Zusammenfassung
Die Einführung der Psychologie in die Medizin hat ein wechselhaftes Schicksal gehabt, und der Hypnotismus ist ein anschauliches Beispiel dafür. Wie das Zitat des Paracelsus zeigt, hat die Medizin schon immer die Kräfte der Autosuggestion gekannt. Aber im 18. und 19. Jahrhundert fand Wissenschaftlichkeit ihren Ausdruck in physiologischen Betrachtungsweisen. Und so war es konsequent, daß in der Kommission der Académie des Sciences und der Societé Royale de Médecine, die zur Untersuchung von Mesmers Thesen zum Hypnotismus eingesetzt wurde, Naturwissenschaftler wie der Chemiker Lavoisier oder der Erfinder Franklin mitwirkten. Auch Mesmer vertrat nach außen eine bewußt reduktionistische Position. Er wollte einen physikalischen Vorgang als Grundlage der Hypnose beweisen, nämlich einen Magnetismus, den er zunächst mit dem metallischen Magnetismus gleichsetzte, ihn aber später als »animalisch« davon unterschied. Er entlarvte die exorzistischen Kuren des Pfarrers Johann Gaßner als nichtspirituell und ohne Gottes Hilfe mőglich und interessierte sich auch nicht für den Hinweis seines Schülers Marquis de Puységur, der verbale Rapport zum Somnambulen spiele für die Hypnose eine Rolle. Zur Feststellung seiner physikalischen Theorie des Hypnotismus schlug Mesmer der Kommission folgendes experimentelle Design vor: 14 Patienten, die nach seiner Methode behandelt wurden, sollten mit 14 Kontrollpersonen verglichen werden, denen die gängige medizinische Kur zuteil wurde. Die Kommission lehnte diesen Vorschlag jedoch ab und entschied sich, Patienten seines Schülers Deslon zu beobachten. Schließlich kam sie 1784 zu der Erkenntnis, daß die Einbildung auch ohne Magnetismus hysterische »Heilkrämpfe« auslősen kőnne (Chertok 1980). Trotz seiner reduktionistischen Grundhaltung hat Mesmer der Einbildung unbewußt jedoch den ihr gebührenden Platz eingeräumt. So legte er großen Wert auf die Gestaltung der Atmosphäre, in der seine hypnotischen Sitzungen stattfanden. Der Überlieferung zufolge trug er dabei einen violetten Seidentalar und ließ Musik erklingen. Es ist eigenartig, in der Person Mesmers dieselbe Spaltung zwischen rationalem und irrationalem Zugang zum Phänomen der Hypnose vorzufinden, die sich um ihn herum wiederholt. Diese Spaltung der Betrachtungsweise blieb auch im folgenden Jahrhundert erhalten. Charcot verteidigte die physiologische Position energisch gegen Bernheim, der der Suggestion die entscheidende Rolle zusprach (etwa auf dem ersten Kongreß über Hypnotismus 1889). Liébeault rang sich zu einer dualistischen Position durch, als er feststellte, daß »magnetisiertes« Wasser wirksam war, aber vorgeblich magnetisiertes Wasser (Placebo) nicht minder (Chertok 1980). Das erinnert an die zahlreichen Placebotechniken zur Warzenbehandlung (s. Kap. 16).
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Empfohlene Literatur
Certok L (1980) Hypnose. Kindler, München
Wester WC, Smith AH (1984) Clinical hypnosis. A multidisciplinary approach. Lippincott, Philadelphia
Peter B, Krraiker Chr, Revenstorf D (1990) Hypnose und Verhaltenstherapie. Huber, Bern
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Revenstorf, D. (1990). Einleitung. In: Revenstorf, D. (eds) Klinische Hypnose. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-97222-5_1
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