Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag liefert eine grundsätzliche Diskussion zum begrifflichen Fundament von Korruption, Antikorruption sowie ihrer Kommunikation in Lehre, Unterricht und Weiterbildung. Er dient als theoretische Orientierung für die praktische Wissensvermittlung, indem er die Unschärfe des Sujets selbst sowie die sich daraus entfaltenden Wirkungszusammenhänge zwischen der Unmöglichkeit einer allgemeinen Definition und der Entwicklung von Antikorruption darlegt. Im Fokus stehen dabei Auswirkungen, welche sich aus dieser Varianz für die Wissensvermittlung korruptionsrelevanter Themen als konkrete Bekämpfungsstrategie ergeben. Diese finden sich in erster Linie im Desiderat der Passgenauigkeit: Ist das Profil der Antikorruption auf das Profil der Korruption abgestimmt, so existiert das Potenzial einer funktionalen Lösung korruptionsrelevanter Problematiken. Ist die Antikorruptionsstrategie der Wissensvermittlung in ihrem Ansatz, ihrer Intensität und ihrer Form auf Zielpublikum, Methoden sowie zu übermittelndem Inhalt ausgerichtet, besteht die Möglichkeit einer funktionalen Eindämmung von Korruption durch Instrumente der Bildung und Weiterbildung.
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Notes
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Vgl. dazu auch Susan Rose-Ackerman (2008, S. 551).
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Aus diesem Grund spiegelte sich das Ziel positioneller Handlungen nicht im Allgemeinwohl, sondern in der Erlangung eines individuellen Vorteils oder einer Verpflichtung zur Patronage gegenüber des eigenen Klientels des Amtsträgers (Leyendecker 2009, S. 5).
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Jens Ivo Engels entwickelt sechs Merkmale der Moderne: 1) Differenzierung, 2) Klare Kategorialbildung, 3) Aporien der Moderne, 4) Ausweitung medial vermittelter Öffentlichkeit und zunehmendes Partizipationsbegehren, 5) Bewusstsein von Historizität und Reflexion über den Stand der Moderne, 6) Formveränderungen von Verflechtungspraktiken (Engels 2010, S. 35 f.). Hier wurde lediglich auf die ersten beiden Kategorien genauer eingegangen, da diese das Fundament für die Moderne bilden.
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Diesen Zusammenhang verfolgt unter anderen Carl J. Friedrich, wenn er darauf hinweist, dass „das Ausmaß der Korruption [ab]nimmt […], je mehr die Machthaber von der Zustimmung der Bevölkerung abhängig sind“ (Friedrich 1973, S. 104).
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Diesen kontextabhängigen Ansatz der Korruption verfolgt neben Robert Klitgaard, der feststellt: „Some of the activities most praise in capitalist economies – private investment, trading and retrading, accumulating resources – may be called „corrupt“ in a communist system“ (Klitgaard 1988, S. 3) auch Susan Rose-Ackerman: „One person’s bribe is another person’s gift“ (Rose-Ackermann 1999, S. 5).
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Peter Graeff geht ebenfalls von genuin zwei Herangehensweisen aus: die Betrachtung der Mikroebene in Form von einzelnen Akteuren (Individuen) steht hierbei der Untersuchung der Makroebene gegenüber, welche gesamtgesellschaftliche Erscheinungsformen und Strukturen, wie Normen oder Gesetze in den Fokus rückt (Graeff 2010, S. 56). Und auch Simone Nagel unterscheidet zwischen einmaliger (situativer) und langfristiger (struktureller) Korruption (Nagel 2007, S. 34).
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Beispielsweise referiert Rob McCusker in seiner „Review of anti-corruption strategies“ (2006, S. 20) auf dieses Konzept. Neben Huberts haben auch andere Autoren einen solchen Versuch zur typologischen Einordnung der unterschiedlichen Antikorruptionsstrategien geleistet, beispielsweise Alberto Ades und Rafael Di Tella (1997, 1999) Susan Rose-Ackerman (2008) oder Donatella Della Porta und Alberto Vannucci (1999, 2012). Da im Folgenden aber der Fokus auf die Instrumente der Bildung und Weiterbildung gelegt werden soll, dieser Ansatz aber im Kontext anderer Versuche der Differenzierung keine Erwähnung findet, wird aufgrund seiner Beschäftigung mit dieser Strategie, in erster Linie der Ansatz von Huberts genutzt.
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Durch die Verbreitung korrupter Verhaltensweisen in der näheren Umgebung setzen Tendenzen der Rationalisierung ein, welche die illegitime Praktik aus persönlicher Sicht zu relativieren suchen.
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Die einzelnen didaktischen Methoden wurden aus Giesecke (1974, S. 41) entnommen.
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Fütterer, S. (2018). Korruption und Antikorruption in der Wissensvermittlung – Unschärfen und Abhängigkeiten. In: Wolf, S., Graeff, P. (eds) Korruptionsbekämpfung vermitteln. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-19016-3_3
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