Kantenkorrosion ist ein Problem, das sich auch durch zweischichtigen Lackaufbau nicht immer vermeiden lässt. Ein Pulverlackspezialist hat nun eine neuartige Kombination aus feinstrukturierter Epoxydgrundierung mit korrosionsinhibierenden Zusatzstoffen entwickelt, die Abhilfe schaffen soll.

Die Korrosion von Metallen stellt auch heutzutage noch einen erheblichen Schaden für die Wirtschaft der Industriestaaten dar. Das statistische Bundesamt geht hier von einer Gesamtschadenssumme in Höhe von 5 % des Bruttoinlandprodukts aus, was einem Wert von über 100 Mrd. € im Jahr entspricht. Ein besonders häufig auftretendes Problem stellt seit einigen Jahren die vermehrte Kantenkorrosion dar. Das Bauteil beginnt von der Kante her schnell zu korrodieren, es folgt in kurzem Zeitraum eine großflächige Lackablösung mit entsprechender Korrosion. Die Ursache für die Kantenkorrosion ist hierbei unter anderem in der Viskosität von Lacken begründet. Diese neigen in glatter, aber auch in grobstrukturierter Ausführung gerne zur sogenannten Kantenflucht. Das bedeutet, dass die Lacke aufgrund ihrer niedrigen Viskosität von einer Kante wegfließen. Somit ist die Schichtdicke direkt oberhalb der Kante nur wenige µm stark. Dieser Effekt gilt sowohl für Pulverlacke als auch für Nasslacke und zum Beispiel auch für die KTL. Ein vernünftiger Korrosionsschutz ist so nicht erzielbar. Lange Zeit galt ein Zweischichtaufbau als Lösung für dieses Problem. Dass dies leider nicht immer Zielführend ist, zeigt dieser klassische Aufbau aus glatter Epoxydgrundierung und glattem Polyurethandeckpulver. In diesem Beispiel wird mit 26 µm Gesamtaufbau keine ausreichende Kantenabdeckung erzielt (Bild 1).

Bild 1
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© Nicotra Gebhardt

> Deutlich sichtbare Kantenflucht einer Standardgrundierung auf einem gelaserten Blech.

Zwei Technologien kombiniert

Um dieses Problem zu lösen und einen bestmöglichen Kantenschutz zu gewährleisten, hat Pulverit besonders Augenmerk auf die Grundierung gelegt, die nur wenige µm stark ist. Die Idee des Pulverlackspezialisten: zwei Technologien kombinieren. Auf der einen Seite soll die Kantenflucht der Grundierung auf ein Minimum reduziert werden. Im Idealfall bleibt auf der Kante eine annähernd gleichdicke Schicht stehen, wie auf der Fläche des zu beschichtenden Bauteils. Dies soll durch ein hochreaktives Epoxydbindemittel in feinstrukturierter Ausführung erreicht werden. Diese Systeme verfügen über eine besonders hohe Viskosität, die Kantenflucht ist somit stark reduziert und der Lack kann bereits eine echte Schutzfunktion ausüben.

Auf der anderen Seite wurden dieser Grundierung spezielle Zusatzstoffe mit hoher Barrierewirkung beigemischt. Hierbei hat sich Pulverit bewusst für den Einsatz seiner Enduranceplättchen entschieden, die mehrere Vorteile haben. Zum einen sind diese Plättchen chemisch inert und können so über einen sehr langen Zeitraum ihre Schutzwirkung ausüben, was bei der aktuell üblichen Alternative Zinkphosphat nicht der Fall ist. Zinkphosphat kann in sauren Medien aufgelöst werden und so unter Umständen im Laufe der Zeit eine reduzierte Schutzwirkung vorweisen. Zum anderen sind diese Plättchen von ihrer Geometrie besonders breit bei sehr geringer Bauhöhe. Die Barrierewirkung gegenüber Wasser ist hier besonders hoch, da der zurückzulegende Weg gegenüber anderen antikorrosiven Zusatzstoffen deutlich höher ist, was eine verlängerte Schutzdauer zur Folge hat. Zu guter Letzt erhöhen diese Plättchen abermals die Viskosität, was letztendlich dem Wunsch nach reduzierter Kantenflucht wieder entgegenkommt.

Unabhängige Prüfung

Wenn man also alle oben genannten Wunsch-Parameter zusammennimmt, sollte das Ergebnis eine Grundierung mit hoher Kantendeckung und gleichzeitig exzellentem Korrosionsschutz aufgrund seiner Barrierewirkung sein. Um diese Behauptung zu untermauern hat Pulverit gemeinsam mit dem betreffenden Kunden diverse Musterteile an ein unabhängiges Institut zur Überprüfung gesandt.

Dort wurden von diversen Blechen Querschliffe angefertigt. Hierbei wurden sowohl gelaserte und gestrahlten Bleche, Bleche mit mechanisch gebrochene Kanten sowie Bleche mit verschieden starkem Grat betrachtet, um die Kantendeckung unter verschiedenen Bedingungen möglichst genau festzustellen. Bei gelaserten Blechen (Bild 2) sieht man sehr deutlich, wie der Lackaufbau auf der Kante weitestgehend dem Lackaufbau auf der Fläche entspricht. Die Kantenflucht ist nur marginal vorhanden (Reduktion von circa 145 µm auf circa 110 µm) und stellt für den Korrosionsschutz kein Problem dar. Ein ähnlich positives Bild zeigen gestrahlte Bleche (Bild 3). Der Aufbau wurde hier zu Versuchszwecken sogar Dreischichtig erstellt, was aber für die Beurteilung der Kantendeckung der Grundierung keine Rolle spielt. Auch hier ist nur eine leichte Kantenflucht vorhanden, was keinen nennenswerten negativen Einfluss auf den Korrosionsschutz hat.

Bild 2
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© Nicotra Gebhardt

> Homogener Kantenaufbau der neuen Grundierung auf gelasertem Blech.

Bild 3
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© Nicotra Gebhardt

> Auch auf gestrahltem Blech erzielt die Grundierung einen homogenen Kantenaufbau.

Ein Grat stellt immer die höchste Anforderung an eine Grundierung dar, da der spitze Winkel des Blechs an dieser Stelle die Kantenflucht nochmals unterstützt. Auch ein relativ breiter Grat (Bild 4), beeinflusst in der Regel bereits den Kantenaufbau leicht. Dennoch ist die Schichtdicke hier mit 70 µm immer noch mehr als ausreichend. Erst bei einem sehr scharfen Grat (Bild 5) wird die Kantenflucht deutlich sichtbar. Der Kantenaufbau liegt nun bei gerade 21 µm. Dies ist für einen vollständigen Korrosionsschutz nicht mehr optimal. Man muss allerdings bedenken, dass es sich zum einen um einen sehr scharfen Grat handelt und zum anderen eine Standardgrundierung bereits bei einem regulär gelaserten Blech eine Schichtdicke von < 3 µm aufweist. Das Maß an gewonnener Sicherheit ist also mehr als deutlich sichtbar.

Bild 4
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© Nicotra Gebhardt

> Leicht reduzierte Kantenschichtdicke bei breitem Grat.

Bild 5
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© Nicotra Gebhardt

> Reduzierte Kantenschichtdicke bei sehr scharfem Grat.

Der Vollständigkeit halber wurde auch ein Querschliff mit mechanisch gebrochener Kante angefertigt. Wie nicht anders zu erwarten war, ist der Kantenaufbau sehr homogen, eine Kantenflucht ist kaum bemerkbar.

Nachdem die theoretische Zielsetzung der Kantendeckung erfolgreich belegt werden konnte, galt es nun, das Korrosionsverhalten im Allgemeinen zu prüfen. Hierzu wurden ungestrahlte Bleche mit einem Zweischichtaufbau (feinstrukturierte Grundierung Endurance & Polyurethan Deckpulver glatt glänzend RAL 7031) für 1440 h einem neutralen Salzsprühtest in Anlehnung an DIN EN ISO 9227 unterzogen. Die Vorbehandlung war zum einen eine reine Dickschicht-Eisenphosphatierung, zum anderen dieselbe Dickschicht-Eisenphosphatierung mit anschließender No-Rinse-Passivierung (Haug Chemie). Die reine Eisenphosphatierung (Bild 6) zeigt eine Korrosion am Ritz von 1,5 - 2,5 mm und eine Enthaftung am Ritz von 1,5 - 2,5 mm. Der Einsatz der No-Rinse-Passivierung bringt eine weitere, leichte Verbesserung der Ergebnisse (Bild 7). Hier liegt die Korrosion am Ritz zwischen 0 und 1,5 mm, wie auch die Enthaftung am Ritz bei 0 - 1,5 mm. Wie man auf den Bildern sehen kann, ist auch nach dieser Dauer keine Korrosion an der Kante feststellbar.

Bild 6
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© Nicotra Gebhardt

> Korrosionsverhalten nach 1440 h NSS ohne Passivierung.

Bild 7
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© Nicotra Gebhardt

> Fe-Dickschichtphosphatierte Bleche mit anschließender No-Rinse-Passivierung nach 1440 h NSS.

Im Anschluss wurden diese Bleche bis zum Erreichen von 2000 h weiter im NSS (neutral salt spray = neutraler Salzsprühtest) belastet. Dabei konnte keine wesentliche Veränderung des Ergebnisses gegenüber 1440 h festgestellt werden. Die gewünschte Schutzwirkung konnte sicher erreicht und sogar deutlich überschritten werden.

Einschränkungen

Natürlich gibt es auch Einschränkungen für dieses System. Es handelt sich bei dieser Grundierung um ein hochreaktives Bindemittel. Entsprechend besteht ein gewisses Risiko die Grundierung zu überbrennen. Dies kann einen negativen Einfluss auf die Zwischenhaftung zum Decklack haben. Dem kann aber sehr leicht entgegengewirkt werden, da sich diese Grundierung auch zum sogenannten Angelieren eignet. Ein Überbrennen kann also durch eine reduzierte Ofenverweilzeit beim ersten Einbrennvorgang vermieden werden, woraus außerdem auch noch geringere Beschichtungskosten resultieren.

Die Strukturausbildung dieser Grundierung wurde sehr fein eingestellt. Dennoch kann es bei der anschließenden Überbeschichtung mit einem Glattlack nicht ganz ausgeschlossen werden, dass der Verlauf des Zweischichtaufbaus eine leichte Unruhe vorweist. Dies kann für einzelne Kunden anfangs als optisches Problem angesehen werden. Der technische Vorteil der erhöhten Schutzwirkung sollte diesen kleinen optischen Makel allerdings mehr als kompensieren.

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass diese neuartige Grundierung neben einem sehr guten allgemeinen Korrosionsschutz auch Kanten durch den Aufbau einer ausreichenden Lackschicht gezielt vor Kantenkorrosion schützt. Selbst Oberflächen mit scharfem Grat werden deutlich besser geschützt als mit einer Standard-Epoxydharzgrundierung. Dies sorgt für einen sicheren und reproduzierbaren Lackaufbau selbst bei schwierigen Bauteilen. Korrosionsschäden können so deutlich reduziert und in vielen Fällen sogar vollständig vermieden werden.