Zusammenfassung
In den achtziger Jahren arbeitete eine Reihe rechter ‚Intellektueller‘ daran, den Begriff der ‚nationalen Identität‘ zu rehabilitieren. Besonders der Politikwissenschaftler Bernard Willms entwickelte sich zum wichtigsten Vordenker der ‚Neuen Rechten‘. Als Professor an der Ruhr-Universität Bochum konnte er die nationalistische Rechte mit akademischem Kapital versorgen und arbeitete am Brückenschlag zwischen rechtsextremen und konservativen Kräften. 2013 hat der Antaios-Verlag eine aktualisierte und gekürzte Fassung der Text-Sammlung Identität und Widerstand herausgegeben und Willms dadurch kanonisiert. Tatsächlich sind diese beiden Schlagworte noch immer die wichtigsten Kampfbegriffe der ‚Neuen Rechten‘ und besonders der Identitären Bewegung. Das Beispiel von Bernard Willms zeigt, dass die sogenannten ‚Neuen Rechten‘ kein ‚neues‘ Phänomen sind, sondern seit etwa 50 Jahren kontinuierlich die Normalisierung und Verbreitung antidemokratischer, rassistischer und völkischer Ideen betreiben. Auch die Universitäten und nicht zuletzt der für die politische Bildung besonders wichtige Bereich der Politischen Theorie und Ideengeschichte sind immer schon Schauplätze dieses Kampfes um Hegemonie gewesen. Dieser Beitrag arbeitet zwei größere Themenkomplexe der Texte heraus: erstens das Verschmelzen von Nation und Identität, das die Grundlage des Ethnopluralismus-Konzeptes bildet, und zweitens die Holocaust-Relativierung und der Geschichtsrevisionismus, die wichtige Voraussetzungen für den Neonationalismus und sein Projekt der Wiederherstellung der Nation sind.
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Notes
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Dass die Neuauflage vor allem jene Passagen gestrichen hat, die konkret Bezug auf die Teilung und die damals noch ausstehende Wiedervereinigung Deutschlands nehmen, hat nicht wie wohl gewünscht zu einer Verallgemeinerung von Willms’ Aussagen beigetragen, sondern zu ihrer Dekontextualisierung geführt. Willms’ Ausführungen wirken dadurch an vielen Stellen bizarr anachronistisch.
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Eine Abwandlung des regelmäßig von Cato dem Älteren (234–149 v. Chr.) im römischen Senat vorgebrachten Kriegsantrags „Ceterum censeo Carthaginem esse delendam“ („Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Carthago zerstört werden muss“).
Literatur
Primärquellen
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Stellbrink, M.L., Meiering, D. (2022). Bernard Willms: Identität und Widerstand – Rede aus dem deutschen Elend. In: Meiering, D. (eds) Schlüsseltexte der ‚Neuen Rechten‘. Edition Rechtsextremismus. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-36453-3_12
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