Zusammenfassung
Karl Friedrich Bohler und Tobias Franzheld legen Befunde aus einem sich der Kinder- und Jugendhilfe widmenden Teilprojekt des Sonderforschungsbereichs 580 zu Langzeitfolgen des Gesellschaftswandels in Ostdeutschland und anderen ehemals sozialistischen Gesellschaften nach 1989/1990 dar. Anhand zweier kontrastierender Beispiele aus dem Feld des Kindesschutzes zeigen die Autoren auf, welcher beruflichen Orientierung die beteiligten Fachkräfte folgen, welche Haltung ihren jeweiligen Handlungen zugrunde liegt und inwiefern beides den Fallverlauf maßgeblich prägt. Die Beispiele verweisen auf große Unterschiede hinsichtlich der Übernahme von Verantwortung, des (notwendigen) Einsatzes von sozialpädagogischer Diagnostik, sowie in Bezug auf die Positionierung gegenüber anderen beteiligten Akteuren in einem durch verschiedene professionelle und institutionelle Zuständigkeiten geprägten Feld.
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Notes
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Es handelt sich um Teilprojekt C3, das wir in der für den SFB 580 bewilligten Zeit von 2001 bis 2012 an der Universität Jena durchführten. Unter der Leitung von Prof. Dr. Bruno Hildenbrand arbeiten in der letzten Phase der Untersuchung Karl Friedrich Bohler, Anna Engelstädter und Tobias Franzheld mit.
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§ 8a SGB VIII (Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung) besagt: Das Jugendamt, werden ihm gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, hat das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte abzuschätzen. Die Erziehungsberechtigten sollen miteinbezogen und, wenn nötig, adäquate Hilfeangebote gemacht werden. Die Fachkräfte freier Träger der Jugendhilfe haben den Schutzauftrag in entsprechender Weise wahrzunehmen. Besteht eine dringende Gefahr, ist das Kind in Obhut zu nehmen. Sind die Eltern nicht zur Mitwirkung bereit, ist das Familiengericht anzurufen. Zur Abwendung der Gefährdung hat das Jugendamt auch andere zuständige Stellen, insbesondere Einrichtungen der Gesundheitshilfe oder der Polizei einzuschalten.
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„Zugespitzt formuliert, gestattet die frühe Anrufbarkeit des Gerichts den Verzicht auf sozialpädagogisch argumentierende Deutungen einer Kindeswohlgefährdung gegenüber den Familienmitgliedern und ermöglicht es, die interpersonale Aushandlungsperspektive auf ein Minimum zu reduzieren, die pädagogisch-analytische Reflexion abzukürzen und letztendlich fast gänzlich aufzugeben“ (Retkowski et al. 2011, S. 501).
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Bohler, K., Franzheld, T. (2015). Problematische Professionalität der Sozialen Arbeit im Kinderschutz. In: Becker Lenz, R., Busse, S., Ehlert, G., Müller-Hermann, S. (eds) Bedrohte Professionalität. Edition Professions- und Professionalisierungsforschung, vol 3. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-00352-4_9
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