1 Einleitung

Im Zuge des Bologna-Prozesses wurde die Struktur der universitären Studiengänge bis auf wenige Ausnahmen grundlegend reformiert. Mit der Umstellung auf das Bachelor-Master-System gingen tiefgreifende Veränderungen der Studiengänge einher. Auch an politikwissenschaftlichen Instituten sind die Veränderungen spürbar und es wird erwartet, dass die Politikwissenschaft unter einen zunehmenden Legitimationsdruck gerät (Becker und Müller 2014). Diese Veränderungen werden an Universitäten vonseiten der Dozierenden einerseits vermehrt als Herausforderung, andererseits aber auch als neue Möglichkeit verstanden (Vorländer 2015, S. 298). Hierbei spielt vor allem die stärkere Kompetenzorientierung eine wichtige Rolle (Braun und Hannover 2011; Derecik und Paus 2013; Hamenstädt und Hellmann 2015). Auch steigt der Bedarf an spezifisch zugeschnittenen und innovativen Lehrformen (Goerres et al. 2015; Hamenstädt 2014; Hellmann et al. 2014). Planspiele und Simulationen (u. a. Brunazzo und Settembri 2015; Dingli et al. 2013; Jozwiak 2013) gelten hierbei als eine geeignete Möglichkeit, nicht nur in ein Seminarthema einzusteigen, sondern auch auf ansprechende und innovative Weise vielfältige Kompetenzen bei den Studierenden zu fördern (Geuting 2000).

In der Politikwissenschaft – und hier insbesondere in den Internationalen Beziehungen (Schirm et al. 2011) – werden Planspiele schon seit vielen Jahren eingesetzt, insbesondere um den Studierenden komplexe Verhandlungs- oder Entscheidungssituationen näherzubringen. Model United Nations (MUNFootnote 1) dürfte hierbei eine der bekanntesten Simulationen sein. International stellen insbesondere die Zeitschriften International Studies Perspectives (ISP) und European Political Science (EPS) immer wieder Simulationen vor. Der deutsche Universitätsbereich wird in dieser Hinsicht jedoch in der Diskussion als „Simulationsentwicklungsland“ (Muno et al. 2013, S. 159) ausgewiesen, da hierzulande diese didaktische Methode noch nicht weit verbreitet sei. Planspiele und Simulationen bieten jedoch zahlreiche Ansätze zur Kompetenzentwicklung und Kreativität in Lehrsituationen. Dieser Beitrag wird bei der Relevanz von Planspielen in der universitären Lehre ansetzen, dabei jedoch bewusst einen Schritt weiter gehen. Ausgehend von der Anforderung kompetenzorientierter Hochschullehre werden Team-TeachingFootnote 2-Erfahrungen reflektiert, in welchen Studierende eine aktive Rolle eingenommen haben. Somit knüpft dieser Beitrag auch an der Frage der Einbindung von Studierenden als Partner_innen in die Entwicklung von Curricula der universitären Lehre an – ein Punkt, der gegenwärtig international stark debattiert wird.Footnote 3 Daher ist das Ziel des Beitrages, ausgehend von Erfahrungen aus einem projektorientierten Seminar Perspektiven studentischer Einbindung in die Entwicklung von Curricula und Seminaren durch Team-Teaching zu diskutieren.

Hierdurch gliedert sich der Beitrag in folgende Abschnitte: Zunächst wird auf die getroffenen Vorbereitungen für die Durchführung des Kurses eingegangen, um im darauffolgenden Abschnitt den Aufbau der Veranstaltung selbst darzulegen. Hiernach werden auf Grundlage einer schriftlichen Befragungen der Teilnehmer_innen die Erfahrungen der Studierenden am Kurs zusammengefasst, um ebenfalls einige Erfahrungen vonseiten der Dozierenden zu spiegeln. Zuletzt wird auf die Erfahrungen aus der gemeinsamen Vorbereitung und Durchführung des Kurses unter aktiver Einbindung von Studierenden genauer eingegangen. Dieser Abschnitt ist in Form einer Auflistung von Hinweisen arrangiert und reflektiert unterschiedliche Erfahrungen, die vor der Entscheidung über die Durchführung vergleichbarer Projekt-Seminare hilfreich sein können. Zudem gehen wir auf die im internationalen Rahmen fortgeschrittenere Debatte über Partnerschaften von Studierenden und Lehrenden ein. Im Resümee wird das Seminarformat abschließend sowohl hinsichtlich seiner praktischen Umsetzung als auch vor dem Hintergrund der Kompetenzdebatte diskutiert.

2 Vorbereitung des Kurses

Der Kurs mit dem Titel „Machen wir Frieden mit den Drogen“ geht auf eine studentische Initiative zurück, die von einem Dozierenden und zwei Studierenden im Team umgesetzt wurde. Anliegen war einerseits eine Thematisierung der verheerenden Auswirkungen des War on Drugs an der Grenze zwischen Mexiko und den USA, andererseits die Erwartung, den dahinter liegenden Konflikt mit der Methode des Planspiels erschließen zu können. Nicht zuletzt spielte die Idee, die universitäre Lehre vielfältiger zu gestalten, bei der Organisation der Veranstaltung eine wesentliche Rolle. Das erste Treffen zwischen Studierenden und Dozierendem fand ein Jahr vor der ersten Seminarsitzung statt. Dem Treffen ging eine Recherche in Bezug auf die Thematik und bereits bestehende Planspiele voraus, die zu dem Ergebnis kam, dass es zum Drogenkonflikt an der Grenze zwischen Mexiko und den USA noch kein Planspiel im deutschsprachigen Raum gab. So entstand das Vorhaben, ein Planspiel zu entwerfen und die Ausarbeitung und Umsetzung des Entwurfs zum Gegenstand eines Universitätsseminars zu machen.Footnote 4 Rückblickend betrachtet war die lange Vorlaufzeit eine essenzielle Voraussetzung für das Gelingen der Veranstaltung.

Obwohl es ein zentrales Anliegen der Veranstaltung war, die möglichst intensive Partizipation aller Studierenden in und an dem Seminar zu fördern, war zugleich zu erwarten, dass einige wichtige Eckpunkte einer intensiveren Vorbereitung durch das Teaching Team bedurften. Szenario, Konfliktlinien und Trigger wurden daher im Vorhinein in groben Zügen ausgearbeitet und im Verlauf der Veranstaltung zur Disposition gestellt. Die Anregungen der Studierenden wurden in den Entwurf eingearbeitet und alle Zwischenstände des Dokuments regelmäßig auf der E‑Learning-Oberfläche des Kurses bereitgestellt. Hierdurch wurde den Studierenden, neben der Diskussion in den Seminarsitzungen, immer auch die Möglichkeit zur aktiven Mitgestaltung des finalen Textes des Planspiels gegeben – eine Chance, die von mehreren Studierenden intensiv genutzt wurde.

Das Vorhaben der Erstellung eines gemeinsamen Produktes, sowie die Unterteilung des Arbeitsprozesses in zeitlich definierte Teilschritte, geschahen auch vor dem Hintergrund einer zunehmenden Kompetenzorientierung in der Hochschullehre. Der Begriff der Kompetenz wird hierbei mitunter recht unscharf diskutiert (Europäische Kommission 2008). Es lassen sich jedoch in Bezug auf die Hochschullehre grob vier Bereiche bestimmen: erstens die Fachkompetenz, zweitens die Methodenkompetenz, also die Fähigkeit Wissensbestände anhand einer Methode zu erschließen und zu vermitteln, drittens die Sozialkompetenz, die die Kommunikations- und Konfliktfähigkeit umfasst, sowie viertens die personelle Kompetenz, welche individuelle Fähigkeiten wie etwa den Umgang mit ambivalenten Situationen und die Fähigkeit zum eigenständigen Arbeiten umfasst. Diese Bereiche zusammen sollen, zum Beispiel hinsichtlich der Berufspraxis, zu einer allgemeinen Handlungskompetenz der Studierenden beitragen (Heyse et al. 2002, S. 12).

Durch die „Umkehrung“ des Kurses – also den Verzicht auf einen explizit inhaltlich-fachlichen Fokus auf den Drogenkonflikt – und der sich hieraus ergebenen Schwerpunktsetzung auf den Projektcharakter der Veranstaltung, sollten unterschiedliche Kompetenzen bei den Studierenden gezielt gefordert und gefördert werden. Insbesondere Kreativität und Selbstverantwortung müssen in Bezug auf die Schaffung eines Planspiels herausgestellt werden. Zudem beinhaltete der Kurs auch offen gestaltete Elemente: Im Vorfeld wurden durch die Planung des Kurses zwar viele Parameter für das Planspiel selbst gesetzt (Ort, Konflikt etc.), gleichzeitig sollte den Studierenden aber auch die Möglichkeit zur Mitbestimmung und kreativen Mitarbeit an dem gemeinsamen Projekt gegeben werden. Somit waren Teile des Planspiels (bspw. der Trigger oder das Ende des Spiels) nicht abschließend bestimmt und wurden erst durch die (gesteuerte) Interaktion der Teilnehmer_innen präzisiert. Präsenzsitzungen wurden so konzipiert, dass die Arbeitsschritte zur Erstellung der Rollenprofile für das Planspiel mit der Entwicklung des Gesamtprojektes Hand in Hand gingen.

3 Aufbau der Veranstaltung

Die Veranstaltung gliederte sich in fünf inhaltliche Blöcke. Der erste Block bestand aus einer allgemeinen Einführung, bei welcher vor allem der Aufbau der Veranstaltung als Gesamtprojekt erläutert wurde. Zu diesem einführenden Block gehörte auch eine ganztägige Veranstaltung am Wochenende, zu der Tobias Ide, Leiter des Arbeitsfelds Schulbuch und Konflikt am Leibniz-Institut für Schulbuchforschung in Braunschweig, als externer Gast eingeladen war. Er stellte das selbst entwickelte und mehrfach getestete Planspiel „Environmental Peace Building“ vor und spielte dieses mit der Gruppe. Im Anschluss wurden die Erfahrungen aus dem Spiel reflektiert und ein Input durch den Referenten bezüglich Erstellung und Weiterentwicklung des Planspiels gegeben. Ziel des ersten Blocks waren auch eine erste Erwartungsabklärung mit den Studierenden sowie eine gemeinsame Planspielerfahrung, auf die im Laufe der Veranstaltung Bezug genommen werden konnte.

Im zweiten Block der Veranstaltung wurde sich dem Drogen- und Gewaltkonflikt in Mexiko und an der Grenze zu den USA angenähert. Die Studierenden hatten im Vorfeld die Aufgabe erhalten, eigenständig Literatur zu dem Thema zu recherchieren und diese in Form von Reading Responses auf der E‑Learning-Plattform für alle Teilnehmer_innen zugänglich zu machen. Ausgehend von dieser Vorbereitung durch die Studierenden wurde dann ein Input durch das Teaching-Team gegeben. Dieser Input spiegelte in einem ersten Schritt die inhaltliche Aufarbeitung seitens des Teams wieder und wurde in einem zweiten Schritt mit den Reading Responses der Studierenden angereichert. Hierbei war das Ziel, inhaltlich-fachliche Diskussionen zum Konflikt bei den Teilnehmer_innen des Kurses anzuregen, was auch gelang.

Im dritten Block wurde dann ein mögliches Planspielszenario, situiert in einer (fiktiven) Stadt an der Grenze zwischen Mexiko und den USA, vorgestellt sowie eine erste Skizze möglicher Konfliktlinien des Szenarios präsentiert. Ziel des Blocks war es zum einen, Feedback und Einschätzungen zu Szenario und Konflikt durch die Studierenden im Kurs zu erhalten und zum anderen entlang der Reading Responses die möglichen Rollen des Planspiels zu bestimmen. Ausgehend von diesem Block erhielten die Studierenden die Aufgabe, in Kleingruppen Rollenprofile für das Planspiel zu entwerfen und vorzubereiten.

Im vierten Block wurde durch einen Input des Teaching-Teams Literatur zur Methode Planspiel vorgestellt. Hieran wurde vor allem herausgearbeitet, was Ansprüche, aber auch Grenzen von Planspielen sind. So basiert ein Planspiel über die Rollenspielkomponente hinaus auf einem ausgearbeiteten Modell integrierter Konfliktlinien und Spieldynamiken (Geuting 2000). Die durch die Studierenden erstellten Rollenprofile sollten sich kohärent in das Modell und das Planspiel einfügen. Daher stellte dieser Block auch noch einmal die Möglichkeit dar, die von den Studierenden erarbeiteten Rollenprofile zu besprechen. Durch diesen Zwischenstand sollten Redundanzen und Überschneidungen vermieden und noch einmal die Ausrichtung der Rollen entlang der Konfliktlinien besprochen werden. Zuletzt wurde der Trigger für das Szenario durch die Dozierenden vorgestellt. Hier ergab sich die Herausforderung, dass die Formulierung des Triggers noch recht offen war und dieser gleichzeitig mit dem möglichen Ablauf des Planspiels sowie mit den Lernzielen des Spiels gekoppelt ist. Mit dem Begriff Trigger ist die konkrete Situation im Spiel gemeint, die den Spielbeginn bestimmt oder auf welche das Spiel hinausläuft, das heißt beispielsweise Wahlen oder die Entscheidung über die Durchführung eines Streiks. Es war dem Grundgedanken des Seminars entsprechend wichtig, an dieser Stelle den Studierenden eine produktive Rolle einzuräumen. Hier kamen zahlreiche Vorschläge aus dem Plenum, welche für die Weiterentwicklung des Planspieldokumentes wichtige Hinweise enthielten und in Bezug auf Spielbarkeit und Kohärenz in einem abschließenden Schritt durch die Seminarleitung in das Planspiel eingearbeitet wurden.

Nach der Finalisierung der Rollenprofile durch die Studierendengruppen stand im fünften Block des Seminars nun die Durchführung des eigenen Planspiels an. Dies wurde erneut während einer ganztägigen Sitzung realisiert. Abschließend wurden die Erfahrungen mit dem Planspiel besprochen. In der letzten Sitzung wurde dann noch einmal ein Blick zurück auf den Kurs geworfen und ein Ausblick auf die weiteren Projektabschnitte gewagt.

Diese weiteren Projektabschnitte bestanden aus einer intensiven Nachbearbeitung des erstellten Materials. Die dezentralen Arbeiten am Planspiel mussten nun zu einem gemeinsamen Ergebnis zusammengefasst werden. Dies fiel vor allem dem Teaching-Team zu. Die Rollenprofile wurden in Stil und Aufbau angepasst, Szenario, Konflikt sowie zahlreiche Hintergrundinformationen (wie beispielsweise Hinweise und Material für die Spielleitung) wurden schriftlich aufbereitet. Auch die Studierenden konnten optional noch ein letztes Mal das gemeinsame Produkt gegenlesen und Hinweise auf Veränderungen geben.

Hiernach wurde das Planspiel einem weiteren Testlauf unterzogen, diesmal an einer gymnasialen Oberstufe. Obwohl die Rollenprofile zuvor bereits im Hinblick auf sprachliche Verständlichkeit bearbeitet wurden, stellte sich heraus, dass die verwendete Sprache in den Rollenprofilen mitunter nicht dieser Zielgruppe entsprach. Bei der abschließenden Befragung der Schülerinnen und Schüler zeigte sich eine Streuung in Bezug auf die Verständlichkeit der Rollenprofile und des Szenarios.Footnote 5 Hieraus ergaben sich für das Teaching-Team weitere Aufgaben zur Nachbereitung des Projektes mit dem Ziel, das Planspiel in einer finalisierten, das heißt von Dritten durchführbaren, Version der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

4 Erfahrungen der Studierenden und der Dozierenden

Die Erfahrungen aus dem Kurs werden hier zunächst anhand der Angaben durch die Studierenden reflektiert, um dann in einem zweiten Schritt auf die Erfahrungen des Teaching-Teams einzugehen. Als erste Annäherung an die Beurteilung der Veranstaltung durch die Studierenden kann die standardisierte Evaluation durch das Institut für Politikwissenschaft der Universität Münster dienen. Hierbei sind unterschiedliche Items durch die Studierenden auf einer Skala (7 als beste und 1 als schlechteste Bewertung) zu beurteilen. Insgesamt zeigt sich eine sehr große Zufriedenheit der Studierenden mit der Veranstaltung.

Tab. 1 Ergebnisse der standardisierten Evaluation

Die Aussagekraft der universitätsübergreifenden Evaluation ist durch die starke Standardisierung geschwächt, insbesondere wenn die Besonderheiten einer Veranstaltung transparent gemacht werden sollen. Daher wird im Folgenden ein genauerer Blick auf die ergänzende Befragung der Teilnehmer_innen des Seminars geworfen, welche aus offenen Fragen und Beurteilungsfragen bestand.Footnote 6 Die ergänzende Evaluation lässt noch einmal einen differenzierteren Blick auf Stärken und Schwächen der Veranstaltung zu. Durch alle Abschnitte der Befragung zieht sich die Herausforderung der sehr eigenständigen Literaturrecherche bis hin zu dem Punkt, an dem sich einige Studierende nicht ausreichend für die Ausarbeitung der Rollenprofile vorbereitet gefühlt haben. An dieser Stelle wäre bei der erneuten Durchführung einer vergleichbaren Veranstaltung zunächst anzusetzen. Zudem ist anzumerken, dass in Bezug auf das entwickelte Planspiel auch die Vielschichtigkeit des Konfliktes unterschiedlich gesehen wurde. So merkten einige Studierende an, dass sie sich weitere Konfliktlinien im Planspiel vorstellen könnten. Hinsichtlich der Ausarbeitung der Rollenprofile und dem Szenario wurde vonseiten der Dozierenden darauf geachtet, dass die erste spielbare Version in Bezug auf den zentralen Konflikt eher ausgeglichen ist. Hier muss grundsätzlich eine Abwägung zwischen Spielbarkeit und Komplexität getroffen werden, wobei im vorgestellten Kurs seitens der Dozierenden die Spielbarkeit sowie die Ausrichtung der Rollenprofile am zentralen Konflikt in den Fokus der Aufmerksamkeit gestellt wurde. Vonseiten der Studierenden hätte der Konflikt jedoch auch noch auf andere Ebenen – wie bspw. die Frage der Drogenlegalisierung oder der Möglichkeit der Bestechung von Akteuren im Spielverlauf – ausgedehnt werden können.

Die Beurteilung des Kurses durch die Studierenden wird im Folgenden in Bezug auf Erfahrungen, Verbesserungsvorschläge und individuelle Motivation hin betrachtet. Als positiv wurden von den Studierenden die intensive Beteiligung am Lehr- und Lernprozess sowie die kreative Form des Projekts benannt. Insbesondere die Möglichkeit der Einflussnahme auf den Verlauf der Seminarsitzungen sowie das endgültige Produkt des Planspiels wurden hervorgehoben.

Demgegenüber wurden von den Studierenden der Arbeitsaufwand außerhalb des Seminars und die geringe Kommunikation zwischen den Arbeitsgruppen an den Rollenprofilen kritisiert. Hieran anknüpfend wurde vorgeschlagen, die Kommunikation zwischen den einzelnen Gruppen während der Erarbeitung der Rollenprofile stärker zu forcieren und Teile der in Eigenarbeit zu leistenden Aufgaben in die Präsenzsitzungen zu verlagern.

Somit wird insbesondere die kreative und organisatorische Komponente der Veranstaltung positiv hervorgehoben, die es den Studierenden erlaubt hat, sich in den ergebnisoffenen Bereichen der Planung einzubringen. Andererseits wurde kritisiert, dass die Kommunikation zwischen den Kleingruppen nicht proaktiv durch die Dozierenden gesteuert wurde. Die Möglichkeit einer verstärkten Kommunikation unter den Studierenden bestand zwar insbesondere über die E‑Learning-Plattform, auf welcher Zwischenprodukte der Kleingruppen ausgetauscht wurden, aber rückblickend hätte dieser Prozess seitens der Dozierenden stärker gelenkt werden können. So kann die Vorstrukturierung der Kommunikation – beispielsweise durch klar definierte Vorgaben auf der Lernplattform – auch dazu beitragen, die Kommunikationsroutine der Studierenden in projektorientierten Umfeldern zu erhöhen und hier den Kompetenzerwerb im sozialen und persönlichen Bereich zu fördern.

Auch in der ergänzenden Befragung wurde das Seminar durch die Studierenden also sehr positiv bewertet. Hierzu haben sicherlich der innovative Charakter des Kursformates sowie die optimale Teilnehmer_innenzahl von zehn Studierenden beigetragen. Insbesondere die kreative Konzeption und die weitreichenden Möglichkeiten der Einflussnahme im Kurs wurden mehrfach hervorgehoben. Das Feedback zeigt jedoch auch, dass der Kurs stark auf das Projekt und den hiermit verbundenen Kompetenzerwerb ausgerichtet war, wenngleich die Erwartung an ein Universitätsseminar seitens der Studierenden auch den inhaltlich-fachlichen Wissenserwerb umfassen. Die inhaltlich-fachlichen Komponenten sollten bei der Konzeption vergleichbarer Kurse somit hinreichend Raum erhalten.

5 Entwicklung eines gemeinsamen Lehrangebotes durch Studierende und Dozierende

Einen Kurs auf Betreiben von Studierenden zu organisieren und durchzuführen kann spannend, aber auch zeitaufwendig sein. Entschließt man sich dafür, mit Studierenden, die mit einer Idee für ein Seminar an einen herantreten, ein Teaching-Team zu bilden, können vielfältige und neue Herausforderungen entstehen. Teile dieser bislang gerade an deutschen Universitäten seltenen Praxis werden unter dem Begriff Partnership, eines vor allem in den USA und Großbritannien diskutierten Konzepts,Footnote 7 zusammengefasst. Da der hier besprochene Kurs diesen Weg eingeschlagen hat, möchten wir unsere Erfahrungen abschließend insbesondere für die Lehrpraxis reflektieren und das Potenzial von Lehr-Lern-Partnerschaften aufzeigen.

Grundsätzlich scheint die Einbindung von Studierenden in Planung und Durchführung eines Kurses eine mögliche Ressourcenersparnis zu versprechen. Richtig ist es, dass ein Entgelt für die Arbeitskraft und die Anstrengungen der Studierenden bei der Organisation von den meisten Instituten wohl nicht ohne Weiteres gezahlt werden kann. Falsch ist, dies nur als Vorteil zu sehen. Vielmehr sollte die hieraus entstehende Verantwortung gegenüber den Studierenden berücksichtigt und nach Möglichkeit ein konkretes Lern- und Erfahrungsangebot durch die Zusammenarbeit mit den Studierenden geboten werden. Die Erfahrung – nicht nur aus dem hier beschriebenen KursFootnote 8 – zeigt, dass es für eine erfolgreiche Kooperation zudem erhöhter zeitlicher Ressourcen bedarf. Dies gilt für beide Seiten. Für die Einbindung von Studierenden in die Vorbereitung und Durchführung von Kursen spricht jedoch, dass sie einen anderen und oftmals „frischeren“ Blick auf die universitäre Lehre mitbringen. Die Sicht von Studierenden stellt einen qualitativen Mehrwert dar und die Möglichkeiten, diese Perspektive einzubringen, haben auch positive Auswirkungen auf das Lernen der Studierenden selbst (vgl. Bovill et al. 2011). Zweitens erlaubt die Einbindung von Studierenden auch, Ideen zu erproben, die direkt aus der Zielgruppe des Unterrichts selbst kommen. Drittens kann es sehr bereichernd sein, in das Lehrangebot eines Institutes die studentische Perspektive über den gesamten Prozess der Seminarkonzeption hinweg einzubinden. Zuletzt sei genannt, dass man in der Rolle des Dozierenden durch ein solches Vorgehen in der Seminarerstellung und Gestaltung viel Neues lernen kann. Somit stellt sich zunächst immer die Frage, ob man sich auf Lehrverantwortung alleine oder gemeinsam einlassen möchte. Sollte man sich für Letzteres entschieden haben, sind aus unserer Erfahrung sieben Punkte zu beachten. Diese Liste spiegelt die Erfahrungen wieder, die im Rahmen dieses Kurses und weiterer Kurse gesammelt werden konnten und soll eine Orientierung und Entscheidungshilfe bieten. Zudem soll vor „Stolperfallen“ gewarnt werden, welche auf der gemeinsamen „Reise“ von Studierenden und Dozierenden durch die Vorbereitung und durch das Semester hinweg auftreten können.

Erstens sollte man das zusätzlich notwenige Zeitbudget für eine solche Unternehmung auf beiden Seiten großzügig einplanen. Hierüber sollte man im Vorhinein offen sprechen, denn eine gute Vorbereitung und Durchführung eines Seminars sind meist zeitintensiver als dies mitunter von Studierenden wahrgenommen wird. Zweitens sollte nicht unterschätzt werden, dass Studierende erst in ihre Rolle „hineinwachsen“ müssen. Für manche Studierende mag es selbstverständlich sein, eine veränderte Rolle gegenüber Kommiliton_innen einzunehmen. Mitunter kann aber auch eine Haltung vorherrschen – und hier kann auf die eigenen Erfahrungen aus der Studien- oder Promotionszeit verwiesen werden – die mehr darauf zielt, diese Rolle für sich selbst zu definieren als sich zu überlegen, was die Studierenden im Plenum von einem erwarten. Dies ist ein Lernprozess, den alle Dozierenden durchlaufen müssen, der aber eben auch für Studierende eine wichtige Grundlage bildet, die diesen Weg beschreiten. Hier sollte daher möglichst viel Orientierung und Feedback gegeben werden, dies jedoch auf gegenseitiger Basis. Drittens ist die Form des gemeinsamen Dozierens auch ein guter Anreiz für eine allgemein verstärkte Teilhabe von Seminarteilnehmer_innen am Verlauf des Seminars. Vor allem werden mögliche Barrieren, welche auf Hierarchien gegründet sein können und für den Lernprozess nicht immer produktiv sein müssen, leichter überwunden. Beim Aufbau und bei der Durchführung des Seminars sollte somit insbesondere auf partizipative Elemente Wert gelegt werden. So werden Seminare zu etwas Eigenem der Studierenden und dies kann zu einem „sense of belonging, which can be critical to student retention and success“ (National Union of Students 2012, S. 11) beitragen. „Fehler“ in diesem Prozess sollten nicht als Schwäche der Zusammenarbeit, sondern als Ausgangspunkte gemeinsamen Lernens verstanden werden. Somit ist die Interpretation der gemeinsamen Zusammenarbeit und deren Erfolg ein wichtiger Punkt, der in die Kooperation mit einbezogen werden muss. Viertens stellt das Team-Teaching Dozierende, die an der Universität arbeiten, auch vor die Herausforderung, oftmals implizites Wissen über Abläufe klarer darzulegen. So hat man beispielsweise über die Jahre Erfahrungen im Zeitmanagement in der Lehre gesammelt. Dies in der gemeinsamen Vorbereitung zu explizieren ist jedoch wichtig: „partnership raises awareness of implicit assumptions“ (Healey et al. 2014, S. 7). Hier die eigene Neugier zu bewahren und gleichzeitig eine klare und zuverlässige Kommunikation aufzubauen ist wichtig. Fünftens ist die Planung eines Seminars im Allgemeinen sowie die Literaturauswahl im Speziellen im Auge zu behalten. Das Seminar sollte von den Teilnehmer_innen am Ende noch mit einem vertretbaren Zeitaufwand zu bewältigen sein. Somit sollte die Lektüre nicht überborden und die Arbeitsaufträge an die teilnehmenden Studierenden sollten auch im Rahmen der anderen universitären Angebote der gewählten Seminarart bleiben. Sechstens sollte die Notwendigkeit von Rücksprache und fortlaufendem Feedback an die mitdozierenden Studierenden berücksichtigt werden. Sich einmal pro Woche oder alle 14 Tage zu treffen und dieses Treffen auch intern für Absprachen zu nutzen kann sehr hilfreich sein. Ebenfalls sollte eine gemeinsame Sprechstunde für die Teilnehmer_innen des Seminars in Betracht gezogen werden, die zugleich als Koordinationstreffen des Teaching-Teams dient. Siebtens sollten wesentliche Teile der formalen Organisation in den Händen des Dozierenden verbleiben. Dass die Beurteilung von Studien- und Prüfungsleistungen Aufgabe des Dozierenden bleibt, sollte hier nicht weiter ausgeführt werden müssen, wenngleich die Einschätzung von Leistungen in einer vertrauensvollen Lehrsituation durchaus interessant sein kann. Vor allem aber die Organisation von Räumlichkeiten etc., also all das, was mit der „Eigenlogik der Universität“ zusammenfällt, sollte nicht übergeben werden, da die Erfahrungen von Dozierenden hier den Studierenden eine mitunter lange und frustrierende Einarbeitungsphase ersparen kann.

6 Diskussion

Planspiele bieten in universitären Seminaren zahlreiche didaktische Anknüpfungspunkte. Der hier beschriebene Kurs hat nicht nur ein Planspiel zur inhaltlichen Einführung in eine spezifische Thematik genutzt, sondern die Entwicklung eines Planspiels selbst zum Gegenstand gemacht. Durch den projektartigen Charakter der Veranstaltung war es möglich, unterschiedliche Bereiche des Kompetenzerwerbs bei Studierenden im Verlauf des Seminars zu berücksichtigen. Um die Gesamterfahrung aus dem durchgeführten Seminar zusammenzufassen, müssen zwei Ebenen betrachtet werden: Erstens der Kompetenzerwerb der Studierenden, die das Seminar besucht haben sowie die Interaktion der Studierenden untereinander und zweitens die Einbindung von Studierenden in die Umsetzung des Seminarformats durch Team-Teaching.

Mit Blick auf den hier beschriebenen Kurs kann herausgestellt werden, dass der Kompetenzerwerb der Studierenden über die inhaltlichen und fachlichen Bereiche hinaus mit der hier vorgestellten Konzeption gut gefördert werden kann. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass im Rahmen einer universitären Veranstaltung auf den fachlich-inhaltlichen Aspekt eine stärkere Betonung gelegt werden kann. Gerade eine gezielte Literaturauswahl durch das Teaching-Team kann Studierenden zusätzliche Orientierung bieten. Zudem besteht ein Trade-off zwischen Offenheit und Vorstrukturierung: Die Kombination aus Vorgaben zu dem Szenario und dem Konflikt in Kombination mit Freiheiten in Bezug auf die Rollenprofile scheint in dem hier dargelegten Fall die richtige Balance für die Studierenden gewesen zu sein. Diese kann bei der Konzeption ähnlicher Projekte jedoch auch anders bestimmt werden. Die Größe der Gruppe ist hierbei zu beachten, unter anderem da das Problem der Kommunikation mit und zwischen den Studierendengruppen sich in einer größeren Veranstaltung potenzieren dürfte. Denkbar wären zusätzliche Sitzungen oder eine stärkere Strukturierung der Onlinekommunikation zwischen den Studierenden – bspw. durch die Pflicht, regelmäßig Arbeitsstände zu kommunizieren und Peer-Feedback zu geben.

Zweitens lässt sich die gewählte Form des Team-Teachings diskutieren. Nicht nur die Seminarteilnehmer_innen, sondern auch das Teaching-Team war im Kern mit einer neuen, unbekannten Situation konfrontiert, die die Fähigkeiten individuell und kooperativ zu arbeiten auf die Probe gestellt hat. Von dem in Bezug auf die Studierenden bereits diskutierten Kompetenzerwerb sind auch die Lehrenden an dieser Stelle nicht ausgenommen. Sich im universitären Rahmen den oben besprochenen Vorzügen und Risiken dieser Situation zu stellen, ist hinsichtlich der Pluralisierung von Lehrformaten konstruktiv. Zugleich mahnt die Ressourcenintensität der Arbeit in Teaching-Teams an, die hier vorgestellte Konstellation nicht zu verallgemeinern. Abschließend darf nicht ausgeblendet werden, dass die Aneignung der eigenen Lehre durch die Studierenden kein abschließbarer Prozess ist. Einmal durch studentische Partizipation erarbeitete Formate müssen konsequenterweise auch folgenden Generationen von Studierenden in ihrer Ausgestaltung offenstehen (vgl. Bovill et al. 2011). Nichts anderes beschreibt unser Verständnis des Terminus „Projektorientierung“ letztendlich, denn die partnerschaftliche Einbindung von Studierenden in die Lehre kann implizieren, dass die Form der Seminare nicht bereits vorgegeben ist. Dem durch die Kompetenzorientierung ausgelösten Veränderungsdruck auf die politikwissenschaftliche Hochschullehre kann durch die Fortsetzung des hier vorgestellten Formats begegnet werden.