Auszug
Die Welt der kleinsten Teilchen wird physikalisch durch ein Standardmodell beschrieben. Dieses physikalische Konzept unserer materiellen Welt wird zunächst aus der Sicht der Teilchenphysik vorgestellt. In diesem Modell scheint Geschlecht keine Rolle zu spielen. Um Geschlechterverhältnisse sichtbar werden zu lassen, wechseln wir daher zu einer transdisziplinären1 Perspektive und betrachten zunächst drei Beispiele, die sich auf der Ebene der Menschen in der Teilchenphysik mit Diskriminierungen im Arbeitsalltag, dem männlichen Erbe der Physik und der an männlichen Tugenden orientierten Fachsozialisation beschäftigen. Diese Aspekte betreffen die Analyseebene women in science. In drei weiteren Beispielen betrachten wir auf der Ebene GENDER IN SCIENCE, wie gesellschaftliche Geschlechterverhältnisse in die Entwicklung von Forschungsfragen, die Ausformulierung von Theorien und die Bezeichnung der physikalischen Werkzeuge und Untersuchungsgegenstände einfließen.2 Abschließend wird diskutiert, welche Vorteile es bieten könnte, transdisziplinäre Fragestellungen auch innerhalb der physikalischen Fachdisziplin zu thematisieren.
Unter einer transdisziplinären Perspektive verstehe ich eine Herangehensweise an die Physik, in der Disziplingrenzen überschritten werden. Forschungsfragen, Analyseverfahren oder Methodiken werden aus verschiedenen Disziplinen wie beispielsweise Physik, Mathematik, Geschichte, Soziologie, Philosophie und Linguistik entlehnt und so miteinander verquickt, dass sie nicht mehr eindeutig einer bestimmten Disziplin zugeordnet werden können. Sie bilden vielmehr ein hybrides Neues und erweitern damit das Wissenschaftsverständnis der Physik.
Zu den Analyseebenen der Geschlechterforschung siehe „Geschlechterforschung und Naturwissenschaften“ von Sigrid Schmitz und Smilla Ebeling.
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Götschel, H. (2006). Die Welt der Elementarteilchen. Geschlechterforschung in der Physik. In: Ebeling, S., Schmitz, S. (eds) Geschlechterforschung und Naturwissenschaften. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90091-9_8
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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