Auszug
Hartmut Essers Ansatz einer erklärenden Soziologie nimmt innerhalb der gegenwärtigen Theoriediskussion eine außergewöhnliche Position ein. Bemerkenswert ist bereits der Umfang seiner Arbeiten. Nicht nur hierzulande dürfte man wenig Vergleichbares finden, das es mit seinen insgesamt sieben Bänden über die allgemeinen und speziellen Grundlagen der Soziologie aufnehmen könnte. Flankiert werden die ‚Grundlagenschriften’ von einer Vielzahl weiterer Monographien sowie Buch- und Zeitschriftenaufsätzen. Auffallend ist ferner die methodologische Geschlossenheit des Ansatzes. Sei es das Phänomen zunehmender Scheidungsraten, sei es das Problem der Unwirksamkeit umweltmoralischer Appelle oder sei es die Frage, warum es in den Vereinigten Staaten keine starke sozialistische Partei gegeben hat bzw. gibt, stets kommt bei der Bearbeitung der verschiedenen Problemstellungen das gleiche Erklärungsinstrumentarium zur Anwendung. Je nach den Besonderheiten des Explanandums wird das zunächst recht einfache Erklärungsmodell, entsprechend dem Prinzip der zunehmenden Abstraktion, mit Komplexität zwar angereichert, jedoch nicht grundlegend modifiziert oder gar durch ein alternatives Modell ersetzt. Doch weder Umfang noch Geschlossenheit allein machen verständlich, weshalb dem Konzept der erklärenden Soziologie praktisch eine Ausnahmestellung zukommt. Diese liegt vielmehr in der deklarierten Absicht des Theorieunternehmens begründet. Esser erhebt, kurz gesagt, für seinen Ansatz weitreichende Universalitäts-, Hegemonie- und Integrationsansprüche.
Ich danke Rainer Greshoff für eine Vielzahl von Anregungen und konstruktiven Hinweisen.
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© 2006 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Kneer, G. (2006). Zur Integration des Systembegriffs in Hartmut Essers erklärender Soziologie. In: Greshoff, R., Schimank, U. (eds) Integrative Sozialtheorie? Esser — Luhmann — Weber. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90259-3_9
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