Zusammenfassung
Kindheit ist ein integraler Bestandteil der Gesellschaft. Das mag trivial klingen, mußte aber in der Anfangsphase der Kindheitssoziologie ausdrücklich betont werden gegenüber einem anderen Verständnis der Kindheit: dem Verständnis von Kindheit als außerhalb der Gesellschaft, in einem Vorraum der Arbeitsgesellschaft angesiedelt. Letzteres entspricht der institutionellen Abtrennung besonderer Kindheitsstrukturen, nämlich der bürgerlichen Familie und des Bildungswesens, von der Arbeitswelt. Es richtet sich auf Prozesse innerhalb der Kindheitsstrukturen, nicht aber darauf, wie das Kindheitskonstrukt im gesellschaftlichen Zusammenhang steht und wie es sich historisch verändert. Denn das Gesellschaftsprojekt der Moderne, Kindheit als einen Schon- und Vorbereitungsraum auszugestalten, verlangte die Beschäftigung mit den Prozessen des Aufwachsens, also mit Entwicklung, Erziehung, Bildung und Sozialisation der Kinder. Erst als dieses Projekt offensichtlich an Grenzen stieß, führte die Ausei-nandersetzung mit den Grenzen zur Ergänzung der Binnenperspektive durch eine soziologische Perspektive, die das Kindheitskonstrukt in seinen Beziehungen zur Gesamtgesellschaft, also gleichsam von außen sichtbar macht1. Das geschah seit Ende der 70er Jahre, als am Einfluß der Medien die Grenzen der pädagogischen Steuerung der Kinder deutlich wurden (Hengst et al. 1981) und als der Wandel der Familie sozialpolitisch motivierte Fragen nach der gesell-schaftlichen Ordnung des Generationenverhältnisses im Zusammenhang der Arbeitsgesellschaft weckte (vgl. Qvortrup et al. 2004; Kränzl-Nagl et al. 2003).
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Zeiher, H. (2005). Der Machtgewinn der Arbeitswelt über die Zeit der Kinder. In: Hengst, H., Zeiher, H. (eds) Kindheit soziologisch. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-81004-5_11
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