Zusammenfassung
Mit Blick auf die neueren Entwicklungen in der Ökonomik stellt sich die Frage, wie die Forderung nach einem Pluralismus legitimiert werden kann und welche Konturen für diesen Pluralismus in dieser Situation angemessen sind. In Bezugnahme auf die Komplexitätstheorie , dergemäß die Wissenschaft in der modernen Gesellschaft zu einem selbstständigen Subsystem geworden ist, wird dieser Frage nachgegangen. Es wird skizziert, wie die Ökonomik innerhalb dieses Subsystems einen eigenen Standard entwickelt hat. In diesem Standard wird eine sehr spezielle formal-mathematische Fundierung des ökonomietheoretischen Räsonierens einerseits zur Grundlage für dessen größere Konsistenz und andererseits für dessen Abgrenzung von den sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen gemacht. Entsprechend werden in diesem Beitrag nicht nur die feststellbaren Verdichtungen des neoklassischen Paradigmas fokussiert, sondern ebenso die innerhalb dieses Rahmens erfolgten Variationen herangezogen, um die Behauptungen einer neuerdings stattgefundenen Auflösung des ökonomietheoretischen Mainstreams zu evaluieren. Vor diesem Hintergrund wird anschließend begründet, warum in einer Situation der Paradigmadominanz, speziell die kompetitive Variante des Pluralismus ein angemessenes Postulat darstellt, um die wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung auf Dauer sicherzustellen. Ein kurzer Ausblick auf die Entwicklungsaussichten einer pluralistischen Ökonomik schließt die Betrachtung ab.
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Notes
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Dieser (faktische) Monismus als Wissenschaftspraxis ist von einem wissenschaftstheoretisch fundierten (normativen) Monismus zu unterscheiden, der auf einem Alleinerklärungsanspruch innerhalb eines Wissensgebietes beruht.
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Bernal sieht diese Absonderung wissenschaftlicher Aktivitäten nicht daran gebunden, dass die moderne Wissenschaft eine vorher nicht gegebene Eigenständigkeit erlangt. Dem steht in seiner Sicht ihre Unterordnung unter gesellschaftliche Machtgruppen entgegen (Bernal 1970, S. 37–40, 1180–1181).
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Wie aus der Eigenständigkeit wissenschaftlicher Aktivitäten sich deren Verselbstständigung in Form eines Dominantwerdens des Selbstbezugs entwickelt, kann hier nicht im Einzelnen wissenschaftshistorisch dargestellt werden.
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Die Annahme, dass derartige Kosten und Erträge von Wissenschaftler*innen bewusst oder unbewusst kalkuliert werden, schließt nicht aus, dass diese Kalküle für die Mitglieder einer gegebenen Forschendenpopulation unterschiedlich ausgeprägt sein können.
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Die von Simon herangezogenen Beispiele setzen ein vorgegebenes, geplantes Systemdesign voraus (Simon 1996, S. 198–199).
- 8.
Die Möglichkeit, diese Erklärungslücke durch die Einbeziehung seines Konzepts der „hierarchy“ bzw. der „nested systems“ (Simon 1996, S. 183–188) ansatzweise zu schließen, hat Simon nicht genutzt.
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Luhmann hat unter Verwendung dieses konzeptionellen Rahmens auch eine ausführliche Analyse des Subsystems Wissenschaft vorgelegt (vgl. Luhmann 1992).
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Eine derartige konfliktgetriebene subsystemische Koevolution zwischen den Subsystemen Wirtschaft und Politik lässt sich in Bezug auf die Elemente Arbeit, Geld und Umwelt (Boden) feststellen. Die schon von K. Polanyi (1978, S. 102–112, 332–333) diagnostizierte Unmöglichkeit, diese Elemente im Wirtschaftssystem als Waren zu generieren, kann als Grundlage dafür angesehen werden, dass (teilweise entgegengesetzt zu Polanyis Prognose) Kommodifizierung und Regulierung bei der Bereitstellung dieser Elemente unterschiedlich kombiniert wurden und damit die Abgrenzung zwischen den genannten Subsystemen nur in historisch wechselvoller Weise vorgenommen werden kann.
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Diese Begründung einer überwiegend selbst organisierten Wissenschaft aus den in modernen Gesellschaften entstehenden Anforderungen zur Komplexitätsbewältigung ist strikt zu unterscheiden von einem normativ inspirierten Design für die Wissenschaft, das als Analogie zur Funktionsweise von Märkten verstanden wird und den Glauben an effiziente Märkte als Glauben an eine effiziente Wissenschaft dupliziert (vgl. M. Polanyi 1962; zur Kritik siehe Mirowski 2004, S. 51–71; Wilholt 2012, S. 86–87).
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Ein Paradebeispiel für diese Vorstellung ist die vulgärmarxistische Behauptung einer tendenziellen Unterwerfung der Wissenschaft unter ‚das Kapital‘ (vgl. Münch 2011), die Wirtschaft oder ‚die herrschende Klasse‘ (Bernal 1970, S. 947–949). Dies geht nicht nur an den differenzierteren Überlegungen von Marx selbst vorbei (vgl. Marx 1983, passim), sondern verkennt auch die Spezifik des modernen Subsystems der Wissenschaft.
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Diese Sichtweise steht im krassen Gegensatz zu der in der theoriegeschichtlichen Literatur oft kolportierten Behauptung, es habe gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine neoklassische Revolution (und damit eine entsprechende Paradigmenbildung) im Kuhnschen Sinne gegeben (Howey 1989, S. 210–218).
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Im deutschsprachigen Raum sei hier exemplarisch auf die zahlreichen Beiträge von Max Weber und Werner Sombart verwiesen.
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In diesem Prozess haben mit anderen Subsystemen verbundene Institutionen wie die Rockefeller Stiftung, die Cowles Commission sowie die RAND Corporation eine wichtige Anschubrolle gespielt (vgl. Mirowski 2002).
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Die Inspirationsquelle für diesen mathematischen Konstruktivismus war die Bourbaki-Schule der Mathematik, die einer strikten axiomatischen Logik folgte (Mirowski 2002, S. 390–394).
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Vor allem die mit der mathematischen Grundkonstruktion verbundenen Theoreme (z. B. die Fixpunkt-Theoreme).
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Insofern sind auch Versuche der Modellierung der Kuhnschen Wissenschaftsdynamik nur eingeschränkt für die Erklärung der Entwicklung in der Nachkriegsökonomik tauglich (vgl. Sterman und Wittenberg 1999).
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Die folgenden Überlegungen in diesem Abschnitt greifen auf Ausarbeitungen des Verfassers im Rahmen des Projekts ‚Zur Pluralität der volkswirtschaftlichen Lehre in Deutschland‘ zurück (vgl. Beckenbach et al. 2016).
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Diese Stilisierung der Handlungsräume dient der Sicherstellung einer allgemeinen formal-mathematischen Lösbarkeit. Damit geht paradoxerweise eine Entspezifizierung des dargestellten Problems einher. Der Trade-off zwischen Generalisierung und Spezifikation einer Problemstellung wird hier zugunsten der Ersteren aufgelöst. Dies markiert eine essenzielle Differenz zur Komplexitätsökonomik (vgl. Foley 2000).
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Dazu dient vor allem die Annahme der rationalen, durch ein richtiges Modell der Wirtschaft geleiteten, Erwartungen.
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Vor allem durch die die Heterogenität der Akteure ausblendende Annahme von repräsentativen Individuen.
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Dieses Grundkonzept wurde ursprünglich mithilfe von mathematischen Funktionen modelliert. Diese Variante dominiert bis dato die Lehrbücher. In der Forschung haben die Schwierigkeiten dieser Modellierung zu einer mengentheoretischen Reformulierung geführt (Mandler 1999, S. 3–15).
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Dieses Tableau kann als ‚disziplinäre Matrix‘ verstanden werden, die Kuhn als Konkretisierung seines Paradigmenbegriffs vorgeschlagen hat (vgl. Kuhn 1977). In ihr sollen symbolische Generalisierungen (z. B. Formalia), Modelle und konkrete Problemlösungen verbunden werden. Dabei sind jeweils nur die typischen Kombinationen aus Rationalitätstyp und Anwendungsgebiet aufgeführt. Daher gibt es in manchen Tabellenfeldern keine Einträge.
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Neben den hier skizzierten Differenzierungen werden als Beleg für diese These noch die Evolutions- und die Komplexitätsökonomik herangezogen. Dies ist nicht nur deswegen schwer nachzuvollziehen, weil deren Zitationshäufigkeiten weit unter den Zitationshäufigkeiten für die Standardtheorie liegen. Es bleibt auch schleierhaft, wie eine sinnvolle Brücke zwischen den in diesen Ansätzen favorisierten starken Einschränkungen der Rationalität und den Rationalitätskonzepten in Tab. 1 hergestellt werden könnte.
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Hier sei auf die diesbezüglichen Ansätze einer komplexitätstheoretisch aufgeklärten modernen Institutionenökonomik verwiesen.
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Derartige rekursive Erklärungsmuster lassen sich vor allem mit der agentenbasierten Modellierung verbinden.
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Diese Referenzgröße bleibt in allen Rationalitätsvarianten der Standardökonomik erhalten (siehe Tab. 1).
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Sowohl die neuere Diskussion von ‚fast and frugal heuristics‘ als auch die ältere Verhaltensökonomik bilden diese Erweiterungen ab.
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Entsprechende Erkenntnisse lassen sich aus der älteren und neueren verhaltensökonomischen Forschung ableiten.
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Diese Eigenschaften spielen in der neueren Komplexitätsökonomik eine große Rolle.
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Entsprechende Überlegungen finden sich in der modernen postkeynesianischen Akkumulations- und Wachstumstheorie.
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Weitere Gründe für den Pluralismus bzw. die Entwicklung einer Heterodoxie in der Ökonomik auch unabhängig von dieser speziellen Situation sollen hier nicht diskutiert werden. Dies würde eine grundlegende Verständigung über den Modus der sozialwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung erfordern.
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Beckenbach, F. (2019). Paradigmadominanz in der modernen Ökonomik und die Notwendigkeit eines kompetitiven Pluralismus. In: Petersen, D., et al. Perspektiven einer pluralen Ökonomik. Wirtschaft + Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16145-3_1
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