Zusammenfassung
Die digitale Transformation in Unternehmen ist ein langfristiger Aushandlungsprozess, der nicht nur technische, sondern auch soziale und organisationale Gestaltungsfelder beinhaltet. So müssen z. B. Routinen der Weitergabe von Informationen im Arbeitsalltag neugestaltet werden, wenn ein digitales Assistenzsystem eingeführt wird. Solche Tools müssen außerdem mit der digitalen Unternehmensstrategie in Einklang gebracht werden. Dieser Aushandlungsprozess ist ein komplexer Lern- und Gestaltungsprozess, der häufig auch in Zusammenarbeit mit weiteren Organisationen wie z. B. wissenschaftlichen Instituten durchgeführt wird. Der Beitrag befasst sich mit einer beispielhaften Schlüsselstelle in einem solchen Aushandlungsprozess. Dabei widmet er sich der Praxis des Entwerfens dieser Schlüsselstelle und fragt, wie mit einer abduktiven Erkenntnishaltung im Entwurfsprozess eine hohe praktische Wirksamkeit der Schlüsselstelle erreicht werden kann. Die Wirksamkeit liegt z. B. darin, dass die heterogenen Akteure ein gemeinsames Zukunftsbild erarbeiten. Der Beitrag schlägt zunächst eine intra- und interorganisationale Diskursgestaltung mit einem organisationspädagogischen Ansatz transepistemischer Designforschung vor. Kern des Beitrags ist eine autoethnografische Reflexion der Entwurfspraxis, welche Teil der Designforschung ist. Eine abduktive Praxis, so wird deutlich, kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, Schlüsselstellen im digitalen Transformationsprozess sowohl theoriegeleitet als auch erfahrungsbasiert, kontextsensibel und bedarfsorientiert zu gestalten und zu erforschen.
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Notes
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Das Forschungsprojekt „EVerAssist – Einführung und Verstetigung technologiebasierter Assistenzsysteme in KMU“ (FKZ 02L19A000ff; Laufzeit: 01.04.2020–30.09.2022) wird im Rahmen des Programms „Zukunft der Arbeit“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei der Autorin.
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In dem Artikel „Optimierungen auf dem Weg zu Industrie 4.0?! Organisationspädagogische Prozessgestaltung als Entwerfen von Settings“ (Keller, im Druck) wird das Entwerfen von „Settings“ als organisationspädagogische Praxis zur Gestaltung der digitalen Transformation vorgeschlagen. Settings werden dabei in Anlehnung an Girmes (2012) als spezifische Struktur für Wahrnehmungsordnungen von organisationspädagogischen Prozessgestalter:innen verstanden. Anknüpfend an Girmes besteht eine solche Struktur aus vier Dimensionen, in welchen das Artikulationsgefüge bildungsrelevanter Zielqualitäten in konkreten Kontexten und Situationen für Gestalter:innen besser wahrnehmbar wird. Eine dieser Dimensionen ist die des ‚Gehalts‘: Hier geht es darum, was zum Gegenstand von Bildungsprozessen bzw. von kollektiver Reflexion in einem Setting werden soll.
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‚Industrie 4.0‘ ist ein politisches Programm und eine Zukunftsvision für die digitale Transformation des industriellen Sektors. Es basiert v. a. auf der informationstechnologischen Durchdringung von Produktion, Arbeitswelt und Wertschöpfung. Das Programm ist im Jahr 2021 mit der Vision ‚Industrie 5.0‘ erweitert worden (European Commission, 2021).
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Keller, A. (2023). Mind your Step! Zum Entwerfen von Schlüsselstellen in der digitalen Transformation von Unternehmen. In: Schröer, A., Blättel-Mink, B., Schröder, A., Späte, K. (eds) Soziale Innovationen in und von Organisationen. Sozialwissenschaften und Berufspraxis . Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-40695-0_8
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