Hintergrund

Die außerklinische Intensivpflege (AIP) von Menschen mit Langzeitbeatmung hat sich mitunter aufgrund des medizinisch-technischen Fortschritts sowie ökonomischer Anreizsysteme in den letzten Jahren weltweit etabliert (Ewers und Lehmann 2017; Gleich et al. 2015; Valko et al. 2018). Auch in Deutschland nimmt die Anzahl an ambulant betreuten Menschen mit chronischer respiratorischer Insuffizienz stetig zu. Während eine Erhebung im Jahr 2005 eine Prävalenz von ca. 5000 Fällen, 1000 davon mit Tracheostoma, anzeigt, stehen aktuell keine konkreten Fallzahlen zur Verfügung. Auf Basis von Hochrechnungen verschiedener Krankenkassen kann die Fallzahl für 2018 jedoch auf ca. 15.000 invasiv-beatmete Menschen geschätzt werden. Eine Fallzahl für nichtinvasiv beatmete Personen, die ambulant versorgt werden, ist nicht ermittelbar, wird jedoch noch höher geschätzt (Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB e. V.) 2017; Lloyd-Owen et al. 2005; Klingshirn et al. 2020; Köhler 2019; Windisch et al. 2019). In Deutschland wurden für diese Patient*innengruppe – in der AIP „Klient*innen“ genannt – unterschiedliche ambulante Versorgungsformen geschaffen. Dazu gehören Wohngemeinschaften (WG) der AIP, die von spezialisierten ambulanten Intensivpflegediensten betrieben werden (Gleich et al. 2015; Klie et al. 2020). Sie stehen im Fokus der hier dargestellten Studie. Menschen mit Beatmungsbedarf sind eine hoch vulnerable Zielgruppe, deren qualitativ anspruchsvolle Versorgung sehr zeit- und ressourcenintensiv ist und sich durch regelhaft durchzuführende infektionskritische Tätigkeiten, wie Tracheostomapflege, -wechsel, Absaugen respiratorischer Sekrete und Inkontinenzversorgung auszeichnet. Charakteristisch für Menschen mit langfristigem Beatmungsbedarf sind daher eine hohe Medizinprodukte-Anwendungsrate (Trachealkanüle mit und ohne Beatmung, Dauerkatheter und PEG-Sonde), häufige stationäre Aufenthalte, etwa in Krankenhäusern und neurologischen Rehabilitationseinrichtungen, und ein erhöhtes Infektionsrisiko mit multiresistenten Erregern (MRE) (Ewers und Lehmann 2017; Gleich et al. 2009, 2015). Betreffend der Indikation für eine langfristige Beatmung ist die Zielgruppe sehr heterogen, was unterschiedliche Bedarfe an die Versorgung impliziert (Windisch et al. 2017).

Das Setting der WG erfordert zudem ein hohes Maß an Verantwortung bei der Ausführung dieser anspruchsvollen Pflegetätigkeiten, da das Pflegeteam Maßnahmen weitgehend selbstständig und ohne ärztliche Anwesenheit organisiert und durchführt. Setting-spezifische Herausforderungen ergeben sich außerdem aus der Zusammenarbeit mit Angehörigen sowie der alltäglichen Begleitung und Assistenz der Betroffenen (Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB e. V.) 2017; Windisch et al. 2017).

Das Pflegepersonal ist dementsprechend mit komplexen Anforderungen an seine fachliche Kompetenz konfrontiert, die mit konkreten Wissens- und Informationsbedarfen einhergehen (Windisch et al. 2017). Eine solche, die sich aufgrund der regelhaften Durchführung infektionskritischer Tätigkeiten, der hohen Medizinprodukte-Anwendungsrate der Klient*innen sowie des außerklinischen Settings und der damit im Zusammenhang stehenden Kooperation mit Angehörigen im Besonderen zeigt, ist das Hygienemanagement (Gleich et al. 2015). Die Relevanz des Hygienemanagements in der außerklinischen Betreuung von Menschen mit Beatmungsbedarf wird in einigen aktuellen Studien thematisiert (beispielsweise Hoeppchen et al. 2022; Lehmann und Ewers 2020). Das Hygienemanagement unterliegt in Deutschland unterschiedlichen gesetzlichen Logiken. In einzelnen Bundesländern werden Handlungsempfehlungen für das Hygienemanagement in der AIP als relevant erachtet. Im Fokus stehen hier z. B. die Qualifikation und Schulung des Personals, die korrekte Einteilung des Fachpersonals und die Umsetzung von Hygienevorschriften (Landtag Mecklenburg-Vorpommern 2013). Die Arbeitsgruppe Hygiene der KNAIB (Fachgesellschaft für Außerklinische Intensiv- und Beatmungspflege e. V.) hat bereits Empfehlungen zum Hygienemanagement bezüglich Strukturen und Prozesse für unterschiedliche Wohnformen gegeben (Gleich et al. 2019). Bisher fehlen dennoch Studien zum Wissensstand und zu Informationsbedarfen der Pflegefachkräfte im Bereich Hygienemanagement in der AIP mit dem Ziel, Empfehlungen zu Fortbildungsinhalten ableiten zu können.

Forschungsfragen

Die vorliegende Publikation nimmt sich dieser Thematik an und geht folgenden Fragen nach:

  • Wie schätzen in den WG tätige Pflegefachkräfte ihr Wissen zum Thema Hygiene und Infektionen bei Menschen mit Beatmungsbedarf ein?

  • Welche personen- und berufsbezogenen Eigenschaften der Pflegefachkräfte wirken sich auf den selbsteingeschätzten Wissensstand aus?

  • Welche Setting- und Klient*innenbezogenen Herausforderungen und Informationsbedarfe sehen die Pflegefachkräfte im Pflegealltag?

Methode

Studiendesign und Datenerhebung

Die vorliegende Untersuchung ist Teil eines umfangreichen Forschungsprojektes (HAIP – Optimierung des Hygienemanagements in der außerklinischen Intensivpflege, 2019–2021), das in Kooperation mit einem deutschlandweit agierenden Anbieter für AIP (Deutsche Pflegegruppe) entstanden ist. Das Kooperationsprojekt verfolgte das Ziel, das Hygienemanagement bei der Versorgung von erwachsenen Menschen mit Beatmungsbedarf in WG zu optimieren. Hierfür wurden pflegewissenschaftliche Erkenntnisse mittels dreier Teilprojektstränge erhoben:

  1. 1.

    Literaturstudie zum Thema Hygienemanagement in der AIP,

  2. 2.

    Strukturdatenanalyse der strukturellen Gegebenheiten aller WG des Kooperationspartners,

  3. 3.

    standardisierte Befragung aller in den WG tätigen Pflegefachkräfte zum eigenen Wissensstand zum Thema Hygienemanagement sowie zu diesbezüglichen Informationsbedarfen.

Die vorliegende Publikation bezieht sich ausschließlich auf den 3. Teilstrang, die standardisierte Befragung der Pflegefachkräfte.

Befragungsinhalte und Messinstrument

Im Zentrum der Erhebung stand die Messung des individuellen Informationsstandes der examinierten Pflegefachkräfte, der einerseits mit Wissensfragen und Fallvignetten und andererseits mit Fragen zur subjektiven Einschätzung des Wissensstandes zu relevanten Themenbereichen gemessen wurde.

Der Fragebogen lässt sich thematisch in 4 Teilbereiche untergliedern:

  1. 1.

    Schätzung der Häufigkeit sowie des zeitlichen Aufwands von hygienerelevanten pflegerischen Tätigkeiten, die bei Menschen mit Beatmungsbedarf während einer typischen Dienstschicht durchzuführen sind,

  2. 2.

    Einschätzung des persönlichen Wissensstandes zu unterschiedlichen Dimensionen des Hygieneplans,

  3. 3.

    Ermittlung des Wissensstandes zu hygienerelevanten Thematiken via Fakten- und Anwendungsfragen und

  4. 4.

    Wissens- und Fortbildungsbedarfe, Herausforderungen im Pflegealltag zum Thema Hygienemanagement.

Beendet wird die Befragung mit der Erhebung personenbezogener Angaben zu soziodemografischen Merkmalen und Hintergrundinformationen, wie beispielsweise Anzahl der Jahre an Berufserfahrung, Arbeitszeitmodell, Anstellungsverhältnis sowie erfolgte Aus‑/Fort- und Weiterbildungen. Die im Fragebogen enthaltenen Items wurden von der Forschungsgruppe mit Einbindung von Praxisexpert*innen des Kooperationspartners konstruiert. Ein Pretest wurde anhand einer Expert*innenbefragung durchgeführt.

Befragungsmodi

Um eine größtmögliche Ausschöpfungsquote zu erhalten, fand die Befragung online per Link und papierbasiert mit Auslage in allen WG des ambulanten Intensivpflegedienstes im Zeitraum vom März 2020 bis Juli 2020 statt. Die Rekrutierung sowie die Rücksendung der Papierfragebögen fand über die projektverantwortlichen Personen des ambulanten Intensivpflegedienstes statt. Gemäß der Deklaration von Helsinki (World Medical Association [WMA] 2013) wurden die Befragten vorab mithilfe eines Informationsschreibens über Anonymität und die weitere Datenverarbeitung aufgeklärt.

Analyse und Auswertung des Fragebogens

Die Analyse des Fragebogens erfolgte primär deskriptiv anhand der Darstellung univariater Kennwerte sowie absoluter und relativer Häufigkeiten. Zudem wurden multiple lineare Regressionen mit paarweisem Fallausschluss (Methode: Enter) durchgeführt, um zu testen, ob ausgewählte Merkmale der teilnehmenden Personen einen Einfluss auf deren Einschätzung des persönlichen Wissensstandes in bestimmten Bereichen haben. Hierfür wurden zu den relevanten Bereichen jeweils Skalen gebildet, die die durchschnittliche Bewertung über die jeweiligen Skalenitems pro befragter Person (Summe der Antwortwerte geteilt durch die Anzahl der Items pro Skala) repräsentieren. Die interne Konsistenz der Skalen wurde jeweils mit der Berechnung von Cronbachs α überprüft (Tab. 1). Die personenbezogenen Variablen wurden für die Berechnung des Modells modifiziert. Die Variable Alter wurde dabei auf Basis der Häufigkeitsverteilung (wenige Teilnehmer*innen über 50 Jahre) dichotomisiert, d. h., in 2 Klassen (bis 40 Jahre/über 40 Jahre) aufgeteilt. Bei der Variable Geschlecht wurde die Ausprägung „divers“ aufgrund der sehr geringen Auswahl als Missing festgelegt. Zudem wurde eine neue Variable mit der Anzahl an absolvierten weiterführenden Ausbildungen erstellt. Dabei handelt es sich um die dargestellten Fort- und Weiterbildungen (Tab. 2): Intensivzusatzausbildung, Pflege-Expert*in für außerklinische Beatmungspflege, Pflegefachkraft für außerklinische Beatmungspflege, Medizinproduktbeauftragte*r, Ausbildung zur Atmungstherapeutin/zum Atmungstherapeuten, Hygienebeauftragte*r/Hygienefachkraft, Teilnahme an Hygieneschulungen und Sonstiges. Außerdem wurde die dichotome Variable Erstsprache Deutsch als weitere unabhängige Variable herangezogen. Als maximaler Typ-1-Fehler wurde p < 0,05 festgelegt. Die Auswertung fand mit dem Statistikprogramm IBM SPSS Statistics 27 (IBM Deutschland GmbH, Ehningen, Deutschland) statt.

Tab. 1 Themenblöcke, subjektives Wissen
Tab. 2 Stichprobendeskription, Pflegefachkräfte

Ergebnisse

Stichprobendeskription

Insgesamt haben 147 Pflegefachkräfte an der Befragung teilgenommen, was einer Ausschöpfungsquote von 30 % entspricht (Grundgesamtheit: 482 Pflegefachkräfte). Knapp ein Drittel der Befragungen wurde online durchgeführt. Nachfolgend sind Soziodemografie sowie Hintergrunddaten der teilnehmenden Pflegefachkräfte ersichtlich (Tab. 2).

Ausgewählte themenspezifische Ergebnisse

Im Folgenden wird auf ausgewählte, für die Fragestellung relevante Ergebnisse eingegangen.

Persönliches Wissen zum Thema Hygiene und Infektion

Pflegefachkräfte wurden zu ihrem subjektiv eingeschätzten Wissensstand in den Bereichen Personalhygiene, Umgebungshygiene, Arznei- und Lebensmittelhygiene, medizinisch-pflegerische Maßnahmen und Infektionsinterventionen befragt. Die persönliche Einschätzung wurde anhand des Schulnotensystems von sehr gut (1) bis ungenügend (6) vorgenommen. Die in den 5 Themenblöcken enthaltenen 17 Indikatoren werden in Tab. 1 dargestellt.

Die Abb. 1 zeigt, wie Pflegefachkräfte ihr Wissen zu den 5 Themenblöcken im Durchschnitt einschätzen, dargestellt mit dem arithmetischen Mittelwert (AM) und der Standardabweichung (SD). Der Wissensstand zu den einzelnen Bereichen wird durchschnittlich als sehr gut bis gut eingeschätzt. Das Wissen im Bereich Personalhygiene wird am besten eingeschätzt (AM: 1,62), gefolgt von Umgebungshygiene (AM: 1,69), Arznei- und Lebensmittelhygiene (AM: 1,88), medizinisch-pflegerischen Maßnahmen (AM: 1,72) und Infektionsinterventionen (AM: 2,22).

Abb. 1
figure 1

Einschätzung des persönlichen Wissensstands

Eingeschätzter Wissensstand nach Anzahl der Fort- und Weiterbildungen

Im Zuge der multiplen linearen Regressionen zeigte sich, dass mit zunehmender Anzahl an Fort- und Weiterbildungen der Wissensstand zu den Themen Personalhygiene (β: −0,277; p < 0,05), medizinisch-pflegerische Maßnahmen (β: −0,355; p < 0,05) und Infektionsinterventionen (β: −0,248; p < 0,05) besser eingeschätzt wird (Tab. 3).

Tab. 3 Ergebnisse der multiplen linearen Regressionena

Herausforderungen und Informationsbedarfe im Pflegealltag

Im Zuge der Frage nach Herausforderungen im Pflegealltag und Informationsbedarfen waren Mehrfachantworten möglich. Wie in Abb. 2 ersichtlich, können unterschiedliche Herausforderungen und Informationsbedarfe identifiziert werden. So sehen 70,0 % der Pflegefachkräfte die Kommunikation und Abstimmung mit den Angehörigen der betreuten Klient*innen als Herausforderung an. Als herausfordernden Aspekt im Pflegealltag sehen 62,1 % die Versorgung von Klient*innen mit multiresistenter Keimbesiedelung und 37,1 % die Verfügbarkeit von Materialressourcen, z. B. Verbandmaterial. Weitere 27,9 % der Befragten gaben hygienebezogene Gefahren aufgrund unterschiedlicher Herstellerangaben zu Geräten als Herausforderung an. Der Zeitaufwand aufgrund unterschiedlicher Herstellerangaben zu Medizinprodukten wurde von 17,1 %, die beiden Aspekte „Kommunikation und Abstimmung mit der zuständigen Reinigungsfirma“ wie auch „Verfügbarkeit von Hilfsmitteln wie z. B. Lifter oder Duschliegen“ jeweils von 14,3 % der Pflegefachkräfte ausgewählt.

Abb. 2
figure 2

Herausforderungen und Informationsbedarfe im Pflegealltag

Fortbildung zum Thema Hygiene und Infektionen

Die teilnehmenden Personen wurden zudem gefragt, ob sie sich gern zum Thema Hygiene und Infektionen fortbilden möchten. Dabei zeigte sich, dass 86,2 % gern Fortbildungsangebote in Anspruch nehmen würden.

Schlussfolgerungen

Die vorliegende Publikation untersuchte den Wissensstand und die Wissensbedarfe von Pflegefachkräften zum Thema Hygiene in der AIP. Die Ergebnisse machen deutlich, dass Fort- und Weiterbildungen den selbst eingeschätzten Wissensstand zu den für die Versorgung von Menschen mit Beatmungsbedarf relevanten Bereichen Personalhygiene, Infektionsintervention und medizinisch-pflegerische Maßnahmen erhöhen. Zudem wurde ein expliziter Fortbildungswunsch zum Thema Hygiene in der AIP von beinahe allen betroffenen Pflegefachkräften geäußert.

In der Literatur zeigt sich, dass entsprechende Fort- und Weiterbildungen zur Lösung von Herausforderungen in der Pflegepraxis von Nutzen und mangelnde Qualifikationen ein zentraler Faktor für die Entstehung kritischer Situationen sind (Klingshirn 2020). Zusatzqualifikationen und Fortbildungsangebote für examinierte Pflegefachkräfte werden von medizinischen Expert*innen immer wieder gefordert, um den Anforderungen an die eigenverantwortliche Versorgung von Klient*innen mit Beatmungsbedarf in diesem Setting gerecht zu werden (Windisch et al. 2017).

In der dargelegten Studie zeigte sich die Kommunikation und Beratung von Klient*innen und Angehörigen als Top-1-Herausforderung im Pflegealltag. Der Einbezug von Angehörigen von langzeitbeatmeten Personen stellt eine essenzielle Komponente im ambulanten Bereich dar, da diese in der Versorgung eine bedeutsame Rolle einnehmen (Klingshirn 2020; Lademann 2017). Eine gezielte und strukturierte Einarbeitung der in die Pflege miteinbezogenen Angehörigen wird auch in der S2k-Leitlinie ‚Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz – Revision 2017‘ als wesentlich vermerkt (Windisch et al. 2017). Die Sichtweisen der Betroffenen sowie deren Angehörigen werden u. a. auch in die Studie OVER-BEAS miteinbezogen (Gerken et al., 2020).

Zudem zeigt sich die Aufbereitung von Medizinprodukten u. a. aufgrund unterschiedlicher Herstellerangaben als Herausforderung im Pflegealltag. Diese Problematik wird auch von vergangenen Studien angemerkt. McGoldrick (2010) weist etwa auf die tragende Rolle der richtigen Handhabung von Medizinprodukten bei der Vermeidung von Atemwegsinfektionen hin. Auch Horvath et al. (2018) zeigen einen notwendigen Schulungsbedarf für Pflegefachkräfte und Klient*innen hinsichtlich der Aufbereitung beatmungsspezifischer Medizinprodukte auf.

Eine weitere Thematik, die als Herausforderung aus der Pflegendenbefragung hervorging, ist die Versorgung von Klient*innen mit multiresistenter Keimbesiedelung (MRE). Eine hohe Prävalenz an Methicillin-resistentem Staphylococcus aureus (MRSA) und an multiresistenten gramnegativen Stäbchen mit Resistenz gegen 3 der 4 Antibiotikagruppen besteht laut Neumann et al. (2016) bei Patient*innen ambulanter Intensivpflegedienste, wodurch die Relevanz der Thematik klar gezeigt werden kann. Laut Horvath et al. (2018) enthalten Hygienepläne in der AIP unzureichende Standards zu MRE bzw. MRSA. Zudem hat das Personal mitunter hierzu keinen Zugang.

Als eine weitere Problematik wird die Verfügbarkeit von Materialressourcen (z. B. Verbandsmaterial) angegeben. Hierzu konnte in vergangenen Studien kein expliziter Beleg gefunden werden. Ob es sich hierbei um eine Setting-spezifische Herausforderung – ein hohes Maß an Eigenverantwortung u. a. bei der Organisation solcher Ressourcen – handelt, oder ob unternehmensbezogene strukturelle Abstimmungsschwierigkeiten hierfür ursächlich sind, war nicht primärer Fokus der dargelegten Studie. Dementsprechend sind für konkrete Aussagen und Verbesserungsvorschläge hierzu noch weitere Untersuchungen und Recherchen nötig.

Limitationen

Limitierend ist anzumerken, dass eine Vollerhebung zwar angestrebt wurde, die Ausschöpfungsquote jedoch nur bei 30 % lag. Subgruppenvergleiche waren daher Großteils nicht möglich. Da in der Stichprobe jedoch Pflegefachkräfte aller Intensivpflegedienste des Betreibers enthalten sind, kann davon ausgegangen werden, dass die Ergebnisse für das Gesamtunternehmen relevant sind. Zudem können die Ergebnisse mit Vorbehalt als relevant für WG in Deutschland diskutiert werden, da der Betreiber bundesländerübergreifend tätig ist. In Bezug auf die statistischen Auswertungen ist zu berücksichtigen, dass die interne Konsistenz des Index „Arznei- und Lebensmittelhygiene“ nicht optimal ist (Cronbachs α = 0,586). Bei zukünftigen Analysen sollten hierzu deshalb noch weitere Indikatoren miteinbezogen werden. Die Darstellung der multiplen linearen Regressionen zeigt, dass bei lediglich 2 von insgesamt 5 betrachteten Themenblöcken zum Hygienemanagement signifikante Ergebnisse vorliegen. Limitierend anzumerken ist hier zudem die geringe Güte der Regressionsmodelle (s. Werte korrigiertes R‑Quadrat, Tab. 3). Für künftige Untersuchungen sollten daher weitere erklärende Variablen berücksichtigt werden. Aus der Studie resultieren dennoch wichtige Themenbereiche, wie der Einbezug Angehöriger und Herstellerangaben zu Medizinprodukten, die in künftigen Untersuchungen berücksichtigt werden sollten, um tiefergehende Aussagen treffen zu können. Die Ergebnisse zeigen, dass die Intensivpflege von Menschen mit Beatmungsbedarf viele komplexe Tätigkeiten und Herausforderungen für Pflegefachkräfte mit sich bringt. Der explizite Fortbildungswunsch der Pflegefachkräfte verdeutlicht dies und zeigt zudem, dass Pflegefachkräfte sich dieser Herausforderungen bewusst sind und diesen mit gezielten Fortbildungen begegnen möchten.

Die Erhebung fand zu Beginn der Coronapandemie statt, sodass coronabedingte hygienespezifische Aspekte im Rahmen der Erhebung nicht aufgenommen wurden.