Kommunikative Kompetenz mit digitalen Medien fördern Die Weiterentwicklung der kommunikativen Kompetenz ist ein zentrales Ziel der Fachweiterbildung (FWB) Onkologische Pflege. Dafür liegen jetzt ein Mustercurriculum und ausgearbeitete, digital unterstützte Lehr-/Lernangebote vor, die frei zugänglich sind.

Menschen, die von Krebs betroffen sind, benötigen emotionale Begleitung sowie Unterstützung beim Erhalt und der Wiederherstellung ihrer pflege- und gesundheitsbezogenen Selbstbestimmung. Studien zufolge trägt eine effektive Kommunikation zwischen Patientinnen und Patienten und Pflegepersonen zur Zufriedenheit sowie zum Wohlbefinden der zu pflegenden Menschen bei und leistet einen Beitrag zu besseren Behandlungsergebnissen (Moore et al. 2018). Die Förderung der kommunikativen Kompetenz der Fachweiterbildungsteilnehmenden ist daher ein zentraler Bestandteil der Fachweiterbildung Onkologische Pflege. Die Verbesserung der kommunikativen Fähigkeiten von professionellen Leistungserbringern in der onkologischen Versorgung gehört auch zu den Zielen des Nationalen Krebsplans. Im Rahmen des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts CAre Reflection Online für die Fachweiterbildung Onkologische Pflege (CAROplusONKO) (Laufzeit 2019-2022) wurde vor diesem Hintergrund in enger Zusammenarbeit mit der Bundesarbeitsgruppe der Leitungen der Weiterbildungsstätten für die Pflege des krebskranken, chronisch kranken Menschen (BAGL) ein Mustercurriculum Kommunikative Kompetenz in der FWB Onkologische Pflege im Umfang von ca. 80-100 Unterrichtsstunden konzipiert. Dieses Mustercurriculum baut auf das Nationale Mustercurriculum Kommunikative Kompetenz für die Pflegeerstausbildung (NaKomm) wie auch auf die Rahmenpläne der Fachkommission nach § 53 Pflegeberufegesetz (2019) auf. Teile davon wurden im Anschluss anhand von digital unterstützten Lehr-Lernangeboten (LLA) konkretisiert und erprobt.

Mustercurriculum und Lernsituationen zur Förderung der kommunikativen Kompetenz

Die Entwicklung des Curriculums orientierte sich an dem international in den Gesundheitsberufen häufig rezipierten Ansatz von Kern et al. (2006), dem Six-Step-Approach, ergänzt um den aus der Erwachsenenbildung stammenden Ansatz von Siebert (1974) sowie den pflegedidaktischen Ansatz der Interaktionistischen Pflegedidaktik von Darmann-Finck (2021). Eine empirische Analyse der Lernbedarfe und eine gründliche fach- und bezugswissenschaftliche Recherche bildeten den Input für die didaktische Analyse und die curriculare Entwicklung (Darmann-Finck/Schepers 2022).

Das Curriculum (Tab. 1) besteht aus neun Lernsituationen. Vier der neun Lernsituationen (LS 1.0 - 4.0) beziehen sich auf übergreifende Grundsätze der Kommunikation mit von Krebs betroffenen Menschen und ihren Bezugspersonen, nämlich auf die Grundsätze der partizipativen Entscheidungsfindung, der interprofessionellen Kommunikation, der Kommunikation mit und Beratung von Familiensystemen und der kontinuierlichen (Selbst-)Reflexion der Kommunikation. Fünf weitere Lernsituationen (LS 5.0 - LS 5.4) orientieren sich an den Phasen des Trajektmodells (Corbin/Strauss 2004; Thorne et al. 2013) und greifen die sich im Verlauf der Krebserkrankung verändernden Kommunikations- und Beratungsanforderungen der zu pflegenden Menschen und ihrer Bezugspersonen auf. Das Trajektmodell bietet eine Orientierung, um von Krebs betroffene Menschen in den unterschiedlichen Phasen umfassend, auch mit Blick auf die mit der Krankheit verbundenen psychosozialen Folgen pflegerisch unterstützen zu können.

Tab. 1 : Die Lernsituationen des Mustercurriculums Kommunikative Kompetenz in der FWB Onkologische Pflege
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© Universität Bremen

Mit CARO den Präsenzunterricht gestalten und digital unterstützte Lehr-Lerninteraktionen einbinden.

Das Curriculum knüpft damit an die im Nationalen Mustercurriculum Kommunikative Kompetenz in der Pflege (NaKomM, http://nakomm.ipp.uni-bremen.de/) angelegten Entwicklungslinien an und setzt sie fort. Im Unterschied zur Erstausbildung zielt es auf eine Spezialisierung im Hinblick auf die Kommunikation mit und Beratung von Menschen, die von Krebs betroffen sind, und ihren Bezugspersonen sowie auf eine Vertiefung und Erweiterung mit Fokus auf "problembehaftete" (Rauner 1999), zum Beispiel psychisch besonders herausfordernde Kommunikationssituationen.

Einige der Lernsituationen wurden im Anschluss vom Projektteam in Form von Unterrichtsvorschlägen ausgearbeitet. Diese können gegebenenfalls von Lehrenden mit Blick auf die Lernvoraussetzungen ihrer Lerngruppe modifiziert werden. Beispielsweise existieren Unterrichte zur Einführung in das Trajektmodell, zur interprofessionellen Gestaltung von Aufklärungsgesprächen, zum Umgang mit Adhoc-Gesprächen, zu Selbstmanagement-Apps in der Onkologie und zur Gestaltung eines Lebensrückblicks mit "letzten Liedern". Zu jedem dieser Themen liegen Artikulationsschemata, Arbeitsaufträge und Unterrichtsmaterialien vor. Letztere, beispielsweise eine Handreichung und Präsentation zur kollegialen Beratung, eine Graphik einer leeren Krankheitsverlaufskurve oder ein Informationsblatt zu den Kommunikationsbedürfnissen in unterschiedlichen Phasen des Krankheitsverlaufs einer Krebserkrankung, können auch unabhängig von den Unterrichten genutzt werden.

Digitale Unterstützung des Unterrichts

Zur Umsetzung der Lernsituationen wurde die digitale Lernumgebung CARO (Care Reflection Online) genutzt. Stärken digital unterstützten Lernens bestehen u.a. in der Ansprache unterschiedlicher Sinneskanäle der Lernenden durch multimodale Mediennutzung, etwa wenn Informationen durch die Kombination von Text, Bild, Video etc. dargestellt und Multimediaanwendungen zur kreativen Gestaltung von Lernergebnissen genutzt werden. Der Einsatz interaktiver Software eröffnet zudem die Möglichkeit, Lernende stärker zu aktivieren (Petko 2014, 65 ff) und durch zeitsparende und zugleich kreative Formen der Zusammenarbeit das kollektive Lernen zu befördern. Schließlich wird mit dem Einsatz digitalen Lernens das Potenzial verbunden, neben Pflege- auch digitale Kompetenzen bei Lernenden zu fördern.

Die computergestützte, multimediale Lernumgebung für die Pflegeaus- und weiterbildung CARO wurde in dem genannten sowie in dem BMBF- und ESF-geförderten Projekt CAre Reflection Online (CARO) (Laufzeit 2016-2019) in Zusammenarbeit zwischen der Abteilung für Qualifikations- und Curriculumforschung am Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP) (Prof.in Dr. Ingrid Darmann-Finck) und dem Arbeitsbereich Mediendidaktik am Fachbereich Erziehungs- und Bildungswissenschaften der Universität Bremen (Prof. Dr. Karsten D. Wolf), entwickelt, implementiert und evaluiert (Darmann-Finck et al. 2021).

Über die Verbreitung digitalen Lernens in der onkologischen Fachweiterbildung liegen bislang keine empirischen Daten vor. Durch die coronabedingte zeitweise Schließung von Weiterbildungseinrichtungen und die dadurch in vielen Fällen erfolgte Umstellung auf Online-Lernen, liefern die wenigen vorliegenden Studien zur Fort- und Weiterbildung in der Pflege aktuell sicherlich kein realistisches Bild mehr. Bis dahin gab es Hinweise darauf, dass in Weiterbildungen digitale Medien fast ausschließlich in Form von PowerPoint-Präsentationen über Laptop und Beamer genutzt werden (Härtel et al. 2017, 47). Des Weiteren wurde auf digitale Anwendungen zurückgegriffen, die auch im beruflichen Alltag verwendet werden (wie Dokumentationsprogramme) (ebd., 48). Nach wie vor existiert mit Ausnahme von einzelnen, didaktisch nicht weiter eingebundenen Medien der für die Fort- und Weiterbildung konzipierten Angebotsreihe CNE.online des Thieme Verlags kein veröffentlichtes oder zu erwerbendes Angebot an komplexen, pflegedidaktisch fundierten digital unterstützten Lehr-/Lernangeboten für die Fachweiterbildung Onkologische Pflege. Auch hinsichtlich der für den Einsatz von digitalen Medien in den pflegerischen FWB erforderlichen technischen Voraussetzungen gibt es aktuell keine repräsentativen Daten. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass die Einrichtungen gut mit Computern ausgestattet sind und dass nahezu alle Weiterbildungsteilnehmenden in der FWB Onkologische Pflege ein Smartphone, ein Tablet oder einen Laptop besitzen. Nachholbedarf besteht vermutlich nach wie vor bezogen auf die Einrichtung einer bedarfsgerechten Netzwerk-Technologie. Außerdem ist anzunehmen, dass die vorhandenen Medienkompetenzen bei den Lehrenden wie auch bei den Teilnehmenden der FWB sehr heterogen sind (Greiner 2016).

Technisch verknüpft CARO vier verschiedene Applikationen: für die Durchführung von Unterricht das Dashboard für Lehrende sowie die Students-App für Teilnehmer*innen, für die Unterrichtsplanung die Curriculum-App und die Public-Display-App zur Präsentation von Arbeitsergebnissen, Umfragen oder Freitexteingaben. Durch die Synchronisation dieser vier Applikationen können umfangreiche digitale Interaktionen und multimediale, aktivierende Lehr-Lernprozesse gestaltet werden. Die Lernumgebung ist primär für die Unterstützung der Präsenz- oder auch der synchronen Onlinelehre gedacht. Interaktionen zwischen Lehrenden und Lernenden sowie unter Lernenden sollen durch digitale Interaktionsformate ergänzt und angereichert oder vertieft werden. Dafür stehen in der Anwendung unterschiedliche digitale Tools zur Verfügung, wie Audience Response Tools - zum Beispiel standardisierte oder Freitextabfragen, deren Ergebnisse anhand unterschiedlicher Diagramme, als Liste oder in Form von Karten visualisiert werden können, Collaboration Tools, mit denen die Lernenden in Gruppen gemeinsam an Arbeitsaufträgen arbeiten können oder auch Vorlagen für komplexere Methoden, wie die De Bono 6 Hüte-Methode, die ebenfalls mit CARO unterstützt werden können. Lehrende und Lernende können die Anwendung mit eigenen digitalen Endgeräten nutzen, falls seitens der Bildungseinrichtungen keine Geräte zur Verfügung gestellt werden (Bring Your Own Device, BYOD).

Wollen Lehrende den Unterricht mit CARO durchführen, legen sie einen Kurs an, wählen beispielsweise einen der vom Projektteam entwickelten Musterunterrichte aus und laden dann die Lernenden aus dem Kurs mit einem QR-Code ein. Nachdem sich die Lernenden mit ihren digitalen Endgeräten in die App eingeloggt haben, steuert die Lehrperson den Unterricht verbal und analog und setzt ergänzend CARO ein, um beispielsweise aus der Anwendung heraus eine Präsentation zu starten, ein Brainstorming durchzuführen, eine Schätzfrage zu stellen oder einen Gruppenarbeitsauftrag zu erteilen. Die Lernenden erhalten die Präsentation und die Arbeitsaufträge auf ihren digitalen Endgeräten und können sich darin Notizen machen, alleine oder in Gruppen Antworten generieren und diese zurück an die Lehrperson senden.

Unterrichtsplanung und Curriculumentwicklung

Über die Möglichkeit der Unterrichtsdurchführung hinaus bietet die Anwendung aber auch - und das ist neben der Vielfalt an Interaktionsformaten, die in einer Anwendung vorgehalten werden, ein wesentlicher Benefit - die Möglichkeit, Unterricht zu planen. Diese Planung erfolgt in einem übersichtlichen Artikulationsschema, in dem Materialien oder Arbeitsaufträge mit einzelnen Unterrichtsphasen verknüpft werden und das später die Grundlage für die Unterrichtsdurchführung ist. Daneben können Lehrende aber auch den eigenen Unterricht entwickeln und mit der Anwendung durchführen. Außerdem können in der Curriculumanwendung die eigenen Unterrichtsstunden für Kolleg*innen freigegeben werden. Teams von Pflegebildungseinrichtungen können gemeinsam ein Curriculum erstellen und nutzen sowie fortlaufend an dessen Weiterentwicklung arbeiten. CARO kann - wenn die Anwendung nicht nur von einzelnen, sondern von einem gesamten Lehrendenteam genutzt wird - auf diese Weise das Team-Lernen befördern und zum Aufbau einer professionellen Lerngemeinschaft von Lehrenden beitragen.

Im Unterschied zu vielen anderen Anwendungen und Materialien ist die Anwendung pflege- und mediendidaktisch fundiert. In der Curriculum-App sind beispielsweise pflegerische Bildungsziele und Kompetenzen hinterlegt und für die Musterunterrichte transparent ausgewiesen. Für die Musterunterrichte wurden außerdem gezielt solche digitalen Interaktionsformate ausgewählt, die zum Aufbau nicht nur von Fachwissen, sondern auch von für die Pflege zentralen problemlösenden, fallverstehenden oder auch reflexiven Kompetenzen beitragen. Unter carocare@uni-bremen.de können Accounts für die Nutzung der CARO-Anwendung beantragt werden. Sowohl die Software als auch die Musterunterrichte und die gesamten Bildungsmaterialien sind frei nutzbar und mit CC-0 lizensiert, um die Nutzung und Weiterentwicklung in Bildungskontexten zu erleichtern.

Literatur

  • Corbin J, Strauss A (2004) Weiterleben lernen: Verlauf und Bewältigung chronischer Krankheit. Huber, Bern

  • Darmann-Finck I, Schepers C (2022) Entwicklung eines Mustercurriculums Kommunikative Kompetenz für die Fachweiterbildung Onkologische Pflege. In: Reiber K, Weyland U (Hrsg.) Professionalisierung der Gesundheitsberufe. Berufliche und hochschulische Bildung im Spiegel aktueller Forschung. Beiheft der Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik Nr. 33. Stuttgart: Steiner, S. 69-92

  • Darmann-Finck I, Schepers C, Wolf KD, Küster J (2021) Digital unterstütztes Lernen in der Pflegeausbildung. Die Care Reflection Online (CARO) - Lernumgebung. In: Wolf KD, Rummler K, Bettinger P, Aßmann S (Hrsg.) Medienpädagogik 16 (Jahrbuch Medienpädagogik): Medienpädagogik in Zeiten einer tiefgreifenden Mediatisierung. Sektion Medienpädagogik der deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, S. 317-345. https://doi.org/10.21240/mpaed/jb16/2021.04.30.X

  • Darmann-Finck I (2021) Eckpunkte der Interaktionistischen Pflegedidaktik. In: Ertl-Schmuck R, Hänel J (Hrsg.) Theorien und Modelle der Pflegedidaktik. Weinheim und München: Juventa, 2., überarb. u. erw. Auflage, S. 202-238

  • Greiner AD (2016) Mediencoaches für die Pflege: Projektergebnisse und Empfehlungen für die Pflegepraxis. In: Kamin AM, Greiner AD, Meister D et al. (Hrsg.) Mediengestütztes Lernen in der Pflege - zwischen Traditionen und Innovationen. INVIA Verlag, Paderborn/Freiburg, S 151-174

  • Härtel M, Brüggemann M, Sander M et al. (2017) Digitale Medien in der betrieblichen Berufsbildung - Medienaneignung und Medien-nutzung in der Alltagspraxis von betrieblichem Ausbildungspersonal. Forschungsprojekt, Abschlussbericht. https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/9412. Zugegriffen: 06.01.2022

  • Kern DE, Thomas PA, Hughes MT (2009) Curriculum Development for Medical Education: A Six-Step Approach, 2. Auflage. Baltimore: Johns Hopkins University Press

  • Moore PM, Rivera S, Bravo-Soto GA et al. (2018) Communication Skills Training for Healthcare Professionals Working with People Who Have Cancer. Cochrane Database of Systematic Reviews. DOI:10.1002/14651858.CD003751.pub4

  • Petko D (2014) Einführung in die Mediendidaktik. Lehren und Lernen mit digitalen Medien. Weinheim und Basel: Beltz

  • Rauner F (1999) Entwicklungslogisch strukturierte berufliche Curricula: vom Neuling zur reflektierten Meisterschaft. ZBW 3: S. 424-446

  • Siebert H (1974) Curricula für die Erwachsenenbildung. Westermann, Braunschweig

  • Thorne S, Hislop TG, Kim-Sing Ch et al. (2013) Changing communication needs and preferences across the cancer care trajectory: insights from the patient perspective. Support Care Cancer 22: 1009-1015