Zusammenfassung
Die Covid-19-Pandemie prägt das Berufs- und Familienleben sowie das Aufwachsen von Kindern in Deutschland, z. B. durch Kitaschließungen. Dadurch veränderten sich für die pädagogischen Fach- und Leitungskräfte, Kinder und Eltern auf der einen Seite sowie WissenschaftlerInnen der Kindheitsforschung auf der anderen Seite die Rahmenbedingungen für die Teilnahme an und die Durchführung von Forschungsprojekten in Kitas. Neben forschungsethischen und datenschutzrechtlichen Herausforderungen ergaben sich neue Fragen und Erfordernisse für die frühkindliche Forschung (z. B. Anpassung des Forschungsdesigns, Änderung bestehender Datenschutzkonzepte), deren Ziel im Fortbestand des Erkenntnisgewinnes trotz ‚Ausnahmezustand‘ lag. Forschungsethische Standards gelten übergeordnet zwar für die ‚reguläre‘ Forschung, jedoch erfordern die pandemiebedingt veränderten Strukturen und Abläufe im institutionellen Kontext eine Neubetrachtung und inhaltliche Anpassung, die Gegenstand des Beitrags sind.
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Notes
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Nach Wolff (2005) ergibt sich für ForscherInnen die Aufgabe, zunächst den Kontakt zu den Forschungssubjekten bzw. zur übergeordneten Institution herzustellen. Dies gelingt über sog. ‚Türsteher‘ („gatekeeper“, Wolff 2005, S. 342). So bedarf z. B. die Beobachtung von Kindern in Kitas einer Genehmigung durch die Kita-Leitung, den Träger und die Eltern (vgl. Rau et al. 2017).
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Das sequenzielle qualitativ-quantitative Design gehört der Mixed Methods Forschung an und beschreibt den Einsatz einer „qualitative[n] Pilotstudie zur Generierung von Hypothesen (…), die in einer anschließenden quantitativen Hauptstudie geprüft werden“ (Kelle 2014, S. 161).
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Die teilnehmenden Kinder (N = 17) konnten im Anschluss an eine Untersuchung von Lehramtsstudierenden zur Erfassung der kindlichen Vorstellungen von Schule (Untersuchungsteil I) von ihren Eindrücken des Beforscht-Werdens (Untersuchungsteil II) in den bis zu 14 Minuten andauernden Gruppeninterviews berichten. Dabei standen primär die Einzelmeinungen der Kinder zu ihren Erfahrungen in der Teilnahme an Forschung im Fokus. Die beiden aufeinanderfolgenden Untersuchungsteile fanden in einem ungestörten Raum der Kitas statt.
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Die pädagogischen Fach- und Leitungskräfte (N = 5) wurden u. a. zu ihren Erfahrungen mit der Teilnahme an Forschungsprojekten interviewt. Der Interviewleitfaden fokussierte die einzelnen Schritte von Forschungsprojekten, von der Planung bis zur Berichterstattung der Ergebnisse. Dadurch wurde ein systematischer Rahmen gesetzt, um die Befragungsschwerpunkte in einen projektbezogenen Kontext einzuordnen.
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Die Häufigkeitsverteilung der beruflichen Position der Befragten (Leitungskräfte vs. pädagogische Fachkräfte) zeigte eine Ungleichgewichtung. Mit der vorgenommenen Datengewichtung wurde einer Verzerrung der Ergebnisse entgegengewirkt (Gewichtungsfaktor der Gruppe der Leitungskräfte: 0,07, Gewichtungsfaktor der Gruppe der pädagogischen Fachkräfte (ohne Leitungsfunktion): 7,71).
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Die drei Items zur Einschätzung der informierten Einwilligung („Hinreichende Information über das Projekt allgemein“, M = 3,47, SD = 0,76; „Hinreichende Information über Ziele des Projekts“, M = 3,53, SD = 0,77; „Hinreichende Information zur Erhebung“, M = 3,37, SD = 0,84) wurden mit einer vierstufigen Likert-Skala („trifft nicht zu“ bis „trifft zu“, mit Ausweichoption) versehen (vgl. Rupprecht und Lattner 2022b).
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Die Items zur Wahrung des Datenschutzes („Zusicherung der Vertraulichkeit der Daten“, Ja = 341, Nein = 3; „Zusicherung der Anonymität der Daten“, Ja = 322, Nein = 20) und der Freiwilligkeit der Teilnahme („Möglichkeit des Abbruchs der Untersuchung“, Ja = 216, Nein = 93) wurden mit Items auf Nominalskalenniveau gemessen („Ja“, „Nein“, mit Ausweichoption).
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Lattner, K., Rupprecht, B. (2022). Kindheitspädagogik: Neue forschungsethische Anforderungen bei der Durchführung von Forschung in Kitas in Krisenzeiten. In: Klimczak, P., Newiak, D., Petersen, C. (eds) Corona und die anderen Wissenschaften. ars digitalis. Springer Vieweg, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-36903-3_3
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