Zusammenfassung
Gegenstand des Artikels sind subjektivierungstheoretische Implikationen einer neuerlichen Rekonstruktion der Sozial- und Gesellschaftstheorie Pierre Bourdieus, die insbesondere seine bislang verkannte implizite Affekttheorie beachtet. In sozialtheoretischer Hinsicht rückt dabei die eigentliche Fokussierung Bourdieus auf die Erzeugungsbedingungen sozialer Praxis als subjektivierter Praxis sowie, damit verbunden, die Vorstellung von Subjektivierung als verleibkörperlichter und damit besonders auch affektiv-wertender Strukturierung in den Fokus. Auf gesellschaftsanalytischer Ebene lässt sich so ein praktisch-affektiv-wertschätzender Selbst/Weltbezug als die legitime Subjektstruktur der (Spät-)Moderne und somit eine (spät-)moderne Selbstwertnorm rekonstruieren. Es wird dabei ersichtlich, dass (il-)legitime Subjektstrukturen und damit einhergehende Subjektformen einer doppelten sozialen Bedingtheit im Sinne ihrer kollektiven wie individuellen Historizität unterliegen. Dies wird abschließend in einer ersten Annäherung am Phänomen der psychischen Krankheit, konkret am Beispiel der Schizophrenie, veranschaulicht, womit auch die soziologische Beschäftigung mit dem Wahnsinn um die bislang übersehene Analysedimension der Praxis des Wahnsinns erweitert wird.
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