Zusammenfassung
Dieser Beitrag formuliert Ansatzpunkte für eine soziologische Theorie der Unterstützung. Das schließt Assistenz und Hilfe als spezielle Strukturformen von Unterstützung mit ein und ignoriert die Trennung zwischen „technischer“ und „sozialer“ Unterstützung, weil sich entsprechende Prozesse ausnahmslos als soziomaterielle Arrangements realisieren. Die einfache, aber folgenreiche strukturelle These lautet, dass Unterstützung sich immer von einer Aktivität unterscheidet, zu der sie sich dadurch in Beziehung setzt. Unterstützung bezieht sich also nicht auf „den“ Menschen als Kompaktwesen, sondern auf spezifische Aktivitäten in soziotechnischen Netzwerken. In entsprechenden Situationen beteiligte Beobachter versuchen, diese Relation von Aktivität und Unterstützung in drei Dimensionen zu kontrollieren: durch zeitliche Synchronisierung/Desynchronisierung, durch integrierte/komplementäre Formen der Kopplung und durch Zuschreibungen der Kontrollhoheit auf unterschiedliche Identitäten.
Für wichtige Anregungen und Hinweise danke ich Daniel Kerpen, Jacqueline Lemm, Robert Weidner und den beiden Herausgebern.
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Notes
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„Soziomateriell“ betrifft Materialität generell, während „soziotechnisch“ mit einer bestimmten Absicht gestaltete Materialität bezeichnet. Beide Ausdrücke (ebenso wie beispielsweise „soziokulturell“) sind nur Signalworte dafür, dass es bislang üblich war, hier jeweils zwei Domänen zu unterscheiden und dass es nun darum geht, sie konzeptionell zusammenzubringen. Eigentlich sind es jedoch nur Verlegenheitsbegriffe. Das Soziale ist immer auch materiell, artifiziell/technisch und kulturell. Es gibt empirisch keine getrennten Bereiche, die nun verknüpft werden (müssen), sondern nur stets soziale Beobachter, die es aus kulturellen, technischen oder materiellen Gründen so halten.
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Darauf verweisen bereits Shumaker und Brownell (1984, S. 13) in aller Deutlichkeit mit Bezug auf zwischenmenschliche Unterstützung.
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Dieser Punkt wird bisweilen noch dadurch ergänzt, dass ein solcher Tausch nicht mit einer marktüblichen Gegenleistung verbunden ist (Jungbauer-Gans 2002, S. 117). Entscheidend ist hier die „Marktüblichkeit“, denn ganz ohne die Beobachtung irgendeiner Gegenleistung wäre es sinnlos von Tausch zu sprechen. Es gibt außerdem keinen Grund, geschäftsmäßige und vertraglich vereinbarte Dienst- oder Sachleistungen als Unterstützungsformen von Beginn an auszuschließen. Nur dann ist es überhaupt möglich, verschiedene Motive und Inhalte der Unterstützung angemessen zu berücksichtigen.
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Man könnte hier als weitere Komponente das Netzwerk nennen, denn Tauschtheorien verfügen nicht über einen elaborierten Begriff des Netzwerks. Doch selbst die Netzwerkanalysen haben nicht Unterstützung selbst untersucht, sondern die Auswirkungen von Netzwerkstrukturen auf das Niveau der Unterstützung und die verwendeten Ressourcen – also Netzwerk als Kontext der Unterstützung und nicht: der operative Prozess der Unterstützung als (soziomaterielles) Netzwerk.
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Dieses Feld ist eine wichtige empirische Grundlage, die die Theorieentwicklung begleitet. Im Rahmen der Bedarfsermittlung für ein Projekt zur Entwicklung von am Körper tragbaren technischen Systemen zur manuellen Lasthandhabung in der Pflege und industriellen Produktion (smartASSIST) wurden und werden insbesondere ethnografische Feldstudien in verschiedenen Altenheimen durchgeführt. Die Auswertung/Interpretation erster Ergebnisse dieser gerade laufenden Studien ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen.
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Ein Überblick über diskutierte Typen der Unterstützung findet sich bei Herz (2012, S. 65 ff.).
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Die Vermengung dieser drei Kontexte führt dann zu neuen Möglichkeiten der Kontrolle und des Handelns, also zu dem, was Harrison White (1992, S. 230 ff.) „getting action“ beziehungsweise „fresh control“ nennt. Gerade die Unterscheidung zwischen emotional und instrumentell spielt für die Bewertung der Unterstützungsbeziehung und entsprechende Kontrollversuche eine wichtige Rolle und muss daher beachtet werden. Sie betrifft aber nicht unmittelbar die soziale Form der Unterstützung, um deren Bestimmung es hier geht.
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Es ist kein Zufall, dass hier nur Publikationen aus ingenieurwissenschaftlichen Kontexten auftauchen. Der Band von Weidner, Redlich und Wulfsberg bricht diese Konzentration auf Technikwissenschaften allerdings auf, indem zu Beginn ausführlich verschiedene philosophische, rechtliche und sozialwissenschaftliche Perspektiven auf technische Unterstützung vorgestellt werden. Siehe für eine der seltenen soziologischen Auseinandersetzungen mit den Fragen technischer Assistenz Selke und Biniok (2015).
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Zusammen mit der Automatisierung von verfahrenstechnischen Abläufen (sowohl in der Administration als auch in der Produktion) gehören solche decision support systems (DSS) zu den frühesten Formen des Einsatzes von Computertechnik in Organisationen. Erste Entwicklungen gab es bereits Ende der 1950er Jahre. Während Automatisierung nie als Unterstützung, sondern vielmehr als „perfekte Substitution der menschlichen Arbeitskraft“ (Schachtschabel 1961, S. 15) verstanden wurde, galten Entscheidungen offensichtlich als etwas, das letztlich nur Menschen vorbehalten ist – auch aufgrund des Problems der Verantwortlichkeit. DSS sollen die Urteilskraft des Managements deshalb nicht ersetzen, sondern sie ausschließlich unterstützen (Keen und Scott-Morton 1978, S. 1), und zwar insbesondere durch Bereitstellung relevanter Information, die Vorhersage von Konsequenzen und Vorschläge für Alternativen. DSS sind letztlich der Ausgangspunkt der heute zahlreich im Einsatz befindlichen Expertensysteme. Für den hier präsentierten Gedanken ist entscheidend, dass mit der damals formulierten Idee der Unterstützung eine neuartige semantische und strukturelle Rahmung der Beziehung von Mensch und Technik und damit auch eine anders gerichtete Motivation für Technikentwicklung entstanden sind.
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Siehe für weitere konkrete Anwendungsbeispiele Weidner et al. (2015, S. 185 ff.).
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Genauer gesagt wird gar nicht erst darauf geschaut, welchen Unterschied das macht. Das gleiche gilt auch für die Soziologie, die Hilfe, Assistenz und Unterstützung im Prinzip immer synonym behandelt hat. Eine Diskussion der Relevanz ihrer operationalen Differenzen und ihrer Beziehung steht noch aus.
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Siehe exemplarisch die Ausgabe 1/2014 des IFFokus vom Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF, in der sowohl der ingenieurswissenschaftliche Stand der Dinge als auch die entsprechenden Motive und die verschiedenen Einsatzbereiche dargestellt werden.
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Unterscheiden ist die operative Bedingung der Möglichkeit für Assoziationen aller Art. Es ist unumgänglich, die zu assoziierenden Dinge zu unterscheiden, weil es sonst keinen Anlass und keine Möglichkeit gäbe, sie zu assoziieren. Siehe Karafillidis (2015) für eine ausführliche Herleitung und Erläuterung.
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Siehe dazu auch die Überlegungen in Karafillidis und Weidner (2015).
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Karafillidis, A. (2017). Synchronisierung, Kopplung und Kontrolle in Netzwerken. Zur sozialen Form von Unterstützung und Assistenz. In: Biniok, P., Lettkemann, E. (eds) Assistive Gesellschaft. Öffentliche Wissenschaft und gesellschaftlicher Wandel. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13720-5_2
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