Zusammenfassung
Ins „Kaspertheater“, wie das populäre Wander-Marionetten- und Handpuppentheater nach der in jedem Stück vorkommenden Lustigen Person auf der Bühne genannt wurde, ging man im 19. Jahrhundert als kunst- und bildungsbewegter Bürger allenfalls in quasi feldforscherischer Absicht: auf der Suche nach der ‚Volkspoesie‘, dem ‚Volksgeist‘ – und wenn ein Faust gegeben wurde (den ausnahmslos jede Truppe mit sich führte). Die Romantiker indessen ließen sich bezaubern von der gänzlich anderen Welt der Fahrenden und ihrer Geschöpfe, den Marionetten an Fäden, dem Theatrum mundi, den Metamorphosen, „Fantochen“ (deutsch-französisch, vom italienischen Fantoccini für Püppchen), „Ombres chinoises“, oder wie immer das mechanische (Schatten-)Theater genannt wurde. Theatergeschichtsschreibung und Philologien kümmern sich nach wie vor kaum darum, übergingen und übergehen es; während eines Studiums der Germanistik oder Theaterwissenschaft fällt kaum ein Wort dazu; und das wenige, was historiographisch bislang geleistet wurde, gilt innerhalb der Literatur- und Kulturwissenschaften als gegenständlich minoritär und, weil quellenbasiert und empirisch ausgerichtet, als methodisch-methodologisch überholt (und wird auch deshalb in der Fachwelt kaum rezipiert; Bernstengel/Rebehn 2007; Moser/Rebehn/Scholz (Hrsgg.) 2006, Wegner (Hrsg.) 1989; auch Rebehn 1989, 2003, 2006, 2013/15, 2015, 2016; Müller-Kampel 2009, 2010, 2014a–c, 2016).
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Literatur
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Müller-Kampel, B., Rebehn, L. (2018). Marionettentheater im 19. und frühen 20. Jahrhundert. In: Hieber, L. (eds) Gesellschaftsepochen und ihre Kunstwelten. Kunst und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-18468-1_8
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