Zusammenfassung
Die Überlieferung berichtet von einer geheimen Rechtskunde des Kollegiums der pontifices. Ihnen oblag die Bewahrung und Auslegung sakralrechtlicher Normen, die nach römischer Anschauung den Verkehr des Menschen und namentlich des menschlichen Gemeinwesens mit der Gottheit, etwa bei einem Gelübde (votum), in peinlicher Genauigkeit regelten. Wenn die gleiche Behörde noch in einer Zeit, in der das Sakralrecht bereits zu einer gesonderten Disziplin entwickelt war2), auch das weltliche Recht durch ihre Kenntnis und Auslegungstätigkeit beherrschte, so erklärt sich diese Tatsache aus den mannigfachen Zusammenhängen, die auch damals noch zwischen der Sphäre des Magisch-Religiösen und der Rechtsordnung bestanden, und das nicht nur insofern, als sakralrechtliche Tatbestände an zahlreichen Punkten in das weltliche Recht hineinragten3). Der für das altrömische Recht charakteristische Formalismus der Rechtsgeschäfte sowie der RechtsVerfolgung beruhte in seiner Gesamtheit auf Vorstellungen, die der religiösen Magie urverwandt waren. Wie Gebet und Opfer konnte auch die feierliche Rede und Widerrede im Rechtsverkehr nur dann wirksam sein, wenn der Sprecher die rechten Worte fand und die rechten Handlungen dazu vornahm. Kenner aller dieser Formulare (carmina), auch der privatrechtlichen, waren eben die pontifices. An sie wandte sich darum auch der Privatmann in seinen Rechtsangelegenheiten mit der Bitte um ein Gutachten (responsum), sei es, um vor einem Akt über die rechte Form belehrt zu werden, sei es, um nach einem Akt dessen Gültigkeit und Inhalt überprüfen zu lassen.
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© 1987 Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1935, 1949
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Honsell, H., Mayer-Maly, T., Selb, W. (1987). Rechtswissenschaft und Rechtsfortbildung. In: Honsell, H., Mayer-Maly, T., Selb, W. (eds) Römisches Recht. Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-61576-4_2
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