Bremsscheiben sind zum Teil extrem hohen Belastungen ausgesetzt und erzeugen aufgrund von Verschleiß und Abrieb Feinstaub. Impact Innovations hat untersucht, wie sich verschiedene Beschichtungen mit dem Kaltgasspritzverfahren auf Korrosionsbeständigkeit, Verschleißverhalten, Haftzugfestigkeit zwischen dem Beschichtungsmaterial und der Bremsscheibe sowie Rissbildungsverhalten auswirkt. Sowohl das Potenzial, Feinstaubemissionen zu reduzieren, als auch wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit standen im Fokus.

Die Vorgaben für Emissionsgrenzwerte in der Automobilindustrie werden immer strenger. Dank verbesserter Abgasreinigung kann bei modernen Fahrzeugen eine Reduzierung der Abgasemissionen erreicht werden. Allerdings wird immer noch vernachlässigt, wie viel Feinstaub durch den Abrieb von Reifen und dem Bremssystem entsteht. Gut die Hälfte der Feinstaubemissionen im deutschen Straßenverkehr wird durch Reifen- und Straßenabrieb verursacht, ein weiteres Viertel durch Bremsenabrieb. Aufgrund strengerer umweltbezogener EU-Vorschriften sind durch Bremsenverschleiß hervorgerufene Emissionen für die Automobilindustrie ein wachsendes Problem.

Bremsscheiben als eines der am stärksten beanspruchten Teile im Fahrzeug müssen in relativ kurzen Abständen ausgetauscht werden. Grauguss ist der gängigste Werkstoff für Bremsscheiben. Auf dieser Basis hergestellt sind sie nicht nur günstig in der Produktion, sondern verfügen auch über alle erforderlichen mechanischen Eigenschaften. Problematisch sind jedoch die schlechte Korrosionsbeständigkeit und der übermäßige Verschleiß der Bremsscheibe während des Betriebs sowie der dadurch resultierende Feinstaub. Da im Kfz-Bereich aus Kostensicht noch kein Werkstoff mit Grauguss konkurrieren kann, stellt die Hartmetallbeschichtung von GraugussBremsscheiben weiterhin die praktikabelste Lösung dar. Herkömmliche thermische Beschichtungsverfahren sind jedoch sehr materialintensiv und die geforderten Eigenschaften hinsichtlich Schichthaftung, Korrosionsbeständigkeit und Rissverhalten können nicht erfüllt werden. Daher sind neue Verfahren notwendig, wie das Kaltgasspritzen.

Verfahrensmerkmale

Das Kaltgasspritzen gilt als das fortschrittlichste aller thermischen Spritzverfahren. Anders als Laserauftragsschweißen ist das Kaltgasspritzverfahren frei von Patentschutz aller großen Automobilhersteller. Im Vergleich zu konventionellen thermischen Spritzverfahren bietet es besondere Vorteile, da das Ausgangsmaterial während des Prozesses weder auf- noch angeschmolzen wird. Dadurch wird der thermische Einfluss auf die Beschichtung und das Substratmaterial minimiert. Die mechanischen Eigenschaften bleiben erhalten; es kommt zu keiner Delamination oder starken Rissbildung in der Beschichtung, und die Partikelemission wird drastisch reduziert. Dank der hohen kinetischen Energie der Partikel und dem damit verbundenen hohen Verformungsgrad beim Aufprall auf das Substrat können homogene und sehr dichte Beschichtungen hergestellt werden. Die Bandbreite der Schichtdicken reicht von wenigen hundertstel Millimetern bis hin zu mehreren Zentimetern. Es werden hauptsächlich metallische Beschichtungen hergestellt, deren physikalische und chemische Eigenschaften sich kaum von den Eigenschaften des Grundwerkstoffs unterscheiden.

Bei der System- und Anlagentechnik von Impact Innovations wird ein Prozessgas - vorzugsweise Stickstoff oder Helium - mit einem Druck von bis zu 60 bar (870 psi) der Beschichtungspistole zugeführt und auf eine Temperatur von maximal 1100 °C (2000 °F) erhitzt. Anschließend wird das erhitzte und unter hohem Druck stehende Gas in einer konvergent-divergenten Düse auf Umgebungsdruck expandiert. Das führt zur Beschleunigung des Prozessgases auf Überschallgeschwindigkeit und gleichzeitig zur Abkühlung des Gases auf eine Temperatur unter 100 °C (212 °F). Das zu verarbeitende Pulvermaterial wird vor dem konvergenten Teil der Düse mittels einer Pulverfördereinheit und eines Trägergases injiziert und im Hauptgasstrom auf eine Partikelgeschwindigkeit von bis zu 1200 m/s beschleunigt. Im Spritzstrahl treffen die extrem schnellen Pulverpartikel auf die - meist unbehandelte - Oberfläche des Bauteils auf, verformen die Partikel und bilden eine stark haftende/kohäsive und oxidarme Beschichtung.

Haftzugsfestigkeit

Eines der Hauptmerkmale des Kaltgasspritzens ist die hohe Haftzugsfestigkeit zwischen der Beschichtung und dem Substratmaterial. Der Grund für hohe Haftungskräfte ist die hohe kinetische Energie, die beim Auftreffen der Pulverpartikel auf die Oberfläche erzeugt wird. Dies führt zu einer Mischung aus mechanischer Verklammerung und einem Diffusionsprozess zwischen den Partikeln.

Typischerweise wird die Haftzugsfestigkeit über einen Klebstofftest gemessen. Mit dem aufgetragenen Klebstoff soll das Beschichtungsmaterial abgezogen werden. Herkömmliche Industrieklebstoffe haben jedoch eine begrenzte Haftzugsfestigkeit von 70 MPa, anspruchsvollere Klebstoffe eine von 90 MPa. Die Haftzugsfestigkeit von kaltgasgespritzten Beschichtungen ist jedoch in der Regel höher. Zum Nachweis ist ein spezieller Versuchsaufbau erforderlich, Bild 1. Die gemessene Haftzugsfestigkeit im Kaltgasspritzverfahren beträgt 130 ±5 MPa für Grauguss-Bremsscheiben und ist vom Beschichtungsmaterial und dem Karbidgehalt abhängig.

Bild 1
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Schematische Darstellung des Versuchsaufbaus; die angewandte Prüfnorm für diesen speziellen Aufbau ist eine modifizierte Norm DIN EN 582 (© [M] Boruaha et al. [1])

Thermischer Verzug

Da beim Kaltgasspritzverfahren das beschichtete Metall nicht aufgeschmolzen wird, bleibt die Temperatur des Beschichtungsmaterials immer weit unter seinem Schmelzpunkt. Für Bremsscheibenanwendungen liegen die gemessenen Oberflächentemperaturen deutlich unter 200 °C (392 °F). Diese niedrige Temperatur führt zu keiner thermischen Belastung beziehungsweise zu keinem Verzug der Bremsscheiben. Messkreise auf der Innen- und Außenseite der Reibringflächen auf der Rad- und Nabenseite zeigen nach der Beschichtung (vor dem Schleifen) Abweichungen im Bereich von 20 bis 30 µm. Diese Werte entsprechen den Toleranzen vor der Beschichtung und der Oberflächenrauheit nach der Beschichtung, Bild 2.

Bild 2
figure 2

Messkreise auf Reibringflächen von Bremsscheiben (© Sturm [2])

Dieser signifikante Vorteil, dass die Scheibe durch das Kaltgasspritzverfahren nicht dimensional beschädigt wird, macht geringere Beschichtungsstärken möglich. Dies führt nicht nur zu niedrigeren Beschichtungskosten, sondern auch zu niedrigeren Schleifkosten im Vergleich zum Laserauftragsverfahren. Darüber hinaus profitiert die Produktion von einer vereinfachten Prozesskontrolle, da die Beschichtungsparameter je nach Form oder Abmessung der Bremsscheiben nicht angepasst werden müssen, um die thermische Belastung und den Verzug zu minimieren. Außerdem kann eine einzelne Bremsscheibe parallel von beiden Seiten gleichzeitig mit zwei Spritzpistolen beschichtet werden.

Verhaltenstests

AK-Master-Tests nach SAE-J2522- Norm geben einen ersten Eindruck über die Leistungsfähigkeit der Bremsscheibenbeschichtungen hinsichtlich des tribologischen Verhaltens zwischen Beschichtung und Bremsbelag sowie des Bremsverhaltens. Verschiedene Verbund-Beschichtungsmaterialien auf Grauguss-Bremsscheiben zeigten nahezu keinen Verschleiß an den Scheiben (>95 % Reduktion) und sogar einen leicht reduzierten Verschleiß an den Bremsbelägen. An den Oberflächen und an den Querschliffen ist kaum Verschleiß erkennbar, Bild 3 und Bild 4. Die Karbide sind gut und gleichmäßig in der gesamten Schicht eingebunden, und der homogene Spritzstrahl sorgt für eine gleichmäßige Schichtdicke mit geringen Toleranzen im Bereich von ±20 µm.

Bild 3
figure 3

Kaltgasbeschichtete Bremsscheibe (links) und Bremsbeläge (rechts) nach Durchführung eines AK-Master-Tests (© Impact Innovations)

Bild 4
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Homogene Hartstoffverteilung im Matrixmaterial sichtbar (links) und gleichmäßige Schichtdicke auch nach dem AK-Master-Testlauf (rechts) (© Impact Innovations)

Wenn Standard-Bremsbeläge verwendet werden, sind auf hartbeschichteten Bremsscheiben typischerweise um 0,1 bis 0,15 reduzierte Reibwerte zu beobachten. Aber Testergebnisse großer OEMs belegen, dass angepasste Bremsbeläge zu typischen Werten im Zielbereich von 0,4 bis 0,5 führen.

Korrosionsschutz und Rissbildungstests

Werden Materialien auf Basis von Titanlegierungen als Matrixmaterial für die Deckschicht von Bremsscheiben verwendet, ist keinerlei Korrosion feststellbar. Auch nach Durchführung von Verschleißtests wurde die Bremsscheibe 720 h in einer Salznebelsprühkammer getestet. Der Salznebelsprühtest mit 5 % NaCl wurde gemäß der Norm ISO 9227 durchgeführt. Am beschichteten Reibring war keinerlei Korrosion feststellbar, Bild 5.

Bild 5
figure 5

Keine Korrosion an kaltgasbeschichteten Reibringen nach 720 h Salznebelsprühtest (© Impact Innovations)

Kaltgasgespritzte Bremsscheiben wurden bereits mehreren unterschiedlichen Rissbildungstests auf Testprüfständen und in Fahrversuchen unterzogen. Nach einigen Durchläufen beispielsweise des von der Zeitschrift Auto Motor Sport entwickelten AMS-Tests ist nahezu kein Verschleiß feststellbar. Einer der härtesten bestandenen Risstests erfordert insgesamt 150 Vollbremsungen von der Fahrzeughöchstgeschwindigkeit bis auf 5 km/h. Selbst nach solch extremen Testbedingungen trat keine Schichtdelamination auf, und es sind nur wenige kleine Risse in der Deckschicht sichtbar. Eine detaillierte Schichtanalyse ergab jedoch, dass keine Risse die Zwischenschicht auch nur berühren, sodass keine Risse bis zum Grauguss durchdringen können, Bild 6.

Bild 6
figure 6

Nach harten Rissbildungstests mit 150 Vollbremsungen wurden keine Risse beobachtet, die die Zwischenschicht berühren oder durchdringen (© Impact Innovations)

Emissionen und Wirtschaftlichkeit

Erste Emissionsmessungen mit kaltgasgespritzten Bremsscheiben großer Automobilhersteller belegen, dass die Feinstaubbelastung im Vergleich zu unbeschichteten Bremsscheiben um über 85 % reduziert werden konnte. Dadurch können zukünftige EU-7-Vorschriften erfüllt werden.

Die hohen Auftragsraten von 12 kg/h pro Spritzpistole und Auftragswirkungsgrade zwischen 88 bis 99 % führen zu einem Hochleistungsbeschichtungsprozess mit enormen Kapazitäten. Serienmäßig beim VW Golf eingesetzte Bremsscheiben mit 280 mm Durchmesser können in circa 30 bis 60 s zu Kosten von 10 Euro pro Scheibe selbst bei zweilagigem Schichtaufbau beschichtet werden, Tabelle 1. Dies spart nicht nur Prozess- und Investitionskosten, sondern auch benötigten Arbeitsraum im Vergleich zu anderen Technologien wie dem Laserauftragsschweißen.

Tabelle 1 Kostenkalkulation für eine im VW Golf eingesetzte Bremsscheibe (Ø 280 mm) mit zweilagigem Schichtsystem (© Impact Innovations)

Die kaltgasgespritzten Beschichtungen für Bremsscheiben sind bereits von zwei großen Automobilherstellern technisch qualifiziert. Erste Ergebnisse zeigen, dass für kleinere Autos und Hinterradbremsen auch einlagige Beschichtungen ausreichen werden, um allen Verschleiß- und Rissbildungstests etc. standzuhalten. Dies führt zu zusätzlichen Kosteneinsparpotenzialen, genauso wie die Qualifizierung weiterer Beschichtungsmaterialien.

Daneben führt das Verfahren auch zu minimierten Schleifkosten. Reduzierte Oberflächentoleranzen, geringere Rauheit und kein thermischer Verzug ermöglichen kleinere Schleifzugaben. Es muss weniger Beschichtungsmaterial abgetragen werden, was Schleifkosten und -zeit spart. Außerdem ist die Schichtdicke über die gesamte Bremsscheibe gleichmäßiger für ein konstant hohes Leistungsniveau.

Zusammenfassung und Ausblick

Wie die Untersuchungen zeigen, bietet das Kaltgasspritzverfahren gegenüber anderen Beschichtungstechnologien einfache Verfahrensschritte, hohe Zuverlässigkeit und geringe Kosten. Da es sich um einen kalten Prozess handelt, sind alle Prozessparameter unabhängig von den Abmessungen und der Form der Bremsscheiben immer konstant. Es gibt keinen thermischen Verzug der Scheiben, und der Schichtaufbau zeichnet sich durch eine Gleichmäßigkeit aus. Dadurch können die Schichtdicke auf ein Minimum reduziert und die anschließenden Schleifkosten minimiert werden. Eine Standard-Bremsscheibe kann auch im Einschichtsystem (ohne Zwischenschicht) in weniger als 30 s beschichtet werden. Zukünftige weitere Anwendungsmöglichkeiten des Kaltgasspritzprozesses liegen in der Kühlung von Batterien und Leistungsschaltern durch die Beschichtung von Hybridkühlkörpern mit Kupfer.

Literaturhinweise

  1. [1]

    Nachdruck aus Surface & Coatings Technology, Band 381, Dibakor Boruaha, Ben Robinson, Tyler London, Huan Wu, Heidi de Villiers-Lovelock, Philip McNutt, Matthew Doré, Xiang Zhang, Experimental evaluation of interfacial adhesion strength of cold sprayed Ti-6Al-4V thick coatings using an adhesive-free test method, 15 Januar 2020, mit Genehmigung von Elsevier (inklusive Übersetzung ins Deutsche)

  2. [2]

    Martin, C.: ADCS - Advanced Disc Coating System. Sturm Gruppe, Salching, Deutschland, 2021, mit Genehmigung