Zusammenfassung
In den Massen- und Individualmedien setzt sich derzeit eine bizarre Konflikt-Kultur durch: In Talkshows wird heftig gestritten und über Blondinen- und Polen-Witze begeistert gelacht, in Comedies finden sich Stars und Sternchen im Namen von Humor und Witz radikal bloßgestellt und derb angegangen, und im Internet werden zum Amüsement ‚Hatepages‘ angeboten, auf denen jedermann — vor allem wohl Jugendliche und junge Erwachsene — an der Inszenierung von Hass und Rache mitwirken kann Streit und Konflikt, Lästern und Diffamieren scheinen in der Arena audiovisueller Unterhaltung mehr und mehr Faszination auszuüben, und es stellt sich die Frage, ob Motive wie archaische Rachegesinnung und Rachegelüste nicht nur im Rahmen gewaltsamer, kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Gruppen eine Renaissance erfahren (Waldmann, 2000), sondern auch — eine zufällige Koinzidenz? — in den Angeboten der gegenwärtigen ‚medialen Spaßgesellschaft‘ ein Hoch erleben. Eine Einschätzung dieser Entwicklung fällt nicht leicht: Reißt im Fernsehen gezeigter Streit nicht Gräben auf, und polarisieren ‚ironisierende‘ Hasstiraden im Internet nicht in extremer Weise zwischen Individuen und Gruppen — oder ist das alles nur ganz einfach ‚Spaß‘ und unterhaltsamer Stoff für Anschluss- resp. Folgekommunikationen im Kreis von Freunden und Arbeitskollegen nach dem Motto, alles nicht ganz so ernst gemeint?
Der Text referiert Ergebnisse aus einem laufenden Forschungsprojekt mit dem Titel „Konflikt-Kultur in Alltag und Medien“, das gegenwärtig an meinem Arbeitsbereich „Familien-, Jugend- und Kommunikationssoziologie“ unter Mitwirkung von Arnulf Deppermann, Axel Schmidt und Andrea Teuscher durchgeführt wird. Im Zentrum der Analyse stehen vergleichende Untersuchungen der Formen und Funktionen von Konflikt und Hass im Rahmen der natürlichen resp. der medialen Kommunikation. Fokussiert wird auf die Kommunikationspraxis Jugendlicher auf der einen und der audiovisuellen Unterhaltungspraxis auf der anderen Seite, letztere exemplifiziert an den beiden TV-Formaten Daily Talks und Comedies sowie dem multimedialen Format Hate Pages.
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Neumann-Braun, K. (2002). Hass, der integriert?. In: Imhof, K., Jarren, O., Blum, R. (eds) Integration und Medien. Mediensymposium Luzern, vol 7. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97101-2_19
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