Auszug
Die Rezeption von Medien und Medienangeboten, von fiktionalen Geschichten und Unterhaltungssendungen ebenso wie von Nachrichten und Informationssendungen ist getragen von Stimmungen und Gefühlen. Emotionen spielen in der menschlichen Wahrnehmung generell eine entscheidende Rolle. Ob wir in einer Situation Vorsicht walten lassen sollten oder ob uns soeben etwas Unerwartetes widerfährt, das uns Angst bereitet, sagt uns untrüglich unser ‚Gefühl‘. Dieses ist zwar nicht in jeder Situation auch ein guter Ratgeber, aber Emotionen gehören zur anthropologischen Grundausstattung des Menschen und sind sowohl phylo- als auch ontogenetisch vermittelt. Auf individueller Ebene geht es um die Verbindung von Wahrnehmungs- mit Verhaltensmustern mit auslösenden Motivationen. In evolutionsbiologischer Hinsicht lassen sich fünf Basisemotionen mit ihnen entsprechenden Verhaltensweisen anführen: Angst, Trauer, Wut, Ekel und Freude. Die kulturelle Form dieser Verhaltensweisen hingegen variiert und Emotionen sind in Kulturen deutlich unterschiedlich konnotiert. Trauer wird kollektiv, z.B. in der Gruppe erlebt oder abgeschieden vom Clan verarbeitet. Angst wird mit bestimmten Ritualen bewältigt oder ist in bestimmten Initiationsriten mit einem Tabu belegt. In westlichen Gesellschaften gehört es als eine Folge von Informalisierungsprozessen dazu, Emotionen je nach beruflichem Umfeld derart kontrollieren zu können, dass je nach Situation erst gar keine Emotionen gezeigt werden. Dieses, von Goffman (1971) als ‚dramaturgische Disziplin‘ bezeichnete Verhalten ist zivilisationstheoretisch von Elias umfassend aus der Entwicklung und Abfolge von Fremd- und Selbstzwängen hergeleitet worden. Nach Elias (1969) haben die „Menschen als Gesellschaften in ihrem Umgang mit der Natur von ihrem Ausgangspunkt, den primären, naiv-egoistischen und stärker affektgeladenen Denk- und Verhaltensformen [...] einen langen Weg zurückgelegt, den jeder Mensch als Individuum, abgekürzt, beim Heranwachsenden immer wieder zurücklegen muß“ (Elias 1987: 17).
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Göttlich, U. (2008). Emotionalisierung durch Medien. In: Sander, U., von Gross, F., Hugger, KU. (eds) Handbuch Medienpädagogik. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91158-8_68
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