Der Automobilzulieferer ElringKlinger baut seine Testkompetenz für Batteriemanagementsysteme weiter aus und vertraut dabei auf Simulationslösungen von MicroNova.

Mit insgesamt rund 3,2 Millionen Neufahrzeugen [1], die im Jahr 2021 in Deutschland angemeldet wurden, bleibt die Anzahl an Neuzulassungen knapp 8,7 % unter der von 2020. Den größten Einfluss auf diese Entwicklung hatten die Auswirkungen der weltweiten Coronapandemie und die damit verbundenen Rohstofflieferschwierigkeiten sowie der Chipmangel in der Halbleiterindustrie. Hingegen stiegen die Zulassungszahlen von Kraftfahrzeugen mit alternativen Antrieben: Mit über 355.000 [1] neu angemeldeten rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen, gegenüber rund 194.000 im Jahr 2020 [2], hat sich deren Absatz in Deutschland fast verdoppelt. Einen maßgeblichen Anteil an diesem Trend hin zu einer möglichst emissionsfreien Mobilität trägt auch die sich stetig weiter entwickelnde Batterietechnologie bei, die eine Schlüsselrolle in der Transformation der Automobilbranche einnimmt.

Zu dieser Entwicklung haben Unternehmen wie ElringKlinger beigetragen: Der Automobilzulieferer arbeitet bereits seit über 15 Jahren an Batterietechnologien für Fahrzeuge. Angefangen mit Komponenten rund um die Batterie, zum Beispiel Zellkontaktiersystemen, hat ElringKlinger inzwischen Aufträge für komplette Batteriemodule und -komponenten erhalten und beliefert OEMs und Start-ups [3, 4]. Im Zuge der technologischen Transformation der Branche hat die Firma ihr Portfolio um neue Produkte und Lösungen erweitert und sich nun auch als Systempartner etabliert. Dazu gehört beispielsweise die Entwicklung eines Batteriemanagementsystems (BMS), also des elektronischen Steuergeräts für Traktionsbatterien. Für dieses Vorhaben hat sich das Unternehmen für den Software- und Systemanbieter MicroNova als Partner entschieden. Zum Einsatz kommt dabei dessen Hardware-in-the-Loop(HiL)-System NovaCarts Battery. Die Mess- und Simulationslösung wurde speziell für die E-Mobilität und den Test von Batteriesteuergeräten entwickelt.

Vielfältige Anforderungen an Testsysteme

Das BMS spielt eine zentrale Rolle in Batteriespeichersystemen, denn neben der Überwachung der einzelnen Zellen dient es auch der funktionalen Sicherheit, indem es Überladungen oder übermäßige Entladungen der Zellen verhindert. Zudem bildet es die wesentliche Kommunikationsschnittstelle zu anderen Steuergeräten im Fahrzeug. So kann es beispielsweise neben der Messung von Spannungen in der Batterie in Zusammenarbeit mit Tachometer und Navigation auch Reichweiten errechnen.

Genauso vielfältig wie die Funktionen von BMS sind auch die Anforderungen an entsprechende Prüfstände für deren zuverlässige Validierung. Die HiL-Systeme müssen alle Bedingungen, denen ein BMS ausgesetzt sein kann, realitätsnah und reproduzierbar simulieren. Nur so lässt sich eine korrekte Funktionsweise sicherstellen und belegen.

Eine zentrale Herausforderung bei der Entwicklung von BMS-Testsystemen liegt unter anderem in der hochgenauen Simulation der Einzelzellspannungen. Bei einer Gesamtspannung von bis zu 1000 V ist eine Darstellung von Unterschieden im Millivolt-Bereich erforderlich. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die genaue Simulation des Lade- beziehungsweise Entladestroms des Batteriesystems sowie des Zwischenkreises mit den dort auftretenden Spannungen. Darüber hinaus sollte ein Testsystem in der Lage sein, die Gesamtbatterie inklusive Zelltemperatur und -alterung exakt zu simulieren und spezielle Signale (beispielsweise Pilot, Crash) nachzubilden.

Die NovaCarts-Testsysteme für BMS erfüllen diese Anforderungen mit der geforderten Genauigkeit durch hard- und softwarebasierte Simulationen und ermöglichen somit realitätsnahe Tests in einem frühen Entwicklungsstadium. In Kombination mit weiteren NovaCarts-Battery-HiL-Simulatoren können Ingenieurinnen und Ingenieure künftig auch größere und komplexere E/E-Architekturen, wie etwa Multi-Master-Netzwerke, validieren. Diese finden Anwendung in stationären Systemen oder in Batteriesystemen von Nutzfahrzeugen.

Simulation von Zellmodul-Controllern

Der sichere Betrieb von Lithium-Ionen-Batteriezellen erfordert eine durchgängige Überwachung von Zellspannung und -temperatur. Dazu verfügt jedes Modul über eine eigene Überwachungselektronik. Die Module fassen mehrere Zellen in einer Batterie zusammen. Diese besteht aus den sogenannten Zellmodul-Controllern (Cell Module Controller, CMC), auch bekannt als Cell Sensor Circuit (CSC) oder Cell Supervision Electronic (CSE). Jede Zelle ist an ein solches Überwachungsmodul, also ein CSC, angeschlossen. Die CSCs messen permanent Spannung und Temperatur der Zellen und geben diese Informationen an das BMS weiter.

Bei den CSCs handelt es sich in erster Linie um Platinen mit einem oder mehreren Mikrocontrollern, so genannten ASICs (Application Specific Integrated Circuits). Diese Chips sind speziell für die Überwachung von Lithium-Ionen-Zellen ausgelegt. Um die Spannung der Zellen abzugreifen, sind die CSCs elektrisch über Messleitungen, sogenannte Sense-Leitungen, mit den Zellpolen verbunden. Über zusätzliche Leitungen lassen sich auch Temperatursensoren anschließen, die für eine optimale Nutzung und Belastung der Zellen relevant sind.

Als zentrale Komponenten in der Batterie liefern die CSCs dem BMS Informationen über den aktuellen Zustand der Zellen. Ohne sie könnte das BMS keine verwertbaren Informationen zum Zustand der Batterie sammeln und diese beispielsweise zur Berechnung der Restreichweite weitergeben. Während der Entwicklung eines BMS werden daher auch die CSCs immer wieder optimiert. Am häufigsten sind dabei die ASICs von Anpassungen betroffen, da im Entwicklungsprozess oft leistungsfähigere und für den jeweiligen Anwendungsfall passendere Chips integriert werden. Da diese auch für die Kommunikation mit dem BMS eine wesentliche Rolle spielen, kann ein Austausch dieser Bausteine durchaus zeitkritisch für die Entwicklung sein, denn nicht immer stehen die CSCs bereits mit den neuen ASICs rechtzeitig für die Validierungstests zur Verfügung.

MicroNova bietet hierfür eine Simulationslösung, die ASICs und ihre Funktion im BMS-CSC-Verbund nachbildet, Bild 1. Diese CSC-Simulation beruht auf einer FPGA-basierten Hardwarelösung, die sowohl am HiL-System als auch als Desktopanwendung genutzt werden kann. Die dazugehörige Software ermöglicht eine Auswahl zwischen unterschiedlichen zu simulierenden ASICs. Mit diesem Vorgehen lassen sich Validierungstests für das BMS in einem sehr frühen Stadium starten, da keine realen CSC-Bauteile erforderlich sind, Bild 2. Zudem können flexibel CSCs unterschiedlicher Hersteller in Kombination mit dem BMS geprüft werden, ohne nennenswerte Umrüst- und Ausfallzeiten oder Umbaukosten. Derzeit unterstützt die CSC-Simulation von MicroNova Chips von Texas Instruments, Analog Devices, Linear Technology und Maxim Integrated. Simulationen für weitere Chips werden bei Bedarf entwickelt.

Bild 1
figure 1

Die NovaCarts-CMC-Simulation ist sowohl als Stand-Alone-Anwendung als auch als Bestandteil eines Batterie-HiL-Simulators einsetzbar (© MicroNova)

Bild 2
figure 2

Funktionsschema des bei ElringKlinger eingesetzten HiL-Systems für BMS-Tests (© MicroNova)

BMS ist Schlüsselkomponente

ElringKlinger und MicroNova arbeiteten bei der Etablierung eines Testprozesses für die BMS-Entwicklung in den Bereichen Test und Validierung sowie Simulationsentwicklung während des gesamten Projekts eng zusammen. Durch die regelmäßigen Updates zum Status des HiL-Aufbaus und zur Umsetzung der Softwareelemente konnten jederzeit auch kurzfristige Änderungen eingebracht werden.

Für die kontinuierliche Erweiterung des Portfolios im Bereich Elektromobilität wurden bei ElringKlinger Testkapazitäten im Bereich Batteriespeicher- sowie Modul- und Zellerprobung ausgebaut und es wurde in entsprechende Prüfstände mit Klimafunktion investiert. Dazu gehört insbesondere die Fähigkeit, auch das BMS zu beherrschen. Darüber hinaus stellen Entwicklung und Validierung von Schlüsselkomponenten wie dem BMS zentrale Teile der Entwicklungs- und Teststrategie des Unternehmens dar.

Die Inbetriebnahme des HiL-Systems NovaCarts Battery für BMS-Tests erfolgte teilweise bei ElringKlinger vor Ort, zum größeren Teil jedoch remote. Neben einer ausführlichen Einweisung in die Testsysteme wurde auch eine Schulung zur Bedienung der Hard- und Software durchgeführt. Im weiteren Betrieb stehen Fachleute von MicroNova im Bereich HiL-Support zur Verfügung. Gemeinsam bauen die beiden Unternehmen den Funktionsumfang sowohl der Hardware als auch der CSC-Simulation kontinuierlich aus.

Fazit

Die Transformation in der Mobilität schreitet zügig voran und die Batterietechnologie spielt dabei eine zentrale Rolle. In der Umsetzung weiterer konkreter Schritte beim Ausbau der Testkompetenzen von ElringKlinger haben hochwertige Produkte und eine sehr gute und intensive Zusammenarbeit im Bereich der Softwarevalidierung vom ersten Tag an überzeugt. Diese wird bei der kontinuierlichen Erweiterung des Funktionsumfangs der Testlösung fortgeführt. Im Fokus stehen dabei weitere Anwendungsfälle im Kontext der Elektromobilität.

Literaturhinweise

  1. [1]

    Wittich, H.: Nur Stecker blieben nicht auf der Strecke. Online: https://www.auto-motor-und- sport.de/verkehr/neuzulassungen-2021-gesamtjahr-dezember/, aufgerufen: 23. Januar 2022

  2. [2]

    Leichsenring, S.: Elektroautos Januar bis August 2021: BEV-Quote nun bei 11 Prozent. Online: https://insideevs.de/news/534532/kba-zulassungsstatistik-august2021-elektroautoquote/, aufgerufen: 23. Januar 2022

  3. [3]

    Gerster, M.: Auftrag für ElringKlinger: Batterien für Piëchs Sportwagen. Online: https://www.automobilwoche.de/article/20211216/NACHRICHTEN/211219939/1276/auftrag-fuer-elringklinger-batterien-fuer-piechs-sportwagen, aufgerufen: 17. Februar 2022

  4. [4]

    Werwitzke, C.: ElringKlinger verbucht Auftrag über Zellkontaktiersysteme. Online: https://www.electrive.net/2021/03/09/elringklinger-verbucht-auftrag-ueber-zellkontaktiersysteme/, aufgerufen: 17. Februar 2022

  5. [5]

    FAZ.NET/DJ/dpa/AFP: Eine Million Elektroautos bis 2020: Merkel hält an Absatzziel fest. Online: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/eine-million-elektroautos-bis-2020-merkel-haelt-an-absatzziel-fest-12196498.html, aufgerufen: 23. Januar 2022