Klinisches Bild

Das klinische Bild einer malignen Hyperthermie (MH) ist variabel. Sie tritt meist während der Narkose auf, kann sich aber auch postoperativ manifestieren.

Frühsymptome:

Tachykardie, Blutdruckinstabilität, etCO2 ↑ (Absorber erwärmt sich), Tachypnoe, generalisierte Muskelrigidität, Masseterspasmus nach Gabe von Succinylcholin.

Spätsymptome:

Hyperthermie (langsam, aber auch mal 1 °C/5 min), SaO2 ↓, schwere Herzrhythmusstörungen → KF/Asystolie; sekundär können folgende Organkomplikationen auftreten: Nierenversagen, respiratorische Insuffizienz, Herzinsuffizienz, multiple Organdysfunktionen (MOF), disseminierte intravaskuläre Gerinnung (DIC), neurologische Komplikationen.

Primärmaßnahmen

  • STOP der Trigger-Substanz(en)

  • Operateur informieren! Operation so rasch als möglich beenden

  • Hilfe holen

  • Narkoseverdampfer entfernen (Narkosegerät muss nicht getauscht werden!)

  • Kontrollierte Beatmung mit 100 % O2 und maximalen Frischgasfluss (15 l/min)

  • Hyperventilation nach endtidalem CO2 (Richtwert: 3–4 × „normales“ Atemminutenvolumen)

  • Auf triggerfreie Narkose wechseln (Total Intravenöse Anästhesie; TIVA)

  • Dantrolen 2,5mg/kgKG i.v. so schnell als möglich!

  • Gegebenenfalls wiederholen (teilweise bis zu 10mg/kgKG notwendig); falls kein Effekt → Diagnose überprüfen

  • Dantrolen sofort nachfordern (36 Ampullen Dantrolen sollten immer verfügbar sein)

  • Kontrolle des Therapieerfolgs (Klinik, BGA, Labor, Monitoring)

Sekundärmaßnahmen

  • Blutgase, Labor (Kreatininkinase, Myoglobin, Elektrolyte, Blutbild, Glukose, Nieren‑, Leberfunktionsparameter) Thrombelastographie

  • Bei zunehmender Laktatazidose (pH-Wert < 7,2): Therapie mit 8,4 % Natriumbikarabonat i.v.

  • Therapie der Hyperkaliämie (forcierte Diurese, Glukose-Insulin-Infusion, venovenöse Hämofiltration)

  • Kontrolle der Körpertemperatur, Zieltemperatur < 38,5 °C (Oberflächenkühlung, kalte Infusionen, veno-venöse Hämofiltration, Kühlkatheter)

  • Arterie, zentralen Venenkatheter, Harndauerkatheter mit Temperatursonde legen

  • Forcierte Diurese (Harnmengen von 1–2ml/kgKG/h mit Schleifendiuretika anstreben)

  • Arrhythmien bessern sich meist auf Dantrolen, ansonsten 150 mg Amiodaron als Kurzinfusion i.v. (CAVE: keine Gabe von Kalziumantagonisten!)

  • Kardiale Insuffizienz → Volumen, Vasopressoren, Inotropika

  • Überwachung für mindestens 24 h auf ICU/IMCU

2 bis 3 Monate nach einer MH-Krise sollte eine spezifische Diagnostik in speziellen Zentren (AKH Wien!) erfolgen.

Infobox MH-Notfall-Hotline

MH-Notfall-Hotline am AKH Wien: +43 404 00 64230

Dantrolen

1 Flasche: 20 mg Pulver + 60 ml Aqua; das Auflösen dauert ca. 15 min! Exakt: 60 ml Aqua, 5 µm Filterkanülen. CAVE: Bei zu wenig Flüssigkeit löst sich Dantrolen nicht vollständig auf, bei zu viel Flüssigkeit entsteht eine hypotone Lösung.

Die Wirkdauer von Dantrolen beträgt 5–8 h, die Plasmahalbwertszeit 12 h; wird in Leber und Nieren eliminiert.

Nebenwirkungen: Schwindel, Benommenheit, Schläfrigkeit; muskuläre Schwäche (bis zu 48 h); Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö; Transaminasenanstieg. CAVE: keine Kalziumantagonisten!

Bevorratung von 36 Flaschen im Krankenhaus.

Maligne Hyperthermie-Box

Im St. Vinzenz Krankenhaus Zams umfasst die maligne Hyperthermie-Box:

  • 36 Flaschen Dantrolen (1 Fl. = 20 mg)

  • 36 × 60 ml Aqua destillata

  • 36 × 5 µm Filterkanülen

  • 36 × 60 ml Perfusorspritzen

Management von Patient:innen mit MH-Disposition

Vorbereiten des Arbeitsplatzes:

Neue Probengasleitungen, neue Atemschlauchsysteme inklusive Atembeutel, neuer Click-Adapter für Atemkalkkartusche, neue Atemkalkkartusche; Beatmungssystem mit 10 l/min für mindestens 60 min mit folgenden Parametern spülen (Tab. 1).

Tab. 1 Parameter für das Spülen des Beatmungssystems

Perioperatives Vorgehen:

Es ist kein besonderes prä- oder postoperatives Labor nötig; nur triggerfreie Narkoseformen (Regionalanästhesie oder TIVA) verwenden; intraoperatives Monitoring (EKG, SaO2, Blutdruck, Temperatur, Entropie/Narcotrend®, Relaxometrie). Eine ambulante Anästhesie ist möglich.

Triggersubstanzen

sind Sevofluran, Desfluran, Isofluran, Succinylcholin.

Sichere Substanzen

sind Lachgas, Barbiturate, Benzodiazepine, Etomidat, Propofol, Ketamin, Opiate, nicht-depolarisierende Muskelrelaxantien.

Infobox SOP – Der klinische Standard

In dieser Rubrik stellen die ANÄSTHESIE NACHRICHTEN regelmäßig Behandlungsstandards und Algorithmen, sogenannte Standard Operating Procedures (SOPs) aus verschiedenen Häusern vor. Die präsentierten SOPs vereinen physiologische Grundlagen, evidenzbasiertes Wissen und langjährige klinische Expertise der jeweiligen Autor:innen, sie haben daher weder den Anspruch auf Vollständigkeit noch Leitliniencharakter. Das Redaktionsteam freut sich über Einsendungen der SOPs Ihrer Abteilung (als Word-Dokument) an: volkmar.weilguni.consultant@springernature.com.