Zusammenfassung
Der Beitrag analysiert aus einer theoretischen Perspektive die Relevanz der Betrachtung von Korruption im Kontext der Covid 19-Pandemie. Die Verknüpfung von Effekten der Pandemie mit Erklärungsmustern zur Entstehung von Korruption macht deutlich, dass die Corona-Krise einen fruchtbaren Nährboden für Korruption bildet. Zentrale Bezugspunkte sind dabei strukturelle Faktoren, die eine effektive Kontrolle behindern, sowie personenbezogene Faktoren, welche das individuelle Verhalten beeinflussen. Das Ergebnis der Untersuchung dient als Grundlage und Ausgangspunkt für weiterführende Analysen korruptionsrelevanter Aspekte der Covid 19-Pandemie.
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Notes
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Der Begriff „Corona-Diktatur“ wurde sogar zum Unwort des Jahres 2020 gekürt (Unwort des Jahres, 2021).
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Während sich aus der Perspektive des gesellschaftskritischen Labeling Approach deviantes Verhalten in erster Linie durch Benachteiligung und eine entsprechende Sozialisation erklären lassen, führt der Rational-Choice-Ansatz Handlungsentscheidungen auf Kosten-Nutzen-Abwägungen sowie kulturelle und moralische Tendenzen zurück (Oberwittler, 2016, S. 356–358).
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Für das Phänomen der Korruption existiert aufgrund seiner phänomenologischen Vielfalt und seiner Abhängigkeit von fachspezifischen und historischen Perspektiven keine allgemeingültige Definition. Das hier vorgelegte Verständnis von Korruption ist als Destillat verschiedener Definitionen zu verstehen. Die ausführliche Entwicklung dieses Arbeitsbegriffs ist in meiner Studie Logik und Problematik der Antikorruption – Deutschland und Italien im Vergleich (Fütterer, 2018a, S. 26–32) dargelegt. Die Evolution des Begriffs der Korruption wurde auch in meinem Aufsatz Korruption und Antikorruption in der Wissensvermittlung – Unschärfen und Abhängigkeiten thematisiert (Fütterer, 2018b, S. 25–47).
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Im März 2021 kam an die Öffentlichkeit, dass verschiedene Politiker für die Empfehlung ihnen bekannter Hersteller*innen von Atemschutzmasken an Ministerien zur Vergabe umfangreicher Aufträge zur Lieferung solcher Masken enorme Provisionszahlungen erhalten sowie weitere Geschäfte im Zusammenhang mit der Beschaffung von Masken unter Erhalt persönlicher Vorteile eingefädelt haben. Die Ermittlungen sind hierzu noch nicht abgeschlossen.
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Die vorgenommene Unterscheidung von struktur- und personenbezogenen Ursachen von Korruption sowie die Binnendifferenzierung dieser beiden Ursachenkomplexe wurden detailliert in meiner Studie Logik und Problematik der Antikorruption – Deutschland und Italien im Vergleich (Fütterer, 2018a) erarbeitet und sind daher teilweise aus dieser übernommen.
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Aus Sicht der Autoren führe eine höhere Intelligenz zu einer stärkeren und differenzierteren Normenwahrnehmung und könne genutzt werden, um das Entdeckungsrisiko korrupter Handlungen zu reduzieren. Ein hoher Psychopathiewert steigere die Annahme des Individuums, dass alle Menschen durch jegliche Handlung versuchen, den eigenen Vorteil zu erlangen, wodurch eigenes irreguläres Verhalten gerechtfertigt werden könne (Litzcke et al., 2012, S. 19, 120 f.). Organisationaler Zynismus schließlich sei zu begreifen als „negative Einstellung eines Arbeitnehmers gegenüber seiner Organisation“ (Litzcke et al., 2012, S. 20), die zu einer negativen Einstellung gegenüber der Organisation und schließlich zu „abschätzigem und kritisierendem Verhalten“ (Litzcke et al., 2012, S. 21) führe. Der Faktor der Intelligenz erscheint dabei am wenigsten aussagekräftig, da dieser auch das Bewusstsein von Korruption als illegitimem Akt sowie von zu erwartenden Strafen stärkt. In der Summe ist daher nicht klar festzustellen, ob Intelligenz Korruption begünstigt oder nicht. Sicher ist aber, dass dieser Wert die Wahrnehmung und das Bewusstsein von Korruption schärft (Litzcke et al., 2012, S. 120).
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Verdeutlicht wird dieser Zusammenhang durch eine Rekapitulation der Argumentation Pierre Bourdieus zu Delegation und politischem Fetischismus. In diesem Kontext nimmt der oder die Beauftragte die Repräsentation einer Gruppe ein und erhält durch Delegation einen Handlungsspielraum, welchen er oder sie im Sinne des Allgemeininteresses zu gestalten hat. Im Idealbild wird der oder die Beauftragte zum Symbol der Gruppe und schließlich zur Gruppe selbst, indem im Sinne einer Usurpation das Individuum und dessen eigenes Interesse hinter dem Gruppeninteresse verschwindet (Bourdieu & Schultheis, 2013, S. 29). Dadurch, dass der oder die Beauftragte – zumindest idealtypisch – den Gruppenwillen verfolgt, gewinnt er oder sie Handlungs- und Entscheidungsmacht über die Gruppe, die er oder sie repräsentiert (Schweitzer, 2009, S. 67). Verliert nun der oder die Beauftragte durch spezifische Personenfaktoren an Integrität gegenüber der Organisation und damit der Gruppe, so erstarken seine oder ihre individuellen Interessen im Gegensatz zu den zu verfolgenden Gruppeninteressen, das Individuum tritt in seiner Rolle als Repräsentant nicht mehr hinter die Gruppe zurück und das Ziel der Positionsausübung kippt um: Nicht mehr das Gruppeninteresse, sondern das eigene Interesse steht primär im Fokus, welches auf Kosten der Gruppe verfolgt wird (Schweitzer, 2009, S. 68). Das Delegationssystem avanciert auf diese Weise zum Nährboden für Korruption, sobald der oder die Beauftragte nicht mehr integer ist (Schweitzer, 2009, S. 68).
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Zu finden sind soziale Normen etwa in einem geringen Korpsgeist der Beamt*innen, in einer begünstigenden politischen und bürgerlichen Kultur, in einer begünstigenden politischen Identität und moralischen Disposition der politischen Klasse oder einer degenerierten öffentlichen Meinung gegenüber Illegalität (Della Porta und Vannucci, 2012, S. 13).
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Diese Einstellung greift auch Pope in seiner Betrachtung der Korruption in der ehemaligen Sowjetunion auf. Die Idee „the State was stealing from us, and we were taking our own property back again“ (Pope, 2000, S. 19) rechtfertigte dort Korruption auf akteursbezogene Weise.
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Moralische Kosten ergeben sich aus der Bindewirkung persönlicher ethischer, kultureller oder auch religiöser Standards, welche gegebenenfalls auch durch das Vorbild von Kolleg*innen oder der Führungsetage als der Peergroup des Individuums beeinflusst werden können (Klitgaard, 1988, S. 69).
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Transaktionskosten entstehen aus der genuinen Natur von Korruption, welche sich in ihrem illegitimen Charakter und der daraus resultierenden Notwendigkeit der Geheimhaltung des Austausches vor der Öffentlichkeit begründet (Della Porta & Vannucci, 2012, S. 18).
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Hierbei spielt etwa folgende Frage eine Rolle: „Halten die an der korrupten Handlung beteiligten Personen ihre Versprechen tatsächlich ein?“.
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Während Länder wie Italien oder Spanien auf eine strikte Schließungsstrategie setzten, ging Schweden zumindest teilweise einen Sonderweg und verhängte keinerlei landesweite Ausgangssperren oder Kontaktverbote.
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Beispielsweise die SOEP-CoV Sonderbefragung (Sozio-Oekonomisches Panel) im April und Mai 2020 zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie oder die Befragung des Instituts der deutschen Wirtschaft (DIW) ab August 2020. Eine ausführlichere Besprechung dieser Studien und ihrer Ergebnisse findet sich bei Beznoska et al., (2021, S. 18).
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Sarah Schmid (2019, S. 79–119) klassifiziert neben der Sicherheit auch die Rechtsstaatlichkeit und die Wohlfahrtsstaatlichkeit als Minimum staatlicher Kollektivguterbringung.
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Fütterer-Akili, S. (2022). Corona als Türöffner für Korruption? Eine theoretische Diskussion. In: Wolf, S., Graeff, P. (eds) Corona und Korruption. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-35664-4_2
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