Wie der Entlastungsbetrag die häusliche Pflege stabilisieren kann Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen stehen vielen Leistungen der Pflegeversicherung gegenüber, die ihnen Unterstützung bieten. Dazu zählen auch die sogenannten Angebote zur Unterstützung im Alltag, die in der häuslichen Pflege eine zentrale Rolle spielen, da sie den Alltag erleichtern und die Lebensqualität verbessern sollen. Eine Evaluation in Rheinland-Pfalz hat dennoch Handlungsbedarf festgestellt.

Mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz hat der Bundesgesetzgeber zum 1. Januar 2017 einen monatlichen Entlastungsbetrag von bis zu 125 Euro festgelegt, der allen Pflegebedürftigen, die zu Hause versorgt werden, ab Pflegegrad 1 zur Verfügung steht (§ 45b SGB XI). Der Betrag kann jedoch nur zweckgebunden für bestimmte Leistungsbereiche genutzt werden, wie etwa für anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag. Innerhalb dieser wird zwischen Betreuungsangeboten, Angeboten zur Entlastung von Pflegenden sowie Angeboten zur Entlastung im Alltag unterschieden (§ 45a SGB XI). Solche Angebote ergänzen die Leistungen der zugelassenen Pflegeeinrichtungen, indem sie pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen zusätzliche Hilfen bieten. Während die zugelassenen Pflegeeinrichtungen pflegerische Leistungen einschließlich der medizinischen Behandlungspflege und der Körperpflege übernehmen, zielen die Unterstützungsangebote darauf ab, den Alltag mit niedrigschwelligen Hilfen zu erleichtern und die Lebensqualität zu verbessern. Sie ermöglichen Pflegebedürftigen, so lange wie möglich selbstbestimmt zu Hause zu leben und entlasten pflegende An- und Zugehörige. Angesichts der steigenden Zahl hochaltriger Menschen sowie des zunehmenden Mangels an Pflegekräften wird deutlich, dass solche zusätzlichen Angebote notwendig sind, um die häusliche Pflege (auch künftig) zu stabilisieren.

Regelung ist Ländersache: Das Beispiel Rheinland-Pfalz

Die Definition der Angebote in § 45a SGB XI bietet einen Rahmen, den die Bundesländer bei der Gestaltung ihrer Rechtsverordnungen beachten müssen. Dabei verbleiben ihnen Gestaltungsspielräume. Die Bundesländer bestimmen beispielsweise, welche Anforderungen unter dem Gesichtspunkt der Qualitätssicherung erfüllt werden müssen, welche Qualifikationen notwendig sind, wer das Anerkennungsverfahren durchführt und wie dieses ausgestaltet ist. Deshalb variieren die konkreten Angebote und deren Verfügbarkeit je nach Bundesland, was besonders für Anbieter in Grenzregionen zu anderen Bundesländern eine Herausforderung darstellt, da jeweils unterschiedliche Anforderungen erfüllt werden müssen.

In Rheinland-Pfalz wird zwischen allgemeinen Angeboten zur Unterstützung im Alltag und sogenannten „Mini-Angeboten in der Hauswirtschaft“ unterschieden (Kasten 1). Allgemeine Angebote können von Anbietern mit mehreren leistungserbringenden Personen als auch von Einzelpersonen erbracht werden. Für das Anerkennungsverfahren existieren weitreichende Regelungen.

Im Jahr 2020 wurden in Rheinland-Pfalz im Zuge einer Änderung der einschlägigen Landesverordnung niedrigschwellige „Mini-Angebote in der Hauswirtschaft“ etabliert. Diese werden von nicht-gewerblichen Anbietern übernommen und bedürfen einer Registrierung, die weit weniger aufwändig ist als das Durchlaufen des herkömmlichen Anerkennungsverfahrens. Vorzulegen ist neben dem Nachweis eines Erste-Hilfe-Kurses nur der Nachweis eines polizeilichen Führungszeugnisses. Dafür sind Inhalt und Umfang der Leistungserbringung jedoch wesentlich eingeschränkt.

Das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität hat im Jahr 2023 eine Evaluierung der landesrechtlichen Regelungen durchgeführt. Auftraggeber war das rheinland-pfälzische Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung. Im Zuge der Evaluation wurden 35 leitfadengestützte, telefonische Interviews mit Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen durchgeführt. Zudem erfolgte eine elektronische Befragung der Anbieter von allgemeinen Angeboten zur Unterstützung im Alltag (Rücklauf 245 Anbieter = 56,8 %) sowie von Mini-Angeboten (Rücklauf 129 Personen = 24 %). Dabei ist zu beachten, dass Anbieter der allgemeinen Angebote zur Unterstützung im Alltag mehrere Angebote erbringen können.

Bessere Beratung und mehr Öffentlichkeitsarbeit nötig

In den vergangenen Jahren hat sich der Markt für Angebote zur Unterstützung im Alltag ausdifferenziert. Damit haben pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen mehr Auswahl und können gezielt nach Angeboten suchen, die ihren Bedürfnissen entsprechen. In Rheinland-Pfalz existierten Anfang des Jahres 2023 insgesamt 792 Angebote zur Unterstützung im Alltag sowie mehr als 600 Mini-Angebote in der Hauswirtschaft. Gleichzeitig erschwert die zunehmende Marktausdifferenzierung den Betroffenen jedoch, den Überblick zu behalten. Daher ist es notwendig und sinnvoll, Informations- und Beratungsangebote zur Verfügung zu stellen, die tatsächlich Transparenz für Pflegebedürftige und Angehörige schaffen. In den Befragungen wurde deutlich, dass die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen an unterschiedlichen Stellen nach Informationen suchen (u.a. im Internet, bei Beratungsstellen, Pflegestützpunkten, Pflegekassen, Medizinischem Dienst, bei Landesbehörden, im Bekanntenkreis) und den Suchprozess häufig als mühsam und (über-)fordernd erleben. Bis es zur Inanspruchnahme von Leistungen kommt, kann es daher länger dauern. Zudem zeigt sich, dass die Beratung nicht immer vollumfänglich gelingt: Insbesondere die Informationen, die von den Pflegekassen an die Versicherten vermittelt werden, sind unter anderem fehlerhaft oder unvollständig. Gerade für länderübergreifend tätige Pflegekassen kann es eine Herausforderung sein, die länderspezifisch ausgestalteten Anforderungen jederzeit punktgenau vorzuhalten.

Generell erscheint es notwendig, den Wissensstand über Angebote zur Unterstützung im Alltag in der Bevölkerung zu heben (Kasten 2). Pflegestützpunkte und andere Beratungsstellen für ältere Menschen sollten sich entsprechend engagieren, um dann auch als Ansprechpersonen für das Thema bekannt zu sein.

Vernetzung und Fachkräftesicherung

Nicht nur unzureichende Informations- und Beratungsangebote verlängern den Suchprozess, sondern auch die angespannte Marktlage im Bereich der Unterstützungsangebote. Die Anbieter berichten von einer hohen Nachfrage, insbesondere im hauswirtschaftlichen Bereich, stehen jedoch vor der Herausforderung, ihre Kapazitäten aufgrund von Personalmangel nicht erweitern zu können. Rund 77 % aller allgemeinen Anbieter gaben an, Anfragen von Pflegebedürftigen nicht bedienen zu können. Rund 45% könnten ihr Angebot ausbauen, wenn sie beispielsweise mehr Personal fänden. Dabei fehlt es sowohl an Fachkräften als auch an Helferinnen und Helfern sowie an bürgerschaftlich Engagierten. Es sollte geprüft werden, inwieweit der Austausch über Ansätze guter Praxis gefördert und die Netzwerkbildung der Leistungserbringenden unterstützt werden könnte. Digitale Fachtagungen und systematische Begleitung neuer Anbieter könnten helfen, das Engagement langfristig zu festigen. Als Zielgruppen für bürgerschaftliches Engagement könnten Babyboomer und Studierende gezielt angesprochen werden. Hierfür sind differenzierte Konzepte und eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit erforderlich.

Potenziale zur Leistungserbringung heben

Um das Segment der Angebote zur Unterstützung im Alltag weiter auszubauen und zu stärken, empfiehlt es sich, verschiedene Formen der Leistungserbringung zu ermöglichen. Die einfache Registrierung als Mini-Angebot in der Hauswirtschaft in Rheinland-Pfalz wird überwiegend positiv bewertet. Die Regelung ermöglicht die Leistungserbringung durch Bekannte, Nachbarn und Freunde oder in Form einer (meist geringfügigen) Beschäftigung. Viele Pflegebedürftige erhalten bereits Unterstützung durch die genannten Personengruppen. Ziel ist, diese zur Registrierung zu ermutigen, um die Unterstützung nachhaltiger zu gestalten und zu verstetigen. Mitunter werden die Hürden hierfür noch als zu hoch empfunden.

Anerkennungsverfahren entbürokratisieren

Insgesamt zeigten sich die Anbieter mit dem Anerkennungs- bzw. Registrierungsverfahren in Rheinland-Pfalz zufrieden. Knapp 70 % der Anbieter bewerteten die Anforderungen für eine Anerkennung auf einer fünfstufigen Skala als angemessen oder eher angemessen. Trotz der überwiegend positiven Bewertung gibt es jedoch Hürden, die potenzielle Anbieter von einer Anerkennung oder Registrierung abhalten könnten. Die Hemmschwelle, gerade für niedrigschwellige Unterstützungsleistungen im Kontext einer Nachbarschaftshilfe bestimmte Anforderungen erfüllen zu müssen, erscheint in einigen Fällen zu hoch. Etwa 40 % der allgemeinen Anbieter denken, dass die Verfahren potenzielle Anbieter von einer Anerkennung abhalten. Hilfreich könnte eine stärkere Vor-Ort-Unterstützung im Anerkennungs- bzw. Registrierungsverfahren sein. Damit könnten zudem Fehler bei der Antragstellung vermieden und der Anerkennungsprozess beschleunigt werden. Das IWAK hat Vorschläge für eine stärkere Standardisierung der Antragsunterlagen gemacht. Empfehlenswert wäre die Option eines digitalen Antragsverfahrens, bei dem beispielsweise die Antragstellung über ein Online-Portal erfolgt. Zudem könnten Formulare und Konzeptvorlagen in den Pflegestützpunkten zur Verfügung gestellt werden.

Positive Erfahrungen, angemessene Qualitätsstandards

Selten berichteten die Haushalte von Schwierigkeiten mit den Anbietern oder von Qualitätsmängeln. Im Gegenteil: Die Betroffenen äußerten sich meist positiv über die Unterstützung im Wohnumfeld, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die Qualität der Angebote zur Unterstützung im Alltag mehrheitlich gesichert ist. Entsprechend wäre zu prüfen, ob Qualitätsanforderungen gesenkt werden könnten und in welcher Form. Wobei die Befragung der Anbieter gezeigt hat, dass diese die Anforderungen (z.B. Qualifizierung, regelmäßige Fortbildung, Fall- und Teambesprechungen) mehrheitlich für angemessen halten.

Erhöhung des Entlastungsbetrags

Der monatliche Umfang der Unterstützungsleistungen ist durch die Deckelung des Entlastungsbetrags bei 125 Euro stark begrenzt. Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 verfügen aus Mitteln der Pflegeversicherung allerdings lediglich über dieses Budget, um die Angebote zu finanzieren. Private Mittel sind oftmals nicht in ausreichender Höhe vorhanden, obwohl der tatsächliche Unterstützungsbedarf in vielen Haushalten höher ist. Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2 haben immerhin die Möglichkeit, andere Leistungen der Pflegeversicherung zur Finanzierung von Angeboten zur Unterstützung im Alltag einzusetzen. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, müssen viele Anbieter die vorgegebenen Preisobergrenzen vollständig oder weitgehend ausschöpfen, was dazu führt, dass sich Pflegebedürftige im Monat nur wenige Stunden leisten können bis der Entlastungsbetrag ausgeschöpft ist. Zudem geben knapp 59 % aller Anbieter an, dass die Preise (eher) nicht ausreichen, um das Angebot zu betreiben. Die Erhöhung des Entlastungsbetrags wurde daher in allen Befragungsgruppen gefordert.

Weiterentwicklung der Unterstützungsangebote

Mit Blick auf den demografischen Wandel und die angespannte Lage in der pflegerischen Versorgung bedarf es einer größeren Aufmerksamkeit für die Angebote zur Unterstützung im Alltag, die eine wesentliche Hilfe für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen sind. Es ist zu erwarten, dass dieses Segment auch zukünftig innerhalb der Versorgungsstrukturen an Bedeutung gewinnen wird. Daher ist es wichtig, auf Landes- und Bundesebene Regularien zu schaffen, die niedrigschwellig und im Sinne der Pflegebedürftigen gestaltet sind. Eine multiperspektivische Evaluierung, wie sie das IWAK für das Land Rheinland-Pfalz durchgeführt hat, kann konkrete Veränderungsbedarfe aufzeigen.

Zum Download des Evaluationsberichts gelangen Sie über das eMag der PflegeZeitschrift