Hohes Patientenaufkommen erfordert Handeln Von den über 20 Millionen Patienten, die jährlich deutsche Notaufnahmen aufsuchen, ist nur ein bestimmter Prozentsatz als echter Notfall zu werten. Die dramatisch gestiegenen Fallzahlen sind jedoch auch bei der Personalbemessung zu berücksichtigen. Kann ein Ersteinschätzungsinstrument zukünftig die Berechnungsgrundlage für den Pflegepersonalpatientenquotienten in der ZNA darstellen und überfüllte Notaufnahmen verhindern?

Pflegeaufwand mit Hilfe eines Triage-Systems erfassen?

Derzeit wird der Einsatz eines Ersteinschätzungssystems (Triage) als mögliche leistungsbezogene Berechnungsgrundlage zur Personalplanung der Gesundheits- und Krankenpflegekräfte diskutiert (Eiff et al. 2016, Erdmann 2017, Pin et al. 2018). Beispielhaft ist das bundesweit vermehrt eingesetzte Manchester-Triage-System (MTS) als Tool zur Berechnung der Personalstärke zu nennen. Dieses aus fünf Dringlichkeitsstufen bestehende Triagesystem, ermöglicht eine genauere Abbildung des tatsächlich erforderlichen Pflegeaufwands. Das Klinikum Wolfsburg hat in Zusammenarbeit mit der Fachgesellschaft DIVI hierzu eine Studie durchgeführt (Erdmann 2017), welche mit dem Instrument des MTS retrospektiv mehrere Behandlungsjahre in der ZNA hinsichtlich tatsächlichen Pflegeaufwands analysiert hat. Es konnte sehr genau gezeigt werden, an welchen Wochentagen oder zu welcher Uhrzeit ein besonders hohes Patientenaufkommen und damit eine entsprechend große Personalbindung vorlag. Anhand dessen erfolgte eine detaillierte Planung der Zusammensetzung des Pflegeteams. Ein Fazit dieser Studie war, dass das MTS ein gutes Instrument zur Personalplanung ist. Des Weiteren wurde hier noch einmal der dringende Bedarf weiterer klinikübergreifender Forschung zur fortschreitenden Entwicklung der Personalplanung mittels Dokumentationsstandards, Qualitätsindikatoren und Kennzahlen deutlich hervorgehoben (Erdmann 2017).

figure 1

© anyaberkut / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Notaufnahmen brauchen eine leistungsbezogene Berechnungsgrundlage zur Pflegepersonalplanung.

Die Fachgesellschaften DIVI und DGINA (Pin et al. 2018; Kulla 2016) empfehlen derzeit bundesweit eine Ausweitung der Implementierung von Triageinstrumenten wie MTS oder ESI (Emergency Severity Index) in ZNAs zur Qualitätsverbesserung in der Notfallversorgung und zur Optimierung der weiteren Personalplanung. Hier sind die aktuellen Empfehlungen der verschiedenen führenden notfallmedizinischen Fachgesellschaften zur pflegerischen Besetzung Klinischer Notfallzentren zu nennen (Behringer et al. 2019). Für die Personalbedarfsermittlung schlagen die Gesellschaften nachfolgend genannte Grundregeln vor:

  • Die Personalberechnung sollte u.a. den tageszeitlichen Schwankungen gerecht werden

  • Die Ersteinschätzung müsste innerhalb von 10 min zu gewährleisten sein

  • Für stationäre Kurzliegerstationen im Bereich einer ZNA sollte die leistungsbezogene Personalberechnung von der eigentlichen Notfallversorgung ausgenommen werden

  • Administrative Tätigkeiten und patientenunabhängige Zeiten (z.B. Ausbildung, Lehre) sollten zusätzlich in der Personalberechnung berücksichtigt werden

  • Weitere, komplexere Personalberechnungsmethoden (z.B. Warteschlangentheorie, die Erlang-Formel oder Simulationsmodelle) sollten mit den vorgenannten Empfehlungen kombiniert werden

Welche Berechnungsgrundlage für die zukünftige Personalplanung innerhalb der Versorgungseinheit ZNA eine Rolle spielen wird, ist derzeit dem wissenschaftlichen Diskurs noch nicht abschließend zu entnehmen.

Methodik und Ergebnisse der Multicenter-Studie

Unter dem Aspekt der quantitativen Personalentwicklung und vor dem Hintergrund der aktuell zu diesem Thema publizierten Studien wurden die im Jahr 2018 erhobenen Daten der retrospektiven Multicenter-Studie von Kirchner et al. zur Entwicklung des Inanspruchnahmeverhaltens von Notfallpatienten in fünf deutschen ZNAs während eines sechsjährigen Beobachtungszeitraums noch einmal näher betrachtet. Der bundesweite Trend der vermehrten Notfallkontakte konnte für alle fünf untersuchten ZNAs mit einem unterschiedlich starken prozentualen Anstieg von mindestens 6,7% bis max. 34,9% (2010 vs. 2015) bestätigt werden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 2

: Zeitliche Entwicklung der Fallzahlen (gesamt)

Hinsichtlich der Personalentwicklung fand sich jedoch kein einheitliches Bild im Beobachtungszeitraum. In vier der fünf Kliniken konnte eine Zunahme der Zahl der Mitarbeiter des Gesundheits- und Krankenpflegeteams beobachtet werden. In einer Klinik hingegen fand man, trotz deutlichen Anstiegs der Notfallkontakte, eine Reduzierung des Pflegeteams. Das jeweilige Ausmaß der Personalveränderung in den einzelnen ZNAs war demnach sehr unterschiedlich. Um eine bessere Vergleichbarkeit der möglichen Veränderung der Arbeitsdichte für die einzelne Pflegekraft zu erzielen, wurde analysiert, wie viele Patienten durch eine einzelne Vollzeitkraft (VZK) pro Behandlungsjahr versorgt wurden (Abb. 2). Auch hier war das Ergebnis nicht einheitlich, zwei der fünf ZNAs konnten eine Abnahme der Arbeitsdichte verzeichnen. Im direkten Vergleich fand sich allerdings innerhalb dieser Stichprobe ein Trend zur Arbeitsverdichtung in Abhängigkeit von der Klinikgröße von 19,5-40,7% (siehe Klinik C-E).

Abb. 2
figure 3

: Patienten pro Pflegekraft p.a. (Vollzeitkräfte)

Implementierung neuer Planungsinstrumente dringend erforderlich

Der gesundheitspolitische Versuch den veränderten Anforderungsbedingungen in der Pflegepersonalplanung gerecht zu werden, schlägt sich in der seit Januar 2019 vorgeschriebenen Personaluntergrenze, dem Ganzhausansatz und dem zukünftigen Pflegepersonalquotienten nieder. Die hier gefundenen Ergebnisse zur quantitativen Personalentwicklung zeigen in den analysierten ZNAs kein einheitliches Bild und verweisen damit auf die dringend notwendige Implementierung neuer Instrumente zur effektiven Personalplanung. Aufgrund der Limitationen des Studiendesigns kann an dieser Stelle nur vermutet werden, dass die betrachteten Kliniken unterschiedliche Strategien wie Qualifizierungsmix, Delegation von Tätigkeiten oder den Einsatz von möglichen Springerreserven zur optimalen Personalsteuerung eingesetzt haben, um das vermehrte Patientenaufkommen adäquat zu managen.

Literatur

  • Behringer W, Graeff I, Dietz-Wittstock M et al. (2019) Empfehlungen der notfallmedizinischen Gesellschaften DGINA, AAEM, SGNOR, DIVI, DGAI und DGIIN zur pflegerischen Besetzung von Klinischen Notfallzentren. Notfall Rettungsmed 22:330-333

  • DKI (2012) Personalbedarfsermittlung im Krankenhaus. DKI, Wuppertal. S. 111

  • Eiff W, Dodt C, Brachmann M, Niehues C, Fleischmann T (2016) Management der Notaufnahme. Patientenorientierung und optimale Ressourcennutzung als strategischer Erfolgsfaktor. Kohlhammer, Stuttgart

  • Kulla M et al. (2016) Vom Protokoll zum Register - Entwicklungen für ein bundesweites Qualitätsmanagement in deutschen Notaufnahmen. DIVI. Deutscher Ärzte-Verlag 1 (7) 12-20

  • Pin M, Dodt C, Somasundaram R, Gräff I, Dormann H, Dietz-Wittstock M, Wrede CE (2018) Positionspapier zur Ersteinschätzung in integrierten Notfallzentren. Notfall Rettungsmed 21 (6) 492-495

  • Schäfer I, Kazek A, Hardt H, Hansen H, Lühmann D, Scherer M (2017) Patienten in der Notaufnahme von norddeutschen Kliniken (PiNo Nord): Klientel, Behandlungspfade und Gründe für die Inanspruchnahme. www.uke.de/kliniken-institute/institute/allgemeinmedizin/forschung/pino-nord.html (Zugriff am 5.11.2017)

  • Schmiedhofer MH, Searle J, Slagman A, Möckel M (2017) Inanspruchnahme zentraler Notaufnahmen: Qualitative Erhebung der Motivation von Patientinnen und Patienten mit nichtdringlichem Behandlungsbedarf. Gesundheitswesen (Bundesverband der Ärzte des Offentlichen Gesundheitsdienstes (Germany)) 79 (10), 835-844

  • Schöpke T, Plappert T (2011) Kennzahlen von Notaufnahmen in Deutschland. Notfall Rettungsmed 14 (5) 371-378