Zusammenfassung
Allgemeinbildende Schulen sind zentral zur Herausbildung von Fähigkeiten, um staatsbürgerliche Rechte auszuüben. Bereits Marshall beschreibt, wie formale Schulbildung eine Voraussetzung ist, um politische, soziale und juristische Rechte wahrzunehmen (Marshall, Citizenship and Social Class. In J Manza, M Sauder (Hrsg), Inequality and Society, W W Norton und Company Incorporated, New York, 2009). Zugleich ist die Bildung zur gesellschaftlichen Teilhabe innerhalb der Schule in verschiedenen Schulgesetzen der Länder in Deutschland verankert. Die im Schulgesetz formulierten normativen Ansprüche zur Herausbildung der gesellschaftlichen Teilhabe werden in dem vorliegenden Beitrag anhand wahrgenommener staatsbürgerlicher Rechte von jungen Frauen, die verschiedene Schultypen in Berlin besuchen, gegenübergestellt. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass sich ihre Teilhabemöglichkeiten zum einen formal durch rechtliche Bedingungen definieren, zum anderen durch die Wahrnehmung überhaupt teilhaben zu dürfen, geprägt sind.
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Notes
- 1.
Zur Konzeption der Studie: Die Datengrundlage für die Arbeit bilden 10 Leitfadeninterviews, die mittels der Methode der Typenbildung nach Kelle und Kluge (2010) ausgewertet wurden. Der Kontakt zu den jungen Frauen wurde über einen interkulturellen Mädchenclub hergestellt. Acht der jungen Frauen zwischen 14 und 20 Jahren haben einen türkischen bzw. syrischen Migrationshintergrund. Die unterschiedliche Schulsituation der untersuchten jungen Frauen spiegelt sich im Besuch von Realschulklassen der integrierten Sekundarschulen sowie im Besuch von Gymnasien und Förderschulen wieder. Die verwendeten Namen der Interviewten in diesem Beitrag sind Pseudonyme.
- 2.
Der Übergang von der Schule in die berufliche Bildung wird als ‚erste Schwelle‘ bezeichnet. Die ‚zweite Schwelle‘ kennzeichnet den Übergang von der Berufsausbildung in die Erwerbstätigkeit (Palamidis und Schwarze 1989).
- 3.
Befindet sich eine Person im Status der Duldung, ist sie formal legal als Ausländer/-in in Deutschland, aber dennoch von einer möglichen Abschiebung betroffen (vgl. Duden Recht A-Z 2007).
- 4.
Während eines laufenden Asylverfahrens gelten räumliche Beschränkungen für den oder die Asylbeantragende bzw. -beantragenden (AsylVfG § 56, Abs. 1 bis 3, 23.06.2011).
- 5.
Zur Zeit der Interviews galt die Optionspflicht im strengeren Sinne, die besagte, dass Personen, die in Deutschland geboren wurden und deren Eltern beide keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen (ausgenommen die eines Mitgliedstaates der EU oder Schweiz), sich bis zum 23. Lebensjahr für die deutsche oder die andere Staatsbürgerschaft entscheiden müssen. Seit September 2014 ist diese Optionspflicht abgeschwächt worden und in Deutschland geborene Personen mit Eltern außereuropäischer Staatsbürgerschaft dürfen unter bestimmten Bedingungen beide Staatsbürgerschaften behalten (vgl. StAG § 29, 13.11.2014).
- 6.
Partiya Karkerên Kurdistanê; Arbeiterpartei Kurdistan.
- 7.
Selcan ist 20, besucht die 9. Klasse einer Realschule und ist mit ihren Eltern aus Syrien nach Deutschland migriert. Sie ist Kurdin und hat in Deutschland einen anerkannten Aufenthaltsstatus.
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Feld, I. (2019). Teilhabe versus Handlungsohnmacht. Die Bedeutung des Rechtsstatus für Schülerinnen im Übergangsalter. In: Grünendahl, S., Kewes, A., Ndahayo, E., Mouissi, J., Nieswandt, C. (eds) Staatsbürgerschaft im Spannungsfeld von Inklusion und Exklusion. Studien zur Migrations- und Integrationspolitik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-25534-3_12
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