Hybrid- und Festkörperzellen gelten als der nächste große Schritt in der Elektrofahrzeugtechnik. Sie haben das Potenzial für ein Plus an Sicherheit, Energiedichte und Lebensdauer gegenüber konventionellen Zellen mit flüssigem Elektrolyten - durch die Verwendung eines vollständig festen Elektrolyten oder eines hybriden Elektrolytsystems. FEV stellt die Implementierung einer Hybridzelle in ein Elektrofahrzeug mit 1000 km Reichweite vor.

Die Automobilindustrie hat sich für batterieelektrische Fahrzeuge ehrgeizige Ziele gesetzt, darunter eine Reichweite von 1000 km, Batteriekosten von weniger als 75 Euro pro kWh, schnelleres Laden und mehr Sicherheit. Festkörper- und Hybridzellen versprechen, diese Anforderungen zu erfüllen. Sie unterscheiden sich von konventionellen Zellen wie folgt:

  • Konventionelle Zellen bestehen aus einer Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt-Oxid(NMC)- oder Lithium-Eisenphosphat(LFP)-Kathode, einem Separator, einer Graphit-Anode und einem flüssigen Elektrolyten. Manchmal wird in diesen Zellen auch eine geringe Menge Silizium in der Anode zur Steigerung der Energiedichte verwendet.

  • Festkörperzellen bestehen ebenfalls aus einer NMC- oder LFP-Kathode, aber der Separator und der flüssige Elektrolyt werden durch einen festen Elektrolyten ersetzt. Dieser ermöglicht die Verwendung von Anoden mit höherer Kapazität wie Lithium oder Silizium. Festelektrolyte sind gute Lithium-Ionen-Leiter und es wird zwischen drei grundlegenden Klassen von Festelektrolyten unterschieden: Oxide, Sulfide und Polymere.

  • Hybridzellen ähneln Festkörperzellen mit einem Polymerelektrolyten, sie enthalten jedoch eine geringe Menge an flüssigen Elektrolyten.

Die angestrebten gravimetrischen und volumetrischen Energiedichten von konventionellen, Festkörper- und Hybridzellen sind in Bild 1 dargestellt.

Bild 1
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Volumetrische und gravimetrische Energiedichte für konventionelle Lithium-Ionen-Zellen sowie geplante Ziele für Hybrid- und Festkörperzellen (© FEV Europe GmbH)

Während Hybridzellen seit kurzem auf dem Markt sind, befinden sich Festkörperzellen noch in der Entwicklungsphase und haben noch einen längeren Weg bis zur Marktreife vor sich.

Tabelle 1 vergleicht das Tesla Model S mit dem Nio ET7, zwei Elektrofahrzeuge mit unterschiedlichen Batterietechnologien. Der Nio ET7 ist mit Hybridzellen von WeLion ausgestattet, die eine Energiedichte von 360 Wh/kg haben. Damit kam das Modell bei einer Probefahrt laut Hersteller 1044 km weit [1]. Die konventionellen Zellen von Tesla weisen eine Energiedichte von 260 bis 280 Wh/kg auf.

Tabelle 1 Vergleich von konventionellen und hybriden Zelltechnologien und deren Auswirkungen auf die Fahrzeugleistung (© FEV Europe GmbH)

Marktübersicht

Die Hauptanwendungsgebiete von Hybrid- und Festkörperzellen liegen in den USA, Asien und Europa. In den USA ist QuantumScape ein wichtiger Akteur im Bereich Hybridzellen, Tabelle 2. Das Unternehmen hat große Investitionen von Volkswagen erhalten. Kürzlich gab der Wolfsburger Konzern bekannt, dass QuantumScape-Zellen die Standardanforderungen von 700 Zyklen mit 80 % Kapazitätserhalt sowie verbesserte Sicherheits- und Schnellladeeigenschaften deutlich übertreffen [2]. Darüber hinaus hat Factorial Energy Hybridzellen mit einer Kapazität von ≥100 Ah entwickelt und diese kürzlich an Partner in der Automobilindustrie für umfangreiche Tests geliefert [3]. Weitere große Akteure in der Hybrid- und Festkörperzellentechnologie in den USA sind Solid Power, Sion Power, Sakuu und Ampcera.

Tabelle 2 Überblick über einige der vielversprechendsten Hybrid- und Festkörperzellen (Li: Lithium, Gr: Graphit, Si: Silizium) (© FEV Europe GmbH)

In Asien gehören ProLogium und WeLion zu den Unternehmen, die sich auf Hybrid- und Festkörperzellen konzentrieren. ProLogium stellte kürzlich eine 106-Ah-Hybridzelle mit einer Anode mit hohem Siliziumgehalt vor. WeLion produziert Hybridzellen mit bis zu 106 Ah. Samsung, CATL und Gangfeng Lithium sind weitere asiatische Unternehmen, die in der Entwicklung von Hybrid- und Festkörperzellen aktiv sind.

In Europa produziert Blue Solutions Festkörperzellen mit Lithium-Metall- und Polymerelektrolyten, die bereits in Elektrobussen eingesetzt werden [4]. Ihre derzeitige Energiedichte liegt unter 300 Wh/kg und erfordert eine Betriebstemperatur von etwa 60 °C. Aktuell arbeitet Blue Solutions an einer neuen Generation von Festkörperzellen mit einer Energiedichte von 450 Wh/kg und einer Betriebstemperatur von 20 °C. Basquevolt aus Spanien entwickelt Festkörperzellen mit einer antizipierten Energiedichte von bis zu 450 Wh/kg. Mit Ilika und Lion Volt richten weitere europäische Unternehmen ihren Fokus auf Hybrid- und Festkörperzellen.

Die Zukunft beider Zelltechnologien, hybrider und fester, erscheint vielversprechend. Ihre Entwicklung und Verbesserung schreitet schnell voran, weswegen die Energie- und Leistungsdichten weiter ansteigen werden. Derzeit sind Hybridzellen ausgereifter als Festkörperzellen und haben das Potenzial, konventionelle Zellen aus dem Markt zu drängen - aufgrund vergleichbarer Energiedichten bei signifikant höherer Sicherheit.

Festkörperzellen werden nicht vor 2027 in die Massenproduktion gehen, ihre mögliche Energiedichte bleibt derweil unangefochten. Die letztendliche Marktposition und der Markteinfluss von Festkörperzellen werden jedoch auch vom Voranschreiten anderer Zelltechnologien abhängen.

Forschungsprojekt Sublime

FEV ist in der Entwicklung sowohl von Hybrid- als auch Festkörperzellen engagiert. Bei zweitgenannter Technologie betreibt die Firma Grundlagenforschung in vier Projekten: Helena, Advagen, Nextcell und Sublime. Am 2024 endenden Vierjahresprojekt Sublime nehmen insgesamt 15 industrielle oder akademische Partner teil. Ziel ist die Entwicklung von Festkörperzellen [5], die mit NMC-Kathode, Sulfid-Festelektrolyt und Lithium-Anode eine Energiedichte von 450 Wh/kg aufweisen. Die Zellen müssen dann auf eine Größe von 10 Ah hochskaliert werden. Der Prozess besteht aus drei Hauptschritten, Tabelle 3.

Tabelle 3 Überblick über die individuellen Schritte bei der Entwicklung von Festkörperzellen (Ni: Nickel, Li: Lithium) (© FEV Europe GmbH)

Materialsynthese und -prüfung

Zunächst lag der Schwerpunkt auf der Entwicklung von Zellkomponenten wie Hoch-Nickel-NMC-Kathode, Sulfid-Festelektrolyt und Beschichtungen für die Lithium-Metall-Anode. Der hochreine Sulfid-Festselektrolyt wurde mit einer hohen Ionen-Leitfähigkeit von 2,4 mS/cm und im Maßstab kg hergestellt. Zusätzlich wurde NMC 811 mit einer durchschnittlichen Partikelgröße von ~4 µm und einer speziellen Oberflächenbeschichtung entwickelt.

Anschließend wurde die Leistung der Zellkomponenten im Knopfzellenformat mit einer pelletierten Zelle getestet, um die Potenziale und Herausforderungen des Konzepts aufzuzeigen, Bild 2. Bei dieser Art von Zelle werden Festelektrolyt- und Kathodenpulver gepresst, um nur die Kapazität des entwickelten Materials zu berücksichtigen.

Bild 2
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Die Kapazität der Festkörperzelle mit NMC-Kathode, Sulfid-Elektrolyt (beide in Pelletform) und Lithium-Metall-Anode in Abhängigkeit von der verwendeten Stromstärke und Zyklenanzahl (© FEV Europe GmbH)

Die hergestellte Knopfzelle hat eine hohe reversible Kapazität von 195 mAh/g bei Raumtemperatur und einer Entladung über 20 h, was einer Stromrate von C/20 entspricht. Bei einer Verdopplung der Stromrate auf C/10 beginnt die Zelle aufgrund von Dendritenbildung auf der Seite der Lithium-Anode zu versagen. Dies ist auf die Instabilität der Grenzfläche zwischen dem Festelektrolyten und der unbeschichteten Lithium-Metall-Anode zurückzuführen. Gegenwärtig werden verschiedene Beschichtungsstrategien der Lithium-Anode erprobt, um eine stabile Grenzfläche zu gewährleisten. Erste Ergebnisse bestätigen die Stabilität der Knopfzellen bis zu einer Stromrate von C/3.

Hochskalierung und Elektrodenherstellung

Im nächsten Schritt müssen die Elektroden für die Herstellung von laminierten Zellen, sogenannten Pouchzellen, vorbereitet werden. Dabei werden die Kathoden- oder Festelektrolytpartikel mit Bindemitteln in einem Lösungsmittel suspendiert. Dabei entsteht eine viskose Aufschlämmung, die auch als Slurry bezeichnet wird. Zuerst wird das Slurry mit den Kathodenpartikeln auf den Ableiter aufgetragen und durch das Verdampfen des Lösungsmittels beschichtet. Im Anschluss erfolgt der gleiche Arbeitsschritt mit einem Slurry mit Festelektrolytpartikeln, Bild 3 (links) [6]. Im Fachjargon wird der Arbeitsschritt als Casting bezeichnet. Die Zusammensetzung der jeweiligen Slurrys und der Prozess des Castings sind entscheidend für die späteren Zelleigenschaften und werden iterativ optimiert, Bild 4.

Bild 3
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Festelektrolyt/Kathoden-Doppelschicht (links) und Zyklenleistung (C/10) (rechts) der gegossenen Verbundkathode unter Verwendung verschiedener Bindemittel und Elektrolytschichtdicken (© FEV Europe GmbH)

Bild 4
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Überblick über die Methoden zur Herstellung von Slurrys in kleinen Mengen im Labor (links) und in größerem Maßstab in der Pilotanlage (rechts) (© FEV Europe GmbH)

Im Rahmen des Projekts Sublime wurden bereits Kathoden mit verschiedenen Bindemitteln hergestellt und ihre Zyklusleistung mit Knopfzellen bewertet. In diesen Zellen wurde eine Lithium-Indium-Anode verwendet, die eine stabile Interphase mit dem Festelektrolyten bildet. Dies ermöglicht eine Leistungsbewertung der Kathode im Zusammenspiel mit dem Festelektrolyten. Die präparierten Zellen zeigten eine stabile Leistung mit einer Kapazität von etwa 80 mAh/g im ersten Zyklus, Bild 3 (rechts). Die geringere Kapazität dieser Zelle im Vergleich zu 195 mAh/g in der pelletierten Zelle, Bild 2 (rechts), ist auf die Zugabe von Bindemitteln in Festelektrolyt und Kathoden zurückzuführen, die die Leitfähigkeit der Komponenten verringert.

Produktion von Pouchzellen

Zur Herstellung von Pouchzellen muss mehr Zellmaterial zur Verfügung gestellt werden, da die Zellgröße und -kapazität gegenüber vorangegangenen Laborstudien an pelletierten Knopfzellen deutlich gesteigert sind. Daher müssen auch das Volumen der Aufschlämmung erhöht und Verfahren erprobt werden, die größere Flächen beschichten können. Im vorangegangenen Schritt wurde ein Planetmischer genutzt, weil er die Optimierung der Rezeptur im Labormaßstab und mit kleinen Mengen ermöglicht. In diesem Schritt wird ein Extrusionsverfahren als skalierbare Methode eingesetzt, Bild 4 [7]. Die ersten Pouchzellen werden bereits mit diesem Verfahren hergestellt und getestet.

Fazit und Ausblick

Das Projekt Sublime hat bedeutende Fortschritte bei der Entwicklung von Festkörperzellen erzielt. Im Rahmen des Projekts wurden ein Sulfid-Feststoffelektrolyt mit hoher Ionenleitfähigkeit und eine NMC-Kathode mit speziellen Beschichtungen im Pilotmaßstab erfolgreich entwickelt. Auch die Beschichtungen von Lithium-Anoden wurden untersucht, und vor kurzem wurde eine stabile Beschichtung entwickelt, die in der nächsten Generation der Zellen verwendet werden soll. Darüber hinaus wurde die Doppelschichtkathode/Festelektrolytelektrode erfolgreich hergestellt, die erste Charge von Pouchzellen wurde produziert. In den nächsten Schritten wird der Slurry-Prozess hochskaliert und weiter optimiert, zudem werden detaillierte Tests der Pouchzellen durchgeführt.

Marktforschungsergebnissen zufolge ist die Produktion von Festkörperzellen schwieriger als die von Hybridzellen und wird nicht vor 2027 realisiert werden. Europäische Forschungsprojekte wie Sublime schaffen jedoch die Infrastruktur für die Herstellung von Zellmaterialien und optimieren die Prozesse.

Literaturhinweise

  1. [1]

    Henßler, S.: Nio: 1044 km Akku ab April in Serie. Online: https://www.elektroauto-news.net/news/nio-1044-km-akku-april-serie, aufgerufen: 1. Februar 2024

  2. [2]

    Groß, A.: PowerCo confirms results: QuantumScape's solid-state cell passes first endurance test. Online: https://www.volkswagen-group.com/en/press-releases/powerco-confirms-results-quantumscapes-solid-state-cell-passes-first-endurance-test-18031, aufgerufen: 1. Februar 2024

  3. [3]

    Doll, S.: Factorial Energy ships A-samples of 100+ Ah solid-state batteries to its automotive partners. Online: https://electrek.co/2023/10/05/factorial-energy-ships-samples-solid-state-batteries-to-automotive-partners/, aufgerufen: 1. Februar 2024

  4. [4]

    Blue Solutions (Hrsg.): The Transport Sector. Online: https://www.blue-solutions.com/en/the-transport-sector, aufgerufen: 1. Februar 2024

  5. [5]

    Sublime (Hrsg.): Developing the next generation sulfide electrolyte solid-state batteries for EV applications. Online: https://sublime-project.eu/, aufgerufen: 1. Februar 2024

  6. [6]

    Tron, A. et al.: Film processing of Li6PS5Cl electrolyte using different binders and their combinations. In: Journal of Energy Storage 66 (2023), 107480

  7. [7]

    Batzer, M.: Scalable Production of Separator and Cathode Suspensions via Extrusion for Sulfidic Solid-State Batteries. In: ChemElectroChem 10 (2023), e2023004