Bessere Information erhöht Patientensicherheit Ältere Patienten, bei denen eine notfallmedizinische Versorgung nötig wird, sind vielfach gefährdet. Neben dem Akutereignis können fehlende Informationen über die Vorgeschichte, Betreuungssituation, Begleitkrankheiten und Medikation zu weiteren Komplikationen führen. Wie kann der Informationsfluss verbessert werden?

Informationsdefizite gefährden die Patientensicherheit

Gut ein Drittel der älteren Patienten sind in ihrer Kommunikation durch abnehmende Hör-, Seh- wie auch kognitive Leistungen eingeschränkt. Dies führt häufig zu einer eingeschränkten eigenständigen Informationsweitergabe durch den Patienten zum Behandlungszeitpunkt und somit zu Informationsdefiziten im Behandlungsprozess (Han & Wilber 2013).

Die Sicherstellung von therapierelevanten Informationen in der Notaufnahme ist jedoch essenziell für eine gute und patientensichere Notfallversorgung. Daten zeigen, dass zum Zeitpunkt der Notfallbehandlung in den Notaufnahmen gerade bei älteren Patienten häufig entscheidende Informationen zu den bestehenden Vorerkrankungen, kognitiven Beeinträchtigungen, der medikamentösen Therapie, zum Sturzrisiko, zur Betreuungssituation oder zu einer potenziellen Therapielimitation nicht oder nur unvollständig vorliegen (Griffiths et al. 2014; Olsen et al. 2013). Fehlende Informationen bergen dabei ein hohes Risiko für den älteren Patienten.

Ältere Notfallpatienten als Hochrisikopatienten

Im Gegensatz zu jüngeren sind ältere Notfallpatienten Hochrisikopatienten für ein schlechteres klinisches Outcome. Übersichtsarbeiten zeigen, dass die Rate an Fehldiagnosen, Medikationsfehlern, ungeplanten stationären Wiederaufnahmen, kognitiven und physischen Funktionsabnahmen, poststationären Aufnahmen in eine Pflegeeinrichtung und die Mortalität erhöht sind (Schnitker et al. 2011). Die Vorstellung in einer Notaufnahme mit nicht auf geriatrische Bedürfnisse abgestimmten Strukturen und Prozessen ist für die Patienten als Hochrisikosituation zu sehen (Aminzadeh & Dalziel 2002).

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Für eine gute und patientensichere Notfallversorgung ist es essenziell, dass in der Notaufnahme alle therapierelevanten Informationen vorliegen.

Qualitätsindikatoren für die geriatrische Notfallversorgung

In einem durch die Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) e.V. unterstützten Forschungsprojekt konnten in den letzten Jahren wissenschaftlich gestützte Qualitätsindikatoren (GeriQ-ED©) für die Versorgung geriatrischer Notfallpatienten erarbeitet werden (Schuster et al. 2017; Schuster et al. 2016). Diese Qualitätsindikatoren wurden evidenzgestützt entwickelt, auf ihre Relevanz und Praktikabilität hin bestätigt und im Expertenkreis konsertiert. Die dabei entwickelten 32 Struktur-, 30 Prozess- und fünf Ergebnisindikatoren sind gegliedert in zwölf Qualitätskategorien. Eine der Qualitätskategorien beschreibt u.a. die Informationen, die notwendigerweise im Rahmen der Notfallversorgung zur Verfügung stehen sollten sowie den erforderlichen Informationsfluss zu den nachversorgenden sektoralen Bereichen (Schuster et al. 2017).

Nötige Informationen zu Therapiebeginn

Die Geriatric Emergency Department Guideline (Schuster et al. 2017) nennt klinisch relevante Informationen, die beim geriatrischen Patienten im Rahmen der Notfallbehandlung vorliegen sollten. GeriQ-ED© hat u.a. diese Evidenzen aufgegriffen und empfiehlt acht Themenbereiche, zu denen spezifische Informationen am Behandlungsbeginn vorliegen sollten (Schuster et al. 2017). Idealerweise sind diese Informationen aus einer standardisierten Informationssammlung (z. B. in Form eines Übergabeprotokolls) durch den Haus-/Facharzt oder aus einem Pflegeüberleitungsbericht durch die primär betreuende ambulante, teil- oder vollstationäre Pflegeeinrichtung ersichtlich und liegen somit der Notaufnahme zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginns vor. Ist dies nicht der Fall, sind die Notaufnahmen angehalten die fehlenden Informationen im Laufe des Notaufnahmeaufenthaltes einzuholen (Tab. 1).

Table 1 Tab. 1: Notwendige Informationen zum älteren Patienten zu Behandlungsbeginn in der Notaufnahme (Schuster et al. 2017)

Erforderlicher Informationstluss am Behandlungsende

Ein internationaler Review verweist auf eine standardisierte Kommunikation als Lösung bestehender Informationsdefizite an der Schnittstelle zwischen der Notfall und Primärversorgung älterer Patienten (Kessler et al. 2013). Auch GeriQ-ED© gibt die Empfehlung, dass zum Zeitpunkt der Entlassung bzw. Verlegung aus der Notaufnahme eine gezielte Kommunikation mit dem geriatrischen Patienten bzw. dessen Angehörigen stattfinden sollte, um mögliche Informationsdefizite zu beseitigen (Schuster et al. 2017). Zudem fordern GeriQ-ED©, dass seitens der Notaufnahme eine adäquate Informationsweitergabe an die nachversorgende Abteilung/pflegerische Einrichtung bzw. den Haus-/Facharzt sicherzustellen ist, da ein solcher Informationsfluss über den Patienten oder dessen Angehörige nicht gewährleistet werden kann (Tab. 2). Diese Informationen, gegliedert in vier Themenbereiche, sollten in einem standardisierten Abschluss- bzw. Verlegungsbericht enthalten sein.

Table 2 Tab. 2: Notwendige Informationen zum älteren Patienten am Behandlungsende für die nachversorgenden Bereiche (Schuster et al. 2017)

Sektorenübergreifende Zusammenarbeit notwendig

Eine adäquate Informationsweitergabe zwischen den verschiedenen Sektoren ist essenziell, um die Patientensicherheit zu gewährleisten. Ein erster Schritt hierzu wäre die Entwicklung und Implementierung von standardisierten Informationssammlungen/Übergabeprotokollen durch die primär betreuenden Haus- und Fachärzte. Diese Informationssammlungen sollten auf die von GeriQ-ED© geforderten acht Themenkomplexe (Tab. 1) eingehen und regelmäßig (für den Fall einer Notfalleinweisung) aktualisiert werden. Auch die Notaufnahmen sind angehalten, die notwendigen Informationen zum älteren Patienten, die sich im Rahmen der Notfallbehandlung ergeben haben, an die nachversorgenden sektoralen Bereiche weiterzugeben. Hierzu wäre es ratsam, bestehende Abschluss-/Entlassungs- und Verlegungsberichte zu prüfen und ggf. anzupassen, um auch auf die empfohlenen Themenkomplexe eingehen zu können.

Ein Blick in die Zukunft

Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung ist ein elektronischer Informationsaustausch wünschenswert. So sieht das Bundesministerium für Gesundheit mit dem E-Health-Gesetz die Chance, dass Digitalisierung eine bessere medizinische Versorgung ermöglicht. Durch die elektronische Gesundheitskarte besteht bereits jetzt die Möglichkeit, medizinische Daten sektorenübergreifend auszutauschen. Doch aktuell stecken wir laut Bundesministerium weiterhin im analogen Zeitalter von Brief und Fax, denn der Ausbau einer digitalen Datenautobahn, die Telematikinfrastruktur, ist ein komplexes IT-Projekt (BGM 2018). Um jedoch im Jetzt, im analogen Zeitalter, die Patientensicherheit von älteren Notfallpatienten nicht zu gefährden, braucht es einen aufeinander abgestimmten Informationsaustausch zwischen der Primär- und der Notfallversorgung und dies in schriftlicher Form.

Literatur

  • American College of Emergency Physicians (ACEP) https://www.acep.org/by-medical-focus/geriatrics/geriatric-emergency-department-guidelines/#sm.000013o1pqrqgvctyxbqll1rfkai7 (letzter Zugriff 01.12.2018)

  • Aminzadeh F, Dalziel WB. Older adults in the emergency department: a systematic review of patterns of use, adverse outcomes, and effectiveness of interventions. Ann Emerg Med 2002; 39(3):238-247

  • Behringer W, Buergi U, Christ M, Dodt C, Hogan B. Fünf Thesen zur Weiterentwicklung der Notfallmedizin in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Notfall Rettungsmed 2015; 8(16):625-626

  • Bundesgesundheitsministerium https://www.bundesgesundheitsministerium.de/e-health-initiative.html. Letzter Zugriff 01.12.2018

  • Griffiths D, Morphet J, Innes K, Crawford K, Williams A. Communication between residential aged care facilities and the emergency department: A review of the literature. IJNS 2014; 51(11):1517-1523

  • Groening M, Grossmann F, Hilmer T, Schuster S, Singler K, Somasundaram R, Wilke P. ÄLPANO - erste Ergebnisse der DGINA-Umfrage zur Versorgung älterer Notfallpatienten. Notfall Rettungsmed 2015; 18(Suppl 1):134

  • Han JH, Wilber ST. Altered Mental Status in Older Emergency Department Patients. Clin Geriatr Med 2013; 29(1):101-136

  • Kessler C, Williams MC, Moustoukas JN, Pappas C. Transitions of care for the geriatric patient in the emergency department. Clin Geriatr Med 2013; 29(1):49-69

  • Nowossadeck E. Demographische Alterung und stationäre Versorgung chronischer Krankheiten. Dtsch Arztebl 2012; 109(9):151-157

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  • Schnitker L, Martin-Khan M, Beattie E, Gray L. Negative health outcomes and adverse events in older people attending emergency departments: A systematic review. Australas Emerg Nurs J 2011; 14(3):141-162

  • Schuster S, Singler K, Dormann H (2017) GeriQ - Entwicklung von Qualitätsindikatoren für die Versorgung von geriatrischen Notfallpatienten. https://www.dgina.de/news/geriq-c-quality-indicators-for-geriatric-emergency-careentwicklung-von-qualitatsindikatoren-furdie-versorgung-von-geriatrischen-notfallpatienten_63 (letzter Zugriff 21.08.2019)

  • Schuster S, Singler K, Dormann, H. Geriatrische Notfallpatienten. Notfall Rettungsmed 2016; 19(8):657-665

  • Sieber CC. Der ältere Patient - wer ist das? Der Internist 48(11):1190-1194

  • Wutti C. Der ältere Mensch als Notfallpatient. Notfall Rettungsmed 2014; 17(6):488-493