Der überwiegende Anteil am Feinstaub aus dem Verkehr wird mittlerweile von Reifen, Straßenbelägen und Bremsen verursacht. Der veröffentlichte Entwurf einer technischen UN-Richtlinie zur Messung des Bremsabriebs bildet die Basis für die zukünftige Limitierung. AVL konnte durch umfassende Optimierung der gesamten Messkette ein System darstellen, das in der Lage ist, wiederholbare und vergleichbare Messergebnisse zu liefern. Zusätzliche Funktionen dieser Prüfumgebung erlauben, auch das Restpotenzial für Bremsemissionen von elektrifizierten Antriebssträngen aufzuzeigen.

Verbesserungen des Abgasverhaltens von Antriebsaggregaten aufgrund von immer strengeren Abgasvorschriften haben zur stetigen Verringerung der Feinstaubbelastung geführt. Bis zu 86 % der verkehrsbedingten Emissionen von Partikeln kleiner 10 µm (Particulate Matter, PM10) stammen aktuell nicht mehr aus dem Abgas. Zur weiteren Entlastung der Umwelt wird dem Bremsabrieb das größte Emissionsreduktionspotenzial zugeschrieben.

Im Rahmen des "Particle Measurement Programme" (PMP) der Arbeitsgruppe für Umweltverschmutzung und Energie der Vereinten Nationen (Working Party on Pollution and Energy, UN-GRPE) wurde eine Methodik für die Probenahme und Messung von Bremsabriebpartikeln entwickelt. Der neue Bremszyklus (nach der World Harmonized Test Procedure - WLTP-Brake) simuliert reale Fahrzustände auf dem Komponentenprüfstand. In Anlehnung an die Festlegung gegen Umweltverschmutzung aus dem PMP ist die emittierte Gesamtmasse von PM10 und von Partikeln kleiner als 2,5 µm (PM2,5) sowie - entsprechend der künftigen Abgasgesetzgebung - die Anzahl an Feststoffpartikeln zwischen 10 nm und 2,5 µm (Solid Particle Number, SPN10 nm) und die Anzahl der Gesamtpartikeln im gleichen Größenbereich (Total Particle Number, TPN10 nm) zu bestimmen. Die Methodik wurde hinsichtlich ihrer Messergebnisse im Rahmen von interlaboratoriellen Ringversuchen bewertet. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind in die Global Technical Regulation (UN-GTR) eingeflossen. Diese wird in Kürze veröffentlicht, bezieht sich aber aktuell nur auf reine Reibbremsen. Im Rahmen einer Revision soll auch rekuperatives Bremsen moderner Antriebssysteme in den Emissionsmessungen Berücksichtigung finden. Diese UN-GTR dient als Basis für eine zukünftige regionale Gesetzgebung zur Fahrzeughomologation.

Optimiertes Messsystem

Bild 1 zeigt die Hauptkomponenten des AVL-Messsystems. Die Luft wird durch eine Temperatur- und Feuchteregelung konditioniert und über einen Hocheffizienzfilter der Einhausung zugeführt. Der Luftstrom kühlt das Bremssystem und transportiert die während des Bremsvorgangs entstandenen Partikel möglichst vollständig ab. Dabei stehen für das Entnahmesystem die Homogenisierung der Strömung und die Minimierung der Partikelverluste im Vordergrund. Für die Messgeräte mit ihren Transferleitungen sind ebenfalls minimale Partikelverluste sowie der effiziente Prüfstandbetrieb von Bedeutung. Die Geometrie der Einhausung ist im aktuellen Entwurf der Richtlinie in engen Grenzen definiert. Ihre Eignung für diese Anwendung wurde unter anderem im Rahmen des Ringvergleichs [1, 2] auch experimentell nachgewiesen. Die geforderte Homogenisierung der Strömungsgeschwindigkeit reduziert die Kühlleistung der Luftströmung an der Bremse und verlängert zwangsläufig die Abkühlphasen und damit die Gesamttestzeit. Die einzuhaltenden Temperaturgrenzen an der Bremsscheibe, abhängig von der Kühleffizienz der Einhausung in Verbindung mit den Bremsvorgängen, bestimmen den erforderlichen Luftstrom im Messsystem und weitere Parameter.

Bild 1
figure 1

Hauptkomponenten des AVL-Systems zur Messung der Bremsabriebpartikel (© AVL)

Eine zentrale Herausforderung ist die Vermeidung von Partikelverlusten im gesamten Messsystem. Im automobilen Umfeld werden PM2,5 und SPN10 nm hinlänglich beherrscht; bei PM10 bedarf es aufgrund anderer physikalischer Eigenschaften besonderer Aufmerksamkeit. Aus Platzgründen wird die Verbindung vom Austritt aus der Einhausung bis zu den Partikelsonden oft eine einmalige 90°-Umlenkung erfordern. Die Diagramme in Bild 2 stellen die Verluste für PM2,5 und PM10 dar. Sie basieren auf zwei Partikelgrößenverteilungen, die die Eigenschaften der Bremspartikel gut beschreiben. Im 90°-Bogen gehen mit steigender Strömungsgeschwindigkeit primär die großen Partikel aufgrund der Massenträgheit verloren, wie in Bild 2 (links) im unteren rechten Quadranten zu sehen ist, während die Verluste für kleinere Partikel und PM2,5 vergleichsweise sehr gering sind. Zur Minimierung der Verluste liegt der Rohrdurchmesser des AVL-Systems nahe der oberen, von der Richtlinie definierten Grenze. Um auch die großen Partikel an der Entnahmestelle und im Eintrittsquerschnitt in die Sonde nicht zu verlieren, müssen die Strömungsgeschwindigkeiten der Aerosole möglichst gleich (isokinetisch) sein. Deren Verhältnis zueinander ist in engen Grenzen definiert. Die auf den Entnahmestrom der angeschlossenen Messgeräte abgestimmten Zyklone sind direkt an den Sonden angebracht und übernehmen die Größenselektionen für die entsprechenden Messmetriken. Die Transferleitungen von den Zyklonen zu den Messgeräten sind ebenfalls relevante Verlustquellen - speziell für PM10. Nur ein kleines Fenster zeigt akzeptable Verluste bei geringen Strömungsgeschwindigkeiten und vergleichsweise großen Durchmessern der Entnahmeleitung, wie in Bild 2 (rechts) im unteren rechten Quadranten abzulesen ist.

Bild 2
figure 2

Verluste im 90°-Bogen für zwei Größenverteilungen (charakterisiert durch Durchmesser dg und Standardabweichung σg): in Abhängigkeit von der mittleren Strömungsgeschwindigkeit (links); in Abhängigkeit des Durchflusses und des Innendurchmessers der Entnahmeleitung zu den Filtersammlern (rechts) [3] (© AVL)

Bild 3 (links) stellt die resultierende Übertragungsfunktion für PM2,5 und PM10 in Abhängigkeit von der Partikelgröße der gesamten Messanordnung dar. Für PM2,5 wird diese hauptsächlich durch den Zyklon in der Entnahmeleitung bestimmt. Die Verluste des gesamten Übertragungswegs vom Austritt aus der Einhausung bis zum Messgerät für PM2,5 sind also von untergeordneter Bedeutung. Im Gegensatz dazu erfordert ein verlustarmes System für PM10 die Optimierung des Gesamtsystems unter Berücksichtigung der spezifischen Eigenschaften. Aus der Summe aller Gestaltungsparameter folgen zu erwartende Filtergewichte, die deutlich über jenen liegen, die typischerweise bei Abgasmessungen von Niedrigstemissionsfahrzeugen auftreten. Sie können bei entsprechender Sorgfalt prozesssicher gewogen werden. Bild 3 (rechts) zeigt beispielhaft, dass die Messung grundsätzlich ausreichend wiederholbar ist. Viele zusätzliche Spezifikationen sind im Nachgang in die UN-GTR eingeflossen, um die Vergleichbarkeit der Messmethode weiter zu verbessern.

Bild 3
figure 3

Gesamtverluste der Messanordnung für PM2,5 und PM10 (links) [3]; Wiederholbarkeit und Vergleichbarkeit der PM-Emissionen für zwei verschiedene Bremsen in drei Laboren (rechts) [4] (© AVL)

Die Verluste bei den Messungen von SPN10 nm und TPN10 nm sind weniger kritisch als bei der PM10-Messung. Die optimierte Geometrie des AVL-Systems erlaubt die Verwendung getrennter Sonden für SPN10 nm und TPN10 nm, um auf einen Strömungsteiler im Messgaspfad als zusätzliche Verlustquelle verzichten zu können. Für die Partikelanzahl kommen die bewährten PMP-konformen Partikelzähler mit notwendigen Modifikationen, die den Anforderungen der neuen Messmethode und dem optimierten Gesamtsystem geschuldet sind, zum Einsatz.

Die Luftaufbereitung muss für eine gültige Messung in engen Grenzen nahezu konstante Temperaturen und Luft mit nahezu konstanter relativer Luftfeuchte liefern. Die Luftreinheit wird mittels Hepa-Filterung sichergestellt und anhand der limitierten SPN10 nm- und TPN10 nm-Hintergrundemissionen nachgewiesen. Die Position des Gebläses im Messsystem - entweder vor dem Luftfilter (als drückendes System), nach der Luftmessung am Ende der Messtrecke (als saugendes System) oder als Kreislaufsystem - ist technisch gesehen nicht von Bedeutung und wird primär von operativen Erfordernissen oder Sicherheitsaspekten abhängig sein. Davon hängen auch die technischen Möglichkeiten zur konkreten Ausgestaltung der Dichtheitsüberprüfung ab. Schließlich trägt noch die Luftmassenmessung wesentlich zur Qualität des Endergebnisses bei. Diese sollte vorzugweise für den Einsatz im partikelbeladenen Aerosol geeignet sein und zur Sicherstellung der notwendigen Genauigkeit als Einheit direkt auf Massen- beziehungsweise Volumenstrom kalibriert sein. Einbauten zwischen Probenentnahme und Luftmassenmessung wie beispielsweise Filter vor der Luftmassenmessung sind aus strömungstechnischer, aus Messgüte- sowie Brandschutzsicht kritisch zu bewerten. Einige Festlegungen diesbezüglich sind ebenso noch in Diskussion.

Elektrifizierte Antriebsstränge

Der vorliegende Entwurf der UN-GTR impliziert einen direkten Zusammenhang zwischen Fahrzeugmasse, Geschwindigkeitsprofil des Tests und notwendiger Reibarbeit der mechanischen Bremse. Elektrifizierte Antriebsstränge hingegen erlauben die Reduktion der Reibarbeit bei gleichem Fahrzeuggewicht durch Rekuperation. Ihnen wird daher großes Potenzial zugeschrieben, Emissionen aus dem Bremsabrieb zu verringern. Um den Einfluss der Rekuperation auf die Bremsemissionen darzustellen, hat AVL das Fahrzeug- und Bremsverhalten eines VW ID.3 mit Heckantrieb zunächst durch Benchmarkmessungen ermittelt. Mithilfe der Echtzeitsimulation dieses Fahrzeugmodells konnten die Partikelemissionsergebnisse am Bremsenprüfstand bei ausschließlicher Verwendung der Reibbremse jenen bei aktivierter Rekuperation gegenübergestellt werden, Bild 4.

Bild 4
figure 4

Bremsarbeit und Partikelemissionen im WLTP-Brake mit und ohne aktivierter Rekuperation [5] (© AVL)

Zur Wahrung der Fahrzeugstabilität ist das Rekuperationspotenzial eines hinterradangetriebenen Fahrzeugs prinzipiell begrenzt, das Potenzial zur Reduktion der Bremsemissionen ist trotzdem beträchtlich. Durch Optimierung der Rekuperationsstrategie im Zusammenspiel mit dem Fahrzeuglayout kann hier sicherlich eine noch größere Reduktion der Bremsemissionen dargestellt werden. Die Details dazu, wie diese Emissionsvorteile festzustellen sind beziehungsweise berücksichtigt werden sollen, sind aktuell noch nicht definiert.

Zusammenfassung

Neben der Bremsleistung, dem Bremsgeräusch und der Fahrstabilität müssen Fahrzeug- und Bremsenkomponentenhersteller künftig auch das Emissionsverhalten von Bremssystemen berücksichtigen. Die spezifischen physikalischen Gesetzmäßigkeiten der Bremspartikeln in Verbindung mit den durch die Richtlinie vorgegebenen Messmetriken erfordern optimierte Gesamtsysteme. Verlustbetrachtungen und Abstimmung der einzelnen Parameter (Massenstrom, Entnahmemassenstrom, Strömungsgeometrie etc.) sind von grundlegender Bedeutung. Der aktuelle Entwurf der UN-GTR bezieht sich auf die Bremsemissionen von Pkw und leichten Nfz. Das definierte AVL-Messsystem, das nachweislich wiederholbare und reproduzierbare Messergebnisse liefert, ist grundsätzlich auch für größere Bremsen skalierbar.

Das Bremssystem eines modernen elektrifizierten Antriebsstrangs wird aufgrund seiner Schnittstellen und Interaktionen mit dem Fahrzeug gesamtheitlich zu betrachten sein, insbesondere, was dessen Rekuperationsfähigkeit angeht. Um das Emissionsverhalten eines Bremssystems im Zusammenspiel mit dem Gesamtfahrzeug berücksichtigen zu können, müssen geeignete Werkzeuge verwendet werden, damit am Prüfstand die Interaktion von Fahrzeugkomponenten simuliert werden kann. In Analogie zur Abgasgesetzgebung ist davon auszugehen, dass mittelfristig Bremsemissionen auch im realen Fahrbetrieb betrachtet werden sollten. Hier legt AVL ebenso bereits erste Entwicklungsschritte fest.

Literaturhinweise

  1. [1]

    Grigoriatos, T.; Giechaskiel, B.: Particle Measurement Programme. PMP-IWG. Brake Emissions. IWG on PMP. Draft GTR - Proposed way forward. PMP Web Conference, online, 2022

  2. [2]

    Grigoratos T.; Agudelo C.; Grochowicz J.; Gramstat S.; Mamakos A.; von Wild J.: Interlaboratory accuracy study (ILS) for variability and effects of the braking system during brake emission testing. Tagung Euro Brake 2022, Online

  3. [3]

    Mamakos A. et al.: Design of a Laboratory Sampling System for Brake Wear Particle Measurements. SAE Technical Paper Nr. 2022-01-117, 2022

  4. [4]

    Kohlbeck K. et al.: Brake-Wear PM and PN Instrumentation Round Robin. Tagung Euro Brake 2022, Online

  5. [5]

    Danner C.: Next Evolutions in the development of brake emission testing. Tagung Euro Brake 2022, Online