Zusammenfassung
„Die erzkonservativen Ordinarien verhindern jeden Wandel. Für sie ist die Naturwissenschaft das Nonplusultra. Die alte Frontalvorlesung sei die Königin der Lehre, psychosoziale Fächer seien bloßes Geschwätz, und Diskussion in der Kleingruppe sei der Anfang der Anarchie“, so könne man die Einstellung des Fakultätentages karikieren, schreibt Ute Watermann in der ZEIT (vom 5.2.98, S.71). — Nein, gemeint ist nicht die universitäre Ausbildung der Lehrer, sondern die der Mediziner. Doch, was hat die Heranbildung von Mathematiklehrern und Medizinern Gemeinsames? Offenbar leiden beide unter dem konservativen Vorurteil, die Universität betreibe keine Berufsausbildung, eine historisch-professorale Einstellung, die jedenfalls den vor Jahren in die Universitäten integrierten Pädagogischen Hochschulen ihre bis dahin üblichen Schulpraktika kräftig beschnitten hat1. Andererseits haben die angehenden Mediziner — jedenfalls in Deutschland — bisher offenbar kaum Patienten zu sehen oder gar anzufassen bekommen, so daß Reformstudiengänge, die dies ändern, gegenwärtig erhebliche Aufmerksamkeit finden. Was die einen ohne sonderliches Aufsehen verloren haben, das wollen nun endlich die andern durchsetzen. Sollte es nicht eigentlich eine Selbstverständlichkeit in beiden Arbeitsbereichen sein, daß der Nachwuchs mit den Problemen seiner künftigen Berufspraxis handgemein wird, Diagnosen hautnah stellen lernt, und Theorien — und sich selbst! — am konkreten Fall kritisch zu beurteilen und reflektiert einzusetzen lernt?
„Gelehrte dirigieren ist nicht viel besser, als eine Kommödiantengruppe unter sich zu haben.“ Wilhelm von Humboldt an seine Frau Caroline am 16.11.1808 (in: Sydow 1909, S.19)
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© 1999 Leske + Budrich, Opladen
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Bauersfeld, H. (1999). Fallstudien in der Lehrerausbildung — wozu?. In: Ohlhaver, F., Wernet, A. (eds) Schulforschung Fallanalyse Lehrerbildung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97419-8_12
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