Zusammenfassung
Konflikte verweisen auf grundlegende gesellschaftliche Widersprüche und institutionelle Machtverhältnisse und gelten als ein bedeutsames Element einer kritischen Sozialen Arbeit. Wie Konfliktsituationen, die im beruflichen Alltag von Studierenden der Sozialen Arbeit während ihrer Praxisphasen erlebt werden, bereits im Studium rekonstruiert und bearbeitet werden können und welche (Handlungs-)Begrenzungen und (Handlungs-)Perspektiven durch Konfliktanalysen sichtbar gemacht werden können, wird exemplarisch dargestellt. Thematisiert wird auch die Frage, welche strukturellen Voraussetzungen und Ressourcen an Hochschulen erforderlich sind, um das kritische Potenzial der Konfliktorientierung erschließen zu können.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Similar content being viewed by others
Notes
- 1.
Zwei der insgesamt vier curricularen integrierten Praxisphasen sind in einem viersemestrigen Studienschwerpunkt verortet und werden i. d. R. in derselben Praxisstelle absolviert.
- 2.
Eine der Modulprüfungen, die auch benotet wird, findet am Ende des vierten Semesters statt – nach einer ersten achtwöchigen Praxisphase – als mündliche Präsentation, i. d. R. als Gruppenprüfung (20 min Prüfungszeit pro Person). Die zweite Modulprüfung – das „Kolloquium“ – findet nach dem praktischen Studiensemester, am Ende des sechsten Semesters, i. d. R. als Gruppenprüfung statt und wird von hauptamtlich Lehrenden und einer staatlich anerkannten Sozialarbeiter*in/Sozialpädagog*in mit mehrjähriger Berufserfahrung, die sich als Praxisprüfende bereit erklärt, durchgeführt. Gegenstände des „Kolloquiums“ sind eine mündliche Prüfung (20 min Prüfungszeit pro Person) und eine vorab angefertigte schriftliche theoriegeleitete Analyse mit einem selbst gewählten Teilbereich der beruflichen Praxis und eine fachliche Reflexion des eigenen professionellen Handelns nach wissenschaftlichen Grundsätzen. Diese Modulprüfung muss bestanden werden und zählt als Voraussetzung für die Erlangung der staatlichen Anerkennung (vgl. Praktikumsordnung für den Bachelorstudiengang Soziale Arbeit an der Evangelischen Hochschule Darmstadt 2019).
- 3.
Die Konfliktanalysen werden von den Praxisvertreter*innen als anregend für die Professionalitätsentwicklung der Studierenden bewertet, und Konfliktfähigkeit wird von ihnen meist als bedeutsames Element einer fachlichen Positionierung im Kontext der Sozialen Arbeit wie auch als persönlicher Bildungsprozess verstanden. Allerdings können unterschiedliche Positionierungen und Einschätzungen in dieser Prüfungssituation nicht diskutiert werden und kommen nur in informellen Gesprächen zum Ausdruck.
- 4.
Bei den im Folgenden in Anführungszeichen gesetzten Aussagen wie auch Begriffen handelt es sich um wörtliche Redeanteile von Studierenden, die protokollarisch von mir festgehalten wurden.
- 5.
Die Einteilung und die Benennung der Kategorien ermöglichen eine Gruppenfindung der Studierenden, können jedoch aufgrund der auf Personengruppen bezogenen Namen den Blick auf die Konfliktsituation und auch die Gegenstandsbestimmung verengen. Diesbezüglich sind weitere Überlegungen anzustellen, welche Kategorien oder auch Begrifflichkeiten genutzt werden können, um die erzählten Konfliktsituationen einzuordnen, und ob darüber auch ein Gruppenfindungsprozess stattfinden soll.
- 6.
Bei den folgenden in Anführungszeichen gesetzten Beschreibungen handelt es sich um Auszüge aus einer schriftlich unveröffentlichten Ausführung der Konfliktanalyse einer Studierenden. Die Beteiligten an der Konfliktsituation werden in dieser Ausführung mit anonymisierten Vornamen gekennzeichnet.
- 7.
Literatur
Bitzan, M. (2000). Konflikt und Eigensinn. Die Lebensweltorientierung repolitisieren. Neue Praxis, 30(4), 335–346.
Bitzan, M. (2018). Das Soziale von den Lebenswelten her denken. Zur Produktivität der Konfliktorientierung für die Soziale Arbeit. In R. Anhorn, E. Schimpf, J. Stehr, K. Rathgeb, S. Spindler, & R. Keim (Hrsg.), Politik der Verhältnisse – Politik des Verhaltens. Widersprüche der Gestaltung Sozialer Arbeit (Dokumentation Bundeskongress Soziale Arbeit in Darmstadt 2015. Perspektiven kritischer Sozialer Arbeit, Bd. 29, S. 51–71). Springer VS.
Bitzan, M. (2020). Zur Relevanz von Verdeckungszusammenhängen im Kontext der sozialarbeitswissenschaftlichen Geschlechterforschung – Methodologische Herausforderungen partizipativer Ansprüche. In L. Rose & E. Schimpf (Hrsg.), Sozialarbeitswissenschaftliche Geschlechterforschung. Methodologische Fragen, Forschungsfelder und empirische Erträge (Theorie, Forschung und Praxis der Sozialen Arbeit, Bd. 19, S. 75‒99). Budrich.
Eichinger, U. (2020). Soziale Arbeit als konfliktbearbeitende Dienstleistung. In B. Völter, H. Cornel, S. Gahleitner, & S. Voß (Hrsg.), Professionsverständnisse in der Sozialen Arbeit (S. 91–101). Beltz Juventa.
Eichinger, U., & Schäuble, B. (2018). Konfliktanalyse als Verfahren für die Praxisforschung zu institutionellen Möglichkeitsräumen in der Sozialen Arbeit – Am Beispiel von Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete. Forum Kritische Psychologie. Neue Folge, 1 81(1), 98–118.
Franz, J. (2014). Deutungsmuster überwinden durch Erfahrungswissen? Zum rekonstruktiven Paradigma in der Sozialen Arbeit. In M. Köttig, S. Borrmann, H. Effinger, B. Gahleitner, B. Kraus, & S. Stövesand (Hrsg.), Soziale Wirklichkeiten in der Sozialen Arbeit. Wahrnehmen – Analysieren – intervenieren (Theorie, Forschung und Praxis der Sozialen Arbeit, Bd. 9, S. 51–61). Budrich.
Haug, F. (2003). Lernverhältnisse. Selbstbewegung und Selbstblockierungen. Argument.
Kunstreich, T., & May, M. (1999). Soziale Arbeit als Bildung des Sozialen und Bildung am Sozialen. Widersprüche, 1999(73), 35–52.
Maurer, S. (2018a). Die Perspektive der „Grenzbearbeitung“ im Kontext des Nachdenkens über Verhältnisse und Verhalten. In R. Anhorn, E. Schimpf, J. Stehr, K. Rathgeb, S. Spindler, & R. Keim (Hrsg.), Politik der Verhältnisse – Politik des Verhaltens. Widersprüche der Gestaltung Sozialer Arbeit (Dokumentation Bundeskongress Soziale Arbeit in Darmstadt 2015. Perspektiven kritischer Sozialer Arbeit, Bd. 29, S. 113–127). Springer VS.
Maurer, S. (2018b). Grenzbearbeitung. Zum analytischen, methodologischen und kritischen Potential einer Denkfigur. In B. Bütow, J.-L. Patry, & H. Astleitner (Hrsg.), Grenzanalysen – Erziehungswissenschaftliche Perspektiven zu einer aktuellen Denkfigur (S. 20–33). Beltz Juventa.
Müller, B. (2011). Professionalität ohne Arbeitsbündnis? Eine Studie zu „niedrigschwelliger“ Sozialer Arbeit. In R. Becker-Lenz, S. Busse, G. Ehlert, & S. Müller (Hrsg.), Professionelles Handeln in der Sozialen Arbeit. Materialanalysen und kritische Kommentare (S. 144–159). VS Verlag.
Roth, A., & Schimpf, E. (2020). Der Forschungszugang als Konfliktfeld – Gruppendiskussionen und Gender_Wissen. In L. Rose & E. Schimpf (Hrsg.), Sozialarbeitswissenschaftliche Geschlechterforschung. Methodologische Fragen, Forschungsfelder und empirische Erträge (Theorie, Forschung und Praxis der Sozialen Arbeit, Bd. 19, S. 131‒151). Budrich.
Schäuble, B. (2020). Konfliktorientierte Soziale Arbeit. In B. Völter, H. Cornel, S. Gahleitner, & S. Voß (Hrsg.), Professionsverständnisse in der Sozialen Arbeit (S. 59–70). Beltz Juventa.
Schäuble, B., & Eichinger, U. (2019). Wie sich Konflikte zu eigen machen? Konfliktanalysen als Element einer kritischen Sozialen Arbeit. Sozial Extra, 43(1), 40‒43.
Schimpf, E. (2015a). Von der Fall- zur Konfliktanalyse – Zur Relevanz der Rekonstruktion von Konfliktsituationen im Studium der Sozialen Arbeit. In S. Stövesand & D. Röh (Hrsg.), Konflikte – Theoretische und praktische Herausforderungen für die Soziale Arbeit (Theorie, Forschung und Praxis der Sozialen Arbeit, Bd. 10, S. 200–212). Budrich.
Schimpf, E. (2015b). Potenziale eines alltags- und lebensweltorientierten Forschens als Beitrag für „das Projekt einer kritischen Sozialen Arbeit“. In M. Dörr, C. Füssenhäuser, & H. Schulze (Hrsg.), Biographie und Lebenswelt: Perspektiven einer kritischen Sozialen Arbeit (Perspektiven kritischer Sozialer Arbeit, Bd. 20, S. 87–105). Springer VS.
Schimpf, E., & Stehr, J. (2012). Forschung und ihre Verstrickungen und Positionierungen in Konfliktfeldern der Sozialen Arbeit. In E. Schimpf & J. Stehr (Hrsg.), Kritisches Forschen in der Sozialen Arbeit. Gegenstandsbereiche – Kontextbedingungen – Positionierungen – Perspektiven (Perspektiven kritischer Sozialer Arbeit, Bd. 11, S. 107–135). Springer VS.
Schimpf, E., & Stehr, J. (Hrsg.). (2017). Soziale Medien als Konfliktarena. Alltagskonflikte Jugendlicher und wie sie über die Nutzung von Social Network Sites bearbeitet werden. Büchner.
Stehr, J., & Anhorn, R. (2018). Konflikt als Verhältnis – Konflikt als Verhalten – Konflikt als Widerstand: Widersprüche der Gestaltung Sozialer Arbeit zwischen Alltag und Institution. Einleitende Anmerkungen zum Bundeskongress Soziale Arbeit 2015. In J. Stehr, R. Anhorn, & K. Rathgeb (Hrsg.), Konflikt als Verhältnis – Konflikt als Verhalten – Konflikt als Widerstand. Widersprüche der Gestaltung Sozialer Arbeit zwischen Alltag und Institution (Perspektiven kritischer Sozialer Arbeit, Bd. 30, S. 1–43). Springer VS.
Stövesand, S., & Röh, D. (2015). Konflikte – Theoretische und praktische Herausforderungen für die Soziale Arbeit. Einleitung und Überblick. In E. Stövesand & D. Röh (Hrsg.), Konflikte – Theoretische und praktische Herausforderungen für die Soziale Arbeit (Theorie, Forschung und Praxis der Sozialen Arbeit, Bd. 10, S. 10–18). Budrich.
Werder, L. von (2017). Wörterbuch des kreativen Schreibens. Unter Mitarbeit von Kirsten Alers. Schibri.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2022 Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature
About this chapter
Cite this chapter
Schimpf, E. (2022). Das kritische Potenzial der Konfliktorientierung im Studium der Sozialen Arbeit. In: Eichinger, U., Schäuble, B. (eds) Konfliktanalysen: Element einer kritischen Sozialen Arbeit. Perspektiven kritischer Sozialer Arbeit, vol 32. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-35857-0_12
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-35857-0_12
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-35856-3
Online ISBN: 978-3-658-35857-0
eBook Packages: Education and Social Work (German Language)