Zusammenfassung
Im Kontext des sozialstaatlichen Strukturwandels und einer Krise der sozialen Reproduktion wird die Frage nach den Trägerinstanzen der sozialen Reproduktion und des gesellschaftlichen Zusammenhalts immer drängender. Während die Sorgekapazitäten der Familie abnehmen, sich der Sozialstaat auf die Rolle eines Governance-Managers zurückzieht und die fortschreitende Kommodifizierung von Sorgedienstleistungen nur begrenzt Integrationserfolge verspricht, widmet sich eine neue Generation von Sozialpolitiken der Suche nach einem dritten Weg zur Sicherung der sozialer Reproduktion nicht nur jenseits von Staat und Markt, sondern zunehmend auch jenseits der Familie. Im Zuge der Förderung freiwilligen sozialen Engagements und im Kontext einer doppelten Privatisierung von Sorgedienstleistungen vollzieht sich eine neue Doppelbewegung: Im Schatten von Staat und Markt entsteht ein staatlich gefördertes Regime gemeinwohldienlicher Schattenarbeit, in dem die Zivilgesellschaft für ihre reproduktiven Belange zunehmend selbst Sorge trägt.
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