Zusammenfassung
Während der Begriff „Bildung“ innerdisziplinär in den letzten beiden Jahrzehnten Karriere gemacht hat, gibt es für „Erziehung“ offensichtlich keinen vergleichbaren Innovationsschub zu vermelden. Die Paradigmenentwicklung, eingespurt in sensualistische und naturalistische Diskurslinien, scheint zu lahmen, forschungsinduzierte Zugänge konnten trotz einiger sehr aussichtsreicher Bestrebungen kaum in die Wege geleitet werden. Auch die Theorie und Empirie zur Werteerziehung steht unter diesen Vorzeichen. Von diesen Problemanzeigen ausgehend wird mit dem Beitrag das Anliegen verfolgt, Werteerziehung als Abbildung von Geltungsansprüchen auf die Zeit ‚neu‘, d. h. insbesondere jenseits der Differenz von ‚Einwirkung‘ und freier ‚Entwicklung‘ zu modellieren und mehrgenerational konzipiert auf der Basis einer familiengeschichtlichen Erzählung – als Paarinterview mit Großmutter und Enkelin erhoben – empirisch in den Blick zu bekommen. Die rekonstruktiv hergeleiteten, fallbezogenen Einsichten ermitteln über den zeitlichen Verlauf der Generationenfolge hinweg Transmissionen zum Äquivalenten, verdeutlichen aber auch die Grenzen dieser Deutung und enden mit Überlegungen, Werteerziehung figurationstheoretisch weiterzudenken.
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Fuchs, T. (2020). Von lahmender Paradigmenentwicklung, neuen Modellannahmen und fallbezogenen Einsichten der Werteerziehung. In: Nohl, AM. (eds) Rekonstruktive Erziehungsforschung. Rekonstruktive Bildungsforschung, vol 20. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-28126-7_2
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