Die Zulieferkette der Automobilindustrie wurde und wird von Aufgabenstellungen dominiert, die direkt oder indirekt in Zusammenhang mit der gesamten Powertrain-Technologie stehen. Durch neue Fertigungsmethoden und Mobilitätskonzepte sowie einige andere Trends entsteht ein neues Anforderungsprofil verbunden mit einem massiven Veränderungsdruck — und daraus resultierend natürlich die Frage: wohin geht die Reise in der industriellen Reinigungstechnik?

Die Veränderungen sind in vollem Gange. Neben der fortschreitenden technischen Entwicklung in der Antriebstechnik (zum Beispiel Hybrid) und neuen Mobilitätskonzepten wie dem autonomen Fahren, spielt auch das Thema Industrie 4.0 eine große Rolle. Aktuell erfährt der Wandel Beschleunigung durch die große Verunsicherung in Sachen Antrieb: Der klassische, also Benzin oder Diesel, wird oft unsachlich aber dennoch faktisch in Frage gestellt. Elektromobilität wird offen präferiert, die Brennstoffzelle schlummert im Hintergrund. Worauf muss sich der Zulieferer in Folge also einstellen? Je nachdem, mit wem man sich unterhält, sind zwei wesentliche Trends festzustellen.

Konservativer Ansatz

Beim konservativen Ansatz dominiert die Zurückhaltung und folgende Gedanken:

  • Industrie 4.0 ist eine Konsequenz aus dem Streben nach Effizienz sowie Flexibilität und wird im Rahmen der üblichen Investitionszyklen Schritt für Schritt eingeführt. Eigene Ideen gibt es hierzu selten. Man wartet auf die Vorgaben und technischen Lösungen/Standards der großen Tier1 oder OEMs.

  • Der Verbrennungsmotor stellt noch in den kommenden Jahren die dominierende Antriebstechnik dar. Mit ihm bleiben die zerspanenden Prozesse und die üblichen Handlingsgrößen stabil. Das Stückzahlszenario wird auf mittlere Sicht ähnlich bleiben. Man geht gegebenenfalls von Mengenverschiebungen bei den unterschiedlichen Abnehmern aus. Die technische Entwicklung in der Antriebstechnik setzt sich als Hybridbaustein durch.

  • Die Anforderungen aus dem Thema „autonomes Fahren“ erscheinen in vielen Bereichen noch abstrakt.

  • Veränderte Fertigungsverfahren, wie zum Beispiel das Kleben oder Schweißen von Leichtmetallen, sind in den Prozessen angekommen. Die Anforderungen sind bekannt und in aller Regel berücksichtigt. Additive Fertigungsverfahren sind Zukunftsmusik.

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© istock

Die kamerabasierte Sensortechnik hat schon längst ihren Platz im automobilen Alltag. Autonomes Fahren erfordert jedoch ein deutlich höheres Qualitätsniveau, partikulär und filmisch.

Progressiver Ansatz

Beim progressiven Ansatz werden die aktuellen Trends eher als Chance betrachtet:

  • Industrie 4.0 und insgesamt die Digitalisierung ist zum einen eine Konsequenz aus dem Streben nach Effizienz und Flexibilität, zum anderen ist sie die Voraussetzung für das Antizipieren von Veränderungen in der Prozesskette und in den Einzelprozessen der einzelnen Produktionsschritte. Eigene Ideen erhöhen die Anpassungsfähigkeit, erweitern das Einsatzgebiet und sind damit als Wettbewerbsvorteil erforderlich.

  • Der Verbrennungsmotor kann in den kommenden Jahren weiter die dominierende Antriebstechnik sein. Das Stückzahlszenario ist nur schwer planbar und tendenziell eher rückläufig. Der Wettbewerbsdruck wird zunehmen, die Margen werden sinken. Neue Antriebskonzepte und deren Anforderungen rücken in den Vordergrund und erlauben die Erarbeitung besonderer Fähigkeiten und Alleinstellungsmerkmale. Sie erfordern angepasste Fertigungsprozesse und neue Verfahren.

  • Die Anforderungen aus dem Thema „autonomes Fahren“ werden verinnerlicht und in den aktuellen Prozessen abgebildet.

  • Veränderte Fertigungsverfahren, wie zum Beispiel das Kleben oder Schweißen von Leichtmetallen, sind in den Prozessen angekommen. Die Anforderungen an die neuen Märkte sind natürlicher Bestandteil der Selbstreflektion. Entwicklungen in anderen Industriebereichen, wie bei der additiven Fertigung, werden in die eigenen Überlegungen und Prozesse aktiv mit einbezogen.

  • Die Entwicklung und Umsetzung der neuen Ideen, Fähigkeiten und Lösungsansätze wird nicht allein in der Branche Automobil vollzogen. Progressive Unternehmen erproben ihre Fähigkeiten auch in anderen Industriebereichen, die bereits heute mit den neuen Verfahren und Anforderungen arbeiten.

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Moderne modulare Kammeranlagensysteme erlauben die Integration der am Markt bekannten sowie neuer Reinigungs- und Trocknungsverfahren für filmische und partikuläre Aufgabenstellungen.

Einfluss auf die Reinigungstechnik

Welche Sichtweise setzt sich durch? Kann man es sich aktuell erlauben, die Erfahrungen aus der Vergangenheit direkt in die Zukunft fortzuschreiben? Das Risiko ist mittel- und langfristig groß. Der progressivere Ansatz erfordert andere Prozesse sowie ein höheres Maß an Flexibilität und bedingt andere Reinigungsvarianten. Träge verfahrenstechnische Prozesse müssen geführt und andere Materialien und geometrische Gegebenheiten berücksichtigt werden. Große Monolinien mit partikulären Aufgaben werden weiterhin existieren. Komplexe Geometrien mit filmischen oder kombiniert partikulär-fimischen Anforderungen erlauben neue Entwicklungen und eine Erwirtschaftung von Erträgen, gerade in der wasserbasierten Reinigungstechnik.

Im automobilen Antriebsstrang steht also für den Anlagenlieferanten nicht mehr das eigentliche Bauteil mit seiner Aufgabe im Vordergrund. Die wirtschaftliche und prozesstechnische Betrachtung orientiert sich allein an der aufgabenspezifischen Reinheitsanforderung, der Komplexität der Geometrie, am Material, der Verunreinigung und der Menge. Klassische Automobilzulieferer werden in Folge zu Unternehmen, die bestimmte Fähigkeits-Spektren für unterschiedliche Branchen mit vergleichbaren Aufgaben bereitstellen.

Forderung nach angepassten Konzepten

Bisherige Anlagentechniken, insbesondere in der wässrigen Reinigung, stoßen durch das neue Setting (filmisch und/oder feinstpartikulär) an ihre Grenzen.

Die Forderung nach angepassten Konzepten durch eine generelle Veränderung des Aufgabenspektrums steht im Raum. Anlagensysteme für die Automobil-Zulieferindustrie müssen folgende Eigenschaften aufweisen:

  • Eignung für neue Materialien und für komplexe geometrische Ausführungen

  • Optimierte Verfahrenstechnik, gerade unter dem Aspekt filmischer und partikulärerer Anforderungen

  • Eignung für schnelle Produktwechsel

  • Aufwuchs- und Erweiterungsfähigkeit im Rahmen des Produktlebenszyklusses

  • Optimierung und Verbesserung der Reinigungs-, Spül- und Trocknungsprozesse

  • Überwachung und Steuerung der Reinigungs-, Spül- und Trocknungsprozesse unter dem Aspekt der Prozessüberwachung, Standzeit, Reinigungsqualität.

Darüber hinaus müssen die Anlagensysteme variabel konfigurierbar und anpassungsfähig hinsichtlich technischer Sauberkeit, Materialfluss, Umgebungsbedingungen und Bedienerführung sein.

Zukunftsfähige Systeme

Im Automotive-Sektor galt der Beseitigung filmischer Verunreinigungen seither wenig Interesse. Allerdings rückt dieses Thema durch neue Aufgaben, neue Fertigungsverfahren (zum Beispiel additive Fertigung, neue Beschichtungsverfahren, Klebetechniken, Aktivierung der Oberflächen für Folgeprozesse) und durch sich verändernde Anforderungen klar in den Fokus. Das muss sich auch in der angebotenen technischen Lösung sowie Organisationsstruktur eines Reinigungsanlagenlieferanten widerspiegeln. Notwendige Entwicklungen sind zu finanzieren und das bei tendenziell rückläufigen Margen in den klassischen Aufgabengebieten. Die breite Erfahrung in vergleichbaren Prozessen aus anderen Branchen und die Flexibilität, diese aufgabenspezifisch als Beratung und in der jeweiligen Anlagentechnik umzusetzen, ist eine wesentliche Voraussetzung, um für diese Entwicklungen gerüstet zu sein.

Eine spezifische Festlegung auf eine Branche allein ist als Unternehmen somit nicht sinnvoll. Weder aus Sicht des Anlagenherstellers noch aus Sicht des Automobilzulieferers, da er ansonsten von diesen Erfahrungen entkoppelt wird. Der Spagat wird größer: Anlagenlösungen müssen ihre Eignung für die Allgemeine Industrie und die Automobilzulieferer aktuell sowohl unter dem Aspekt der Partikelreinigung für mittlere und hohe Anforderungen als auch für sich verändernde Gegebenheiten auf hochflexiblem Niveau nachweisen. Gerade jene Zukunftsfähigkeit in Bezug auf die genannten Trends und Themen sollte bei einer Neuinvestition ein fester Bestandteil sein. Und schlussendlich wird die Reise in Richtung Systeme auf Basis von Reihentauchanlagen gehen. Oder bei schwierigeren Aufgabenstellungen in Richtung flexibler modularer Ein- oder Mehrkammersysteme.

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© Audi AG/istock

Eine zentrale Fragestellung für die Branche: Welches Antriebskonzept wird zukünftig dominieren?