorläufergesellschaft Westem E-lectric aufgrund des Monopol Schutzes und der fehlenden internationalen Orientierung lange Zeit keine Veranlassung, eine technologische Vorreiterrolle zu übernehmen und überließ ausländischen Anbietern, vor allem Nortel, kampflos das Feld (E-gan/Waverman 1991, S.1.44).
Dazu gehörten nach dem Zweiten Weltkrieg neben dem Systemführer Siemens u.a. SEL, AEG, Telenorma (TN) und DeTeWe.
Das EWS-Projekt (1966–1979) zielte auf die Entwicklung eines elektronisch gesteuerten analogen Vermittlungssystems ab. Beteiligt waren Siemens und SEL. Die Koordinierung des Projektes oblag der Bundespost.
Ursprünglich wurden ausschließlich Anbieter aus Ländern berücksichtigt, zu denen deutsche Anbieter Marktzugang hatten.
Hintergrund war dabei die Mitte 1993 beschlossene EU-weite Einführung von Wettbewerb im Sprachtelefondienst ab dem 1. 1. 1998.
Das 1944 gegründete CNET war ein staatliches Institut, dessen Aufgabe nicht nur in Forschung und Entwicklung im Bereich Telekommunikationstechnik, sondern auch in der sektorspezifischen Politikberatung lag. Das CNET entschied damit de facto über die Vergabe von Beschaffungsaufträgen (Durand 1988, S. 423).
Ein wesentlicher Aspekt war dabei die Anfang der siebziger Jahre vollzogene Entmachtung des CNET und die Reintegration der Beschaffungsverantwortung in die DGT. Allerdings diente das CNET auch weiterhin — mindestens bis Ende der achtziger Jahre — als industriepolitisches Vehikel, indem es Entwicklungsaufträge erledigte, die der nationalen Herstellerindustrie bzw. einzelnen Firmen zugute kamen. Dies führte, so Schnöring (1989, S. 29), zwar einerseits zu Kostenvorteilen bei den französischen Herstellern, bedeutete aber auch eine starke Orientierung auf die technischen Bedürfnisse des französischen Netzes und damit eine tendentiell geringe Berücksichtigung von Weltmarktinteressen.
Das System E10 konnte aufgrund seiner begrenzten Anschlußkapazität zunächst nur in dünn besiedelten Gebieten installiert werden.
Die wesentlich kleinere, chronisch defizitäre CGCT stellte keine ernsthafte Konkurrenz für Alcatel CIT dar, u.a. auch deshalb, weil sie Systeme von Thomson resp. Alcatel in Lizenz fertigte.
Ebenfalls um den Einstieg beworben hatten sich Siemens und AT&T, die im Vorfeld der Entscheidung massiv von ihren jeweiligen Regierungen unterstützt wurden.
Zuständig für die Telekommunikationsindustrie wurde nun auch offiziell das Industrieministerium.
Bis 1976 unter Northern Electric und zwischen 1976 bis 1994 unter Northern Telecom firmierend.
Unterschätzt wurde insbesondere der technologische Fortschritt und damit verbunden die drastische Preisdegression bei integrierten Schaltkreisen.
Internationale Ferngespräche werden von dem Staatsunternehmen Teleglobe im Monopol erbracht.
Das ausschließlich in der Telekommunikation tätige Staatsunternehmen Swedish Telecom besaß zwar de jure nie ein Fernmeldemonopol. Marktzutrittsversuche anderer Anbieter, wie etwa 1981 im Bereich Mobilfunk oder 1986 im Bereich internationaler Telefondienste, waren jedoch wenig erfolgreich oder scheiterten ganz an der Marktmacht von Swedish Telecom. Auch nach der Trennung von hoheitlichen und unternehmerischen Aufgaben 1992/1993 dürfte sich, so die Einschätzung von Müller u.a. (1993, S. 626), allenfalls langfristig etwas an der Wettbewerbssituation ändern. Lediglich im Bereich der Endgeräte entwickelte sich im Verlauf der achtziger Jahre ein erwähnenswerter Wettbewerb: Ab 1980 mußte Swedish Telecom zulassen, daß auch andere Anbieter bzw. Privatpersonen das Recht haben, Endgeräte an das Netz von Swedish Telecom anzuschließen. Dies galt zunächst nur für Anrufbeantworter und Faxgeräte, dann für Modems (1983), Telefone (1985) und schließlich auch für Nebenstellenanlagen (1990).
Teli hingegen war als Folge von Marktabsprachen bis in jüngste Vergangenheit lediglich auf dem schwedischen Markt tätig.
Von l 887 bis 1900 halbierte sich der Umsatz von Ericsson in Schweden trotz eines insgesamt deutlich wachsenden Marktes (Kruuse 1977, S. l 10).
Nach Angaben von Richardson (1986, S. 85) machte Anfang der achtziger Jahre die Beschaffung im Ausland zwischen 15 und 20% der Gesamtbeschaffung von Swedish Telecom aus. Gekauft wurde u.a. bei Nortel und AT&T.
Darüber hinaus konnte Ericsson bereits in einer frühen Phase auf eine große Binnennachfrage nach digitalen Vermittlungsstellenanlagen zurückgreifen, da Swedish Telecom stark auf Netzdigitalisierung setzte. 1987 verfügte Schweden als erstes Land der Welt über ein volldigitalisiertes Telefonnetz (Richardson 1986, S. 88).
Die finnische PTT sowie die privaten Anbieter verfügten bis weit in die neunziger Jahre hinein über dienste- bzw. gebietsspezifische Monopole. Nachdem Anfang der neunziger Jahre bereits einzelne Dienste liberalisiert worden waren (Datendienste, GSM-Mobilfunk), erfolgte 1994 die Öffnung aller internationalen, nationalen und lokalen Telekommunikationsdienste für den Wettbewerb (Klodt u.a. 1995, S. 148).
Televa furnierte später unter Telenokia, dann nur noch unter dem Namen Nokia.
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Dörrenbächer, C. (2000). Umbruch in der Telekommunikation: Nationale Varianzen und ihre Auswirkungen auf die Unternehmen der Fernmeldeindustrie. In: Kooperieren über Grenzen. Physica, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-41546-7_3
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