Wer das Ziel kennt, kann besser manövrieren (Teil 2) Die Erhebung der Erwartungen und Wünsche der Eltern und Kooperationspartner unterstützt eine professionelle Weiterentwicklung. Bei der Zielformulierung eines Standards, soll der Prozess der Betreuung immer die Grundlage für die Kriterien der Güte der Leistungserbringung sein. Doch was ist, wenn ich die Wünsche und Bedarfe meiner „Kundschaft“ gar nicht kenne oder ignoriere?

Um praktikable Ansätze zur Überwachung und Messung von Kundenzufriedenheit zu finden, muss zuerst die Frage geklärt werden, wie Zufriedenheit bei den Frauen entsteht und von welchen Faktoren diese abhängt. Die Empfindung einer Zufriedenheit ist grundsätzlich subjektiv und zählt damit zu den psychologischen Phänomenen. Die Zufriedenheit der Frau hängt, sachlich betrachtet, von dem Ergebnis eines psychischen Vergleichsprozesses der Frau zwischen der tatsächlichen Leistung (Ist-Leistung) einer Hebammenleistung mit einem erwarteten Wert (Soll-Leistung) ab. Leider bleibt diese Sachlichkeit durch die Bandbreite der Maßstäbe unterschiedlicher Frauengruppen, der Kooperationspartner sowie der Hebammen doch ein Wunschtraum. Die Befindlichkeiten dominieren nach wie vor das Geschehen. Doch das kann sich mit der Zeit und tieferer Kenntnis der Qualitätsmanagement-Landschaft verändern. Dieses Dilemma lässt sich anhand der folgenden vier Frageperspektiven darstellen:

  • Welche Dienstleistung/Betreuungsschritt hat die Hebamme geplant?

  • Was hat die Hebamme geliefert? Wie ist die Betreuung in der Realität abgelaufen?

  • Wie hat die Frau die Betreuung / den Kurs wahrgenommen?

  • Welche Erwartungen hatte die Frau / hatten die Familien an die Hebamme?

Hier werden in der Regel vier potenzielle Missverständnisse deutlich, die Sie bei der Überwachung und Messung der Zufriedenheit Ihrer Kunden zwingend berücksichtigen müssen (Abb. 1).

Abb. 1:
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Messung der Kundenerwartung

Das Qualitäts-Ziel der Überwachung und Messung der Kundenzufriedenheit ist die Ableitung von Maßnahmen zur Steigerung eben dieser, der Transparenz, der Sicherheit und der Minimierung von Risiken. Praktisch umgesetzt werden die gewonnenen Erkenntnisse in der Formulierung der Qualitätsziele, den Maßnahmen diese zu erreichen und vor allem in der Außendarstellung der Hebamme.

Erfassung und Strukturierung der Kundinnen-Erwartungen:

Die Kundinnen-Erwartungen können zum Beispiel durch eine persönliche, fernmündliche, digitale oder schriftliche Befragung ermittelt werden. Nach DIN EN ISO 9001 sollte jedoch immer die folgende Struktur berücksichtigt werden:

  • Von den Kundinnen explizit genannte Anforderungen

  • Implizit vorhandene, aber unausgesprochene Anforderungen, Vorstellungen

  • Fachliche, vertragliche, gesetzliche bzw. behördliche Anforderungen

Die Merkmale, welche in diesem Kontext die genannten Anforderungen charakterisieren, sollten in Gruppen zusammengefasst werden.

  • Begeisterungsanforderung: Verdeutlichen verborgene Chancen für die Akzeptanz der Dienstleistung durch nicht erwartete Merkmale, herausragende Besonderheiten

  • Leistungsanforderungen: Beeinflussen direkt das Ausmaß der Zufriedenheit (je höher, desto größer) und sind je nach individuellem Fall erfahrbar

  • Basisanforderungen: Werden erwartet und müssen erfüllt werden, um Unzufriedenheit zu vermeiden und werden von der Kundin vorausgesetzt

Wie erhebe ich die Zufriedenheit und Wünsche der Frauen?

Zur Erhebung der Zufriedenheit und Wünsche der Frauen (Kundinnen) gibt es vielfältige Gelegenheiten. Der Fragebogen (?? Er wurde bisher nicht erwähnt.) ist nur einer von vielen Methoden (der Fragebogen ist eher ein Mittel als eine Methode, oder?) die Sie anwenden können. (Tab. 1, e-only)

Wussten Sie, dass unzufriedene Frauen ca. 9- bis 16-mal häufiger über ihre (negativen) Erfahrungen berichten, während zufriedene Frauen im Schnitt nur 4- bis 8- mal anderen Kundinnen von Ihnen erzählen? Aus diesen Zahlen lässt sich die Bedeutung der Zufriedenheit als Kenngröße im Rahmen der Unternehmenssteuerung erkennen! Stichwort „Wie bekomme ich die Kundinnen, die ich will?“

Die Zufriedenheit ergibt sich aus einem Soll/Ist-Vergleich der erbrachten Leistung des Hebammenunternehmens aus Sicht der Eltern. Ihre Kunden sind auch die Kooperationspartner, weitere Mitarbeiterinnen, Zulieferer, Politik oder Institutionen! Denn alle vergleichen ihre Anforderungen an die Dienstleistung mit der tatsächlich erbrachten Leistung der Hebamme. Da die Leistung in der Regel gemeinsam mit der Frau oder den Kooperationspartnern erbracht wird, nicht wiederholbar und mit dem Abschluss nicht mehr sichtbar ist, ist die absolute Transparenz des Handelns und der Kommunikation der Hebamme unerlässlich. Wird die Dienstleistung nicht verstanden, so stellt sich Unzufriedenheit bei der Familie und auch den Kooperationspartnern ein. Das Problem für die Hebamme besteht nun darin, dass sie im Betreuungsablauf die Kundenerwartungen nicht unmittelbar oder manchmal gar nicht wahrnehmen kann. Das heißt, sie weiß im Detail nicht, welche Anforderungen die Frau oder Partner an die einzelnen Komponenten ihrer Leistungen stellen. Welche Vorerfahrung haben sie? Wie haben Medien und Herkunft-Familie die Wahrnehmung beeinflusst? Deshalb setzt die Familie möglicherweise falsche Schwerpunkte und die Eltern sehen nur das, was sie sehen wollen. Dem trägt das Formblatt „Kundenerwartungen“ (e-only) Rechnung, indem den vermutlichen Kundenanforderungen die Priorität für die Frau (von unwichtig bis sehr wichtig) und die Bewertung der „Ist-Leistung“ (von sehr schlecht bis sehr gut) durch die Kundinnen selbst gegenübergestellt wird.

Konkretes Vorgehen und Analyse der Ergebnisse:

  1. 1.

    Identifikation der Frau und Dateneingabe in das Formblatt.

  2. 2.

    Erfassen und Eintragen der „vermutlichen“ Kundinnen-Anforderungen (ggf. diese bitte mit den bereits bekannten ergänzen; Kunden können auch Kooperationspartner sein).

  3. 3.

    Erheben der Daten, am besten im persönlichen Gespräch mit der Frau. Dabei bitte die vermutlichen Anforderungen verifizieren und Details erfragen.

  4. 4.

    Detaillierte zusätzliche Informationen bitte unter Bemerkung eintragen (z.B. Beschwerden, spezielle Probleme, gesundheitlicher Status, fachliche Betreuungsbedarfseinschätzung, Anregungen der Familie etc.).

  5. 5.

    Vorrangig: Bei für die Eltern wichtigen Anforderungen, aber schlechter Bewertung, umgehend Maßnahmen einleiten.

Eine derartige Bewertung sollte jährlich in Form einer Stichprobe zu einem ausgewählten Bereich der Hebammenarbeit oder Kooperationen mit Kooperationspartnern erfolgen. Es ist dann erst möglich, Tendenzen zu erkennen und zu bewerten. Die Ergebnisse der Analyse der gesammelten Informationen über die Kundenzufriedenheit werden von der Hebamme in einem Formular „Analyse Kundenzufriedenheit“ komprimiert und ausgewertet. Dabei wird auch eine Tendenz über die Zeitschiene ermittelt.

Die Ergebnisse werden von der Hebamme ausgewertet und entsprechende Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet. Der Jahresplan füllt sich wie von selbst und die Frage, „Was kann ich verbessern, damit alle Frauen zufrieden sind?“ erübrigt sich. Zukunftsorientierte Unternehmen haben diesen Übergang von der innenorientierten Denkungsweise in Abteilungsgrenzen zur außen- und damit kundenorientierten Handlungsweise erfolgreich proaktiv vollzogen. Das können die Hebammen auch, da bin ich zuversichtlich!