Zusammenfassung
Das Ziel der vorliegenden Studie besteht darin, innerhalb des Bezugsrahmens der analytischen Soziologie und ausgehend von einem Rational Choice-Ansatz Entscheidungen für kriminelles Handeln als einen zweistufigen Prozess zu konzeptualisieren und diesen anhand eines Discrete Choice Models (Hensher et al. 2005) konsequent statistisch zu modellieren. Für die empirische Analyse werden Daten einer postalischen Befragung (n = 2383) mit disproportional geschichteter Zufallsstichprobe von Bewohnern einer ostdeutschen Großstadt herangezogen. Gelegenheiten zu Fundunterschlagungen werden über Vignetten operationalisiert. Die Datenanalyse erfolgt mittels eines sequenziellen Logit-Modells, das erlaubt, beide Stufen des Entscheidungsprozesses simultan abzubilden und zu analysieren (Buis 2011, 2017). Die Ergebnisse der Studie werden unter methodologischen, theoretischen und statistischen Gesichtspunkten interpretiert und mit Blick auf das Potenzial des gewählten Vorgehens für weitere Studien diskutiert.
Wir verwenden im gesamten Beitrag das generische Maskulinum und sprechen damit alle Geschlechter an.
Die Erstautorenschaft ist geteilt, da beide Autoren zu gleichen Teilen zu dieser Studie beigetragen haben.
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Notes
- 1.
Alternativ wäre die Spezifikation eines sequenziellen Probit-Modells möglich. Dessen Anwendungsdichte ist allerdings deutlich niedriger als jene des sequenziellen Logit-Modells.
- 2.
Die Thematik wurde auch von Steffen Kühnel, gemeinsam mit Hans-Jürgen Andreß und Jacques A. Hagenaars, im Rahmen des Vortrags „Can we compare logistic regression coefficients? Time for an interim balance“ auf der Frühjahrstagung der DGS-Methodensektion 2016 in Duisburg aufgegriffen.
- 3.
Da das Design keine Messwiederholung vorsieht, ist jeder Befragte mit genau einer über die spezifischen Stufen der Faktoren definierten Situation konfrontiert. Aus diesem Grund werden die an sich situationsbezogenen Faktoren ebenfalls mit dem individuenbezogenen Subskript \( i \) versehen.
- 4.
Weitere Informationen über die unabhängigen Variablen werden von den Autoren auf Nachfrage gerne zur Verfügung gestellt.
- 5.
Die Festlegung des Werts von \( \tau \) lässt sich wahrscheinlichkeitstheoretisch legitimieren, da bei einer Einschätzung von unter 50 % die Entscheidung für eine Fundunterschlagung unwahrscheinlicher ist als gegen eine Fundunterschlagung und umgekehrt.
- 6.
Obwohl im gegebenen Fall keine unabhängigen Stichproben, sondern vielmehr \( n_{P = 1} \subseteq n \) vorliegt, erscheint die Anwendung des Tests gerechtfertigt, da es sich (i) um keine genesteten Modelle handelt und (ii) statistische Unabhängigkeit zwischen den Wahrscheinlichkeiten auf beiden Stufen angenommen wird (siehe Gl. (4)).
- 7.
Die Schätzer der Modellparameter werden im Anhang in Tab. A1 ausgewiesen.
- 8.
Die Schätzer der Effektparameter auf Stufe zwei sind mit systematisch höherer Unsicherheit behaftet als jene auf der ersten Stufe, da lediglich die Information jener Individuen eingeht, für die \( c \in \Omega \) gilt. Aus diesem Grund wird auf Stufe der Handlungswahl eine etwas tolerantere Interpretation der Schätzergebnisse vorgenommen.
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Anhang
Anhang
1.1 Anhang 1: Ergebnisse der Modellschätzung
1.2 Anhang 2: Marginale Effekte im Logit-Modell
Der marginale Effekt (\( ME \)) einer kontinuierlichen Kovariate \( X_{k} \) ergibt sich aus der Ableitung erster Ordnung der Erwartungswertfunktion nach \( X \) und variiert aufgrund der Nichtlinearität dieser Funktion in Abhängigkeit vom konkreten Wert von \( X_{k} = x \) sowie den Werten der weiteren in das Modell integrierten Kovariaten \( {\mathbf{X}}_{\_\left[ k \right]} \):
Für eine kategoriale 0/1-codierte Kovariate \( X_{k} \) entspricht der \( ME \) der Differenz der Erwartungswerte unter den Konditionen \( X_{k} = 0 \) und \( X_{k} = 1 \):
Der durchschnittliche marginale Effekt (\( AME \)) repräsentiert schließlich als Maßzahl der verdichteten Effektstärkeinformation den Mittelwert der \( ME \)s über die \( i = 1, \ldots ,n \) Fälle:
Weiterführende Informationen zu marginalen Effekten in GLMs sowie die Schätzung der Standardfehler auf Grundlage der Delta-Methode sei auf Bartus (2005) und Dowd et al. (2014) verwiesen.
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Eifler, S., Leitgöb, H. (2020). Ein zweistufiges Modell zur Erklärung sozialen Handelns – Methodologische Grundlagen, statistische Modellierung und Anwendung auf kriminelles Handeln. In: Mays, A., et al. Grundlagen - Methoden - Anwendungen in den Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-15629-9_7
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