Die Heiß-Aktiv-Plasmatechnologie eines Schweißtechnik-Spezialisten entfernt partikuläre und filmische Verunreinigungen von metallischen und nichtmetallischen Oberflächen. Audi setzt das Verfahren seit mittlerweile zwei Jahren bei dünnen Alu-Karosserieteilen ein - mit Erfolg: Die Reinigungskosten konnten reduziert werden, gleichzeitig wurde die Ressourceneffizienz gesteigert.

"Der Ausfall einer Massebolzenverbindung kann im schlimmsten Fall zum Liegenbleiben eines Fahrzeugs führen", sagt Dipl. Ing. Daniel Rudolph, verantwortlicher Technologieentwickler Fügen und Leichtbau bei der Audi AG. "In der Audi-A8-Produktion setzen wir zahlreiche Massebolzen, bei denen wir sicherstellen müssen, dass jeder einzelne perfekt verbunden ist. Um dem Qualitätsanspruch gerecht zu werden, betreiben wir hohen Aufwand." Die Qualität jeder Bolzenschweißung wird dabei maßgeblich durch die Eigenschaften der Oberfläche mitbestimmt. Verunreinigungen durch Ziehöle und Trockenschmierstoffe - wie sie in der Metallumformung eingesetzt werden - können zu Defekten in der Fügeverbindung führen.

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Der Roboter führt bei Audi das Karosserieteil zum fest installierten Plasmabrenner (links).

Clean Flash scheitert an Blechstärke

In vielen Fällen lässt sich das Problem der Verunreinigung zwar mit dem Bolzenschweißgerät selbst lösen: Dazu wird dem eigentlichen Schweißvorgang ein Stromstoß (Clean Flash) vorgeschaltet, der die Schweißfläche reinigt. Bei unter 2 mm dünnen Aluminiumblechen ist dieser Ansatz allerdings nicht mehr praktikabel, da der Wärmeeintrag zu groß ist und das Blech beim Schweißvorgang durchbrennen würde. Außerdem können bei diesem Verfahren unter anderem Poren auftreten, welche die Nahtqualität beeinträchtigen.

Ein derartiges Bauteil ist zum Beispiel die Stirnwand des Audi A8. Diese besteht aus einer Aluminiumblech-Legierung (6xxx) und ist an jenen Stellen, an denen Massebolzen geschweißt werden nur 1,5 mm dick: "Das gesamte Bauteil musste in den ersten Jahren nach dem Serienstart aufwändig sowie kostenintensiv chemisch gereinigt und gebeizt werden", erklärt Rudolph. "Erst dadurch konnten wir die geforderten 100 % in der Qualität der Bolzenschweißverbindung garantieren."

2017 stand bei Audi der Aufbau einer neuen Produktionsanlage für die mittlerweile fünfte A8-Generation an. Und man wollte weg von der aufwändigen chemischen Reinigung. Eine mögliche Lösung sah man in der der Heiß-Aktiv-Plasmatechnologie (HAP), mit der sich der langjährige Schweißtechnologielieferant und Entwicklungspartner Fronius bereits intensiv befasste. Auch Audi hatte den HAP-Ansatz bereits mit universitären Partnern verfolgt.

Da Daniel Rudolphs Aufgabengebiet auch die Evaluierung neuer Fertigungstechnologien sowie deren Weiterentwicklung bis zur Serienreife beinhaltet, kooperierten die Fügetechnikspezialisten von Audi und Fronius intensiv. Dieser technische Ansatz wurde dann gemeinsam zur Serienreife entwickelt und qualifiziert. Rudolph verdeutlicht: "Bei Fronius lag hauptsächlich die Entwicklungsarbeit der Prozess- und Anlagentechnik. In unserer Produktion fanden dann anwendungsbezogene Funktionsversuche, Parametertests, Standzeittests und Funktionstests statt. Auch beschäftigten wir uns mit der Frage, wie sich die Nutzung der Technologie auf die weitere Prozesskette wie Fügen, Festigkeit, Lackanhaftung und vieles mehr auswirkt."

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Daniel Rudolph begutachtet die punktuell mit HAP gereinigten Bereiche der Stirnseite.

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Nach der Behandlung mit HAP: Die Bolzenschweißpunktstelle ist frei von Ölen und Schmierstoffen.

Partielle Reinigung mit Plasma als Lösung

Die Vorteile der Behandlung von Oberflächen mit der HAP Acerios von Fronius sind vielfältig. Mittels Schutzgasstrom wird das Lichtbogen-Plasma zur Flamme geformt, die im Kern Temperaturen von bis zu 1000 °C erreicht. Dadurch ausgelöste thermische und chemische Prozesse sorgen dafür, dass Materialoberflächen partiell und punktgenau von organischen Rückständen und filmischen Verschmutzungen befreit werden. Gleichzeitig wird die Oberfläche aktiviert. Da der Lichtbogen bei Acerios zwischen Plasmadüse und Wolframelektrode des Brenners entsteht, ist eine Masseverbindung zum Werkstück nicht erforderlich. Entsprechend lassen sich auch nicht-metallische Materialien mit Heiß-Aktiv-Plasma reinigen.

"Wir haben Acerios - wie alle von uns enger in Betracht gezogenen neuen Technologien - auf seine Tauglichkeit geprüft und Einflussgrößen sowie mögliche Parameterfenster ermittelt. Zusammen mit Fronius haben wir den Prototypen dann schnell und zielführend für den Serieneinsatz optimiert", erinnert sich Rudolph. "Anschließend machten sich unsere Anlagenplaner und die Kollegen aus der Fertigung daran, eine günstige Einbausituation zu identifizieren."

Die Verantwortlichen der A8-Linie entschieden sich schließlich für den Einsatz von Acerios in einer Roboterzelle, die genügend freie Nebenzeiten für die Reinigung von zwei Bereichen - mit einer Fläche von je 12 cm² - aufwies. "Deshalb reichte die verfügbare Zeit sogar dafür aus, die Brenndauer von Acerios auf 6 s pro Schweißpunkt zu erhöhen", berichtet Jürgen Kolbenschlag, Schweißexperte aus dem A8-Karosseriebau. "Infolge beträgt der Abstand des Brenners zum Werkstück 30 mm. Und den Strom können wir dann ohne Einbußen in der Reinigungswirkung auf 120 A absenken. Damit schonen wir die Verschleißteile." Diese wurden anfänglich von Audi nach 10.000 Reinigungspunkten gewechselt. Es zeigte sich, dass die Verschleißgrenzen noch lange nicht erreicht waren. Der turnusmäßige Tausch wurde daher laufend verlängert. Und zur Mitte des Jahres 2021 war die Verschleißteilgrenze noch immer nicht erreicht - trotz 25.000 gesetzter Reinigungspunkte.

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Geschweißter Massebolzen des Tunnelbauteils des Audi A8.

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Die Plasma-Stromquelle benötigt wenig Stellfläche.

Geringer Integrationsaufwand

Die Integration der HAP wurde durch die Tatsache erleichtert, dass die Planer den Acerios-Plasmabrenner PCT 2000 stationär installieren konnten. Dafür reichte ein minimaler Arbeitsbereich im Aktionsradius des Roboters aus. "Auch die Stromversorgung benötigt nicht einmal 1 m2 Stellfläche, sodass wir sie gut außerhalb der Zelle zwischen vorhandenen Versorgungseinheiten platzieren konnten", bemerkt Rudolph.

Zuvor ungenutzte Nebenzeiten des Roboters werden für den Transport der Stirnwand zum Brenner verwendet. Die Zugänglichkeit zum Werkstück ist auch dank des schmalen Brenners sehr gut, sodass die Plasmaflamme exakt senkrecht und damit optimal zur Oberfläche ausgerichtet arbeitet. Auch ist das Abfahren von Bahnen während des Reinigungsprozesses überflüssig: Die von innen nach außen einsetzende Reinigungswirkung deckt die gewünschte Fläche innerhalb der Brenndauer komplett ab.

Die Tatsache, dass Acerios mit dem günstigen Schutzgas Argon arbeitet, kam Audi ebenfalls entgegen. So konnte auf das bestehende Argon-Ringleitungsnetz zur Versorgung der MIG-Schweißmaschinen zurückgegriffen werden. Es entstehen daher keine weiteren Zusatzkosten. Die Plasma-Stromquelle, die mit dem Brenner über ein 6 m langes Schlauchpaket verbunden ist, wurde von Audi spielend leicht integriert, denn die Schnittstelle des Acerios-Systems entspricht der der bei Audi eingesetzten MIG/MAG-Schweißgeräte von Fronius. Da diese Bestandteil der VW-Schnittstellenspezifikation ist, konnte das Acerios-System problemlos innerhalb eines Tages an die Anlagensteuerung angebunden werden.

Auch Einstellung und Bedienung der Anlage lehnen sich weitgehend an die der WIG-Stromquellen an, wie Rudolph bestätigt: "Wer eine WIG-Stromquelle einstellen kann, kann auch mit dem Acerios-System arbeiten. Die Bedienung ist ohnehin einfach, da nur wenige Parameter wie Stromstärke oder Brenndauer eingestellt werden müssen."

Überschaubare Kosten bei Anschaffung und Betrieb

Die Investitionen für den Einsatz von Acerios bei Audi sind vergleichsweise niedrig ausgefallen. Das hat allerdings nicht nur mit der Möglichkeit der Doppelnutzung vorhandener Betriebsmittel und diverser Hardware zu tun. Im Vergleich zu weiteren Lösungen der partiellen Reinigung zeichnet sich das HAP-System von Fronius durch besonders niedrige Anschaffungskosten aus.

Zum Beispiel im Gegensatz zu laser-basierten Systemen - die bereits in der Grundinvestition bei etwa einer Million Euro liegen. Die Acerios-Konfiguration ist hier um ein Vielfaches günstiger. Inklusive der jeweiligen Automatisierungsanlage liegt die Fronius-Lösung etwa im mittleren fünfstelligen Bereich. Zudem ist keine separate, abgeschirmte Roboterzelle - wie sie das Laser-System erfordert - notwendig. Auch der Stromverbrauch liegt deutlich unter dem eines Reinigungs-Lasers. Zusätzlich benötigt Acerios etwa 15 l Gas/min.

Auch gegenüber der bisher üblichen, aufwändigen Nassreinigung sind die erreichten Einsparungen erheblich. Rudolph führt aus: "Wir konnten die Reinigungskosten pro Stirnwand um einen Betrag im unteren einstelligen Eurobereich senken und gleichzeitig die Ressourceneffizienz ohne Abstriche in der Reinigungsqualität steigern. Vergleichbare Einsparungen im Fahrzeugbau zu erreichen, ist üblicherweise mit deutlich höherem Aufwand verbunden."

Auch an anderer Stelle

Aufgrund dieser durchwegs guten Ergebnisse hat Audi die Reinigungstechnologie von Fronius bereits an einer weiteren Stelle integriert: Bei einem Tunnelbauteil werden die Flächen für vier Bolzenschweißungen ebenfalls mit der HAP-Technologie gereinigt. "Acerios erweitert das uns zur Verfügung stehende Technikportfolio optimal", resümiert Rudolph. "Immer wenn es um das Schweißen von Massebolzen an Bauteilen mit geringer Wandstärke geht, ist diese HAP-Technologie nun als Reinigungsprozess sofort in der engeren Wahl."

Fazit

Aus den Praxiserfahrungen von Audi lässt sich bilanzieren: Der Einsatz von Acerios kann sich schon bei kleineren Stückzahlen rechnen, aber auch in der Großserie. Darüber hinaus ist die HAP von Fronius besonders bei beengten Platzverhältnissen und punktuellen Reinigungsaufgaben im Sekundenbereich sinnvoll.